Freitag, 26. Mai 2023
Montag, 13. März 2023
Noch ein Museum der sehr fernen Zukunft
Freitag, 28. Oktober 2022
Ewigkeitswerkzeug
Wer ein Schloß als Tourist besucht oder ein Kloster als Sehenswürdigkeit, der kennt sie - diese unförmigen Pantoffel aus Filz, die beim Anziehen Anlaß zur Heiterkeit oder Verlegenheit geben.
Der Sinn der unförmigen Fußbekleidung liegt auf der Hand. Man kann mit dem Schuhwerk, das man trägt, hineinschlüpfen und ungeniert über Parkett und Marmorboden schleifen, ohne Schmutz abzusondern.
Es gibt aber noch einen zweiten Sinn: anders als Schuhe mit harten Sohlen, beschlagenen Absätzen oder gar High Heels, nutzt der Filz der schützenden Pantoffeln die Böden weit weniger ab. Was wir als Sehenswürdigkeit, meist vorab bewundernd und wertschätzend besuchen, was als kulturelles Erbe meist unter Denkmalschutz steht, an dem jede Abnutzung eine Art von Verletzung der kulturellen Bedeutung wäre, soll ja dauerhaft Bestand haben.
Musealisierte Immobilien und Mobilien sind mit einer merkwürdigen, unserem Verstand kaum zugänglichen Vorstellung von Ewigkeit ausgestattet. Das gilt auch für Museen, in besonderem Maße für Kunst Museen. Sie scheinen selbstverständlich immer da zu sein und auch das künftig und unbegrenzt. Niemand stellt sich die Dauer von Artefakten als zeitlich irgendwann endend dar, obwohl auch sie beschädigt werden oder zugrundegehen können. Etwa durch die begrenzte Haltbarkeit des Materials oder wegen verschiedener Umwelteinflüsse.
So gesehen sind die Filzpantoffel Ewigkeitswerkzeuge, der praktische Einspruch gegen Abnutzung und Verfall, das Hilfsmittel der scheinbar grenzenlosen Dauerhaftigkeit des kulturellen Erbes.
Sonntag, 28. August 2022
Sonntag, 8. Mai 2022
Dienstag, 20. Juli 2021
Sonntag, 20. Oktober 2019
Auch eine Museumsdefinition
Täuscht euch nicht, Mitbürger, das Museum ist keine oberflächliche Ansammlung von Luxusgegenständen oder Frivolitäten, die nur der Befriedigung der Neugier dienen sollen. Es muß eine Ehrfurcht bietende Schule werden. Die Lehrer werden ihre jungen Schüler hinführen; der Vater seinen Sohn. Der Jüngling wird beim Anblick der Werke des Genies in sich das Gebiet der Kunst oder Wissenschaft lebendig werden fühlen, zudem ihn die Natur berufen hat. Gesetzgeber, es ist Zeit, die Unwissenheit in ihrem Amoklauf aufzuhalten, bindet ihr die Hände, rettet das Museum, rettet die Werke, die ein Hauch vernichten kann und die die geizige Natur vielleicht nie wieder hervorbringen wird."
2. Bericht über die Notwendigkeit der Auflösung der Museumskommission. Vorgetragen von (Jacques Louis) David, Abgeordneter des Departements Paris, in der Sitzung vom 27. Nivôse des Jahres II der Französischen Republik (16.1.1794).
Montag, 9. September 2019
Chinesischer Museumsboom
Samstag, 24. August 2019
Kunstmuseen - Zu viele? Grade genug? Oder? (Sokratische Frage 46)
Seit 1990 sind allein in Deutschland 700 Kunstmuseen entstanden
Sind das viel zu viele?
Grade genug?
Zu wenige (kann es nicht genug Kunst geben...?)
Oder ist das gar ein Krisensymptom?
Freitag, 23. August 2019
Soll man...? (Sokratische Frage 45)
Soll man Kunstwerke (oder überhaupt Museumsobjekte) im Interesse ihrer dauerhaften Konservierung dem Publikum entziehen?
Oder ihren Verschleiß durch den"Gebrauch" des Zeigens, Ausstellens, Betrachtens aussetzen?
Mittwoch, 5. Juni 2019
Samstag, 2. März 2019
Woher die Dinge kommen
Alice Procter
Mittwoch, 6. Juni 2018
Mittwoch, 28. März 2018
Samstag, 2. Mai 2015
Disobedient objects, disobidient museums
Im British Museum hat mein Körper, oder wars die Psyche?, schnell gestreikt. Zweiter oder dritter Tag und schon Ausfallserscheinungen beim London-Erkunden. Vermutlich das Stendahl-Syndrom! Zu viel von allem. Das wäre eine Definition für das British Museum. Hunderte Götterbildnisse. Was wollen die alle von mir?
Nicht anders erging es mir im Victoria and Albert-Museum, dessen Sammlung ja noch umfangreicher ist. Allein diese zwei Monument Courts, mit ihrer historistischen Orgie Wir wollen hier alles haben, und wenn es sein muß, dann nehmen wir auch Gipsabgüsse.
Eine Sonderausstellung, die nicht mehr als zwei, drei Säle umfasst, gerne. Das sieht überschaubar aus und ein Rundgang die Gehwerkzeuge nicht überfordernd.
Diese übersichtliche Ausstellung hatte den Titel Disobedient Objects. Worum ging es?
Der Einfachheit halber zitiere ich das V & A selber: From Suffragette teapots to protest robots, this exhibition was the first to examine the powerful role of objects in movements for social change. It demonstrated how political activism drives a wealth of design ingenuity and collective creativity that defy standard definitions of art and design.
Hm. Worum gehts da. Um den Protest, oder ums Design, das der Protest hervorbringt (und dahinter verschwindet)? Es gab interessante, berührende, überraschende, sehr vertraute usw. Dinge und vor allem ein Sammelsurium von Protestformen und -bewegungen. Mitnichten also so etwas wie eine politische Geschichte des Protests. Das gibt schon beim Flanieren in der Ausstellung ein schales Gefühl, erst recht beim Verlassen.
Disobedient. Mein Wörterbuch im Internet hat keine andere Übersetzung als ungehorsam, unfolgsam. Schön schief formuliert und gedacht, ein bissl witzig, regt meine Fantasie zum Blödeln an. (In Richtung dressierte Objekte, disziplinierte, als neue Objekteigenschaft neben Spur und Aura: störend, aufmümpfig...Sind Objekte ungehorsam? Wie die Jakobinermütze in der Ausstellung?
Eine analytische Kategorie ist es ja definitiv nicht. Würde man denn die Demos und Proteste, die da aufgefädelt präsentiert werden, mit dem Ausdruck unfolgsam bedenken?
Was für ein Thema, welche Aktualität. Aber als Revue der Unfolgsamkeit der Dinge ein bissl unterbelichtet, oder?
Der Ausstellungstext, wie es sich gehört auf kargem Material appliziert, liest sich so:
Da stand ich im Eingang und war bass erstaunt. Wie das? Was ist d a s? Später begriff ich dann den Zusammenhang zur Ausstellung, und daß dieses Diptychon im Eingang auch so etwas wie die Werbung war. Aber eben nur auch. Die Botschaften waren schon schwer mit einem braven, vom Staat alimentierten, staatstragenden (?!) Museum zu vereinbaren. (Und das alles auch noch unter einem Deutschen Direktor. Doch d e n Gedanken habe ich schnell verworfen. Nein, Martin Roth, ist in dieser politisch-ideologischen Ecke noch nie aufgefallen).
Das Victoria and Albert Museum als disobedient Museum? Ungehorsam, nicht brav?
Im ganzen übrigen Rest, den ich vom Museum gesehen habe, war es sehr brav. Und hier nicht?
Was kann ein Museum tun, mit welchen Mitteln, aus welchen Motiven heraus, mit welcher Verantwortung dissident zu sein? Und woran könnte man merken, daß es das ist?
Das Überraschende an den beiden Tafeln am Eingang zum Museum ist, daß die dort angesprochenen Them tabu sind in Museen. Aber dieses Tabu zu brechenund eine gewisse Sympathie mit ideologisch rabiateren Positionen - stellvertretend - zuzulassen, läßt keine Rückschlüsse auf das Museum zu. Ästhetisierung und Musealisierung sind kein Lercherl. Wenn man die Distanz gut durchhält, kann man sich nahe an das Tabuisierte heranwagen. Sehr viel mehr aber auch nicht.
Sonntag, 1. Juni 2014
Gefährliche Kunst, ins Museum entsorgt
Die Plastik, die den von einer Beleidigung Zidanes ausgelösten Kopfstoß verewigt, wurde vor dem Centre Pompidou in Paris aufgestellt und dann von der Museumsverwaltung Qatar gekauft und ebenfalls öffentlich aufgestellt. Und nun auf Grund von Protesten wieder entfernt. Gründe werden nicht genannt. Hat man die Botschaft des Künstlers, die er seinem Werk mitgegeben hat, es ginge um die Fehlerhaftigkeit auch heldenhafter Sportler (Männer?), nicht oder mißverstanden.
Die Lösung: die Plastik kommt ins Museum.
Womit wir wider sehen: Museen sind Orte der gefahrlosen Besichtigung - in vielerlei Hinsicht...
Sonntag, 27. April 2014
Musealisierung (Texte im Museum 474)
Sonntag, 16. Februar 2014
Chinas 1000 neue Museen
Yinchuan Yellow River Arts Museum |
Das zentrale Pekinger Nationalmuseum wurde unter Beteiligung deutscher Architekten umgeplant und erweitert. Der Ehrgeiz ist sichtbar, hier in der allerersten Liga der Weltmuseen vertreten zu sein, wenngleich vorerst eher den Dimensionen nach. Die Ausstellungsfläche gilt als größte der Welt.
Das neue und nationale Pekinger Kunstmuseum, als dessen Architekt Jean Nouvel 2012 als Architekt ermittelt wurde, wird sechs Mal so groß sein wie das existierende.
Nationales Kunstmuseum Peking, NAMOC |
Diese Museen gibt es immer noch, aber seit einigen Jahren wandelt sich auch auf diesem kulturellen Gebietet vieles und tiefgreifend.
Shanghai Powerstation of Art |
Der Museumsboom ist ein "verordneter" und er scheint gezielt eine Art von Überkapazität zu schaffen, vor allem im Bereich der Kunstmuseen. Langfristig würden die Museen für eine rasch wachsende, urbane und wohlhabendere Mittelschicht interessant werden und - wofür es in China nur eine sehr dünne Tradition gibt -, als Ort der Bildung anerkannt und genutzt werden.
Parallel zur staatlichen Museumspolitik boomen nun auch private Museen, auch deren Zahl ist sprunghaft angestiegen, und manche von ihnen sind technisch und didaktisch auf dem avanciertesten Stand. Bei den staatlichen Museen hinkt aber die Vermittlung, Gestaltung, Konzeption usw. hinter dem atemlosen Bau- und Gründungsboom hinterher. Auch der Bedarf an qualifiziertzem Personal kann nicht so schnell gedeckt werden.
Red Brick Contemporary Art Museum, Peking |
Datong Art Museum |
Doch warum sollten in China ausschließlich idealistische Ziele dem Museumsboom zugrundeliegen. Auch dort gibt es inzwischen eine "Kulturindustrie" deren symbolische Bedeutung vielleicht sogar weniger wiegt als die materielle: "n 2009 a State Council meeting upgraded culture to the level of a strategic industry. The current five-year plan for 2011-15 spells out government policy in detail. Culture is the “spirit and soul of the nation”, it says, and a powerful force for the country’s development. Over time culture is to become a “pillar industry”, loosely defined as one that makes up at least 5% of the country’s gross domestic product." (The Economis, 21.12.2013).
Sonntag, 5. Januar 2014
Dark tourism in Rumänien
Rumänien, eins der ärmsten und politisch hoffnungslosest erscheinenden Länder Europas, scheint eine neue Form des Tourismus erfunden zu haben und aus seiner Not eine Tugend machen zu wollen. Die rabenschwarzen Seiten seiner Geschichte vernetzt man in einem touristischen Besichtungspfad zu einer Tour der Schrecken, die, in bewährter musealisierende Manier, zur konsumierbaren Gruseligkeit herabgemildert werden. Die traumatischen Erfahrungen einer Nation, von ih selbst kaum aufgearbeitet, sollen zu Touristenattraktionen werden.
Der "Standortvorteil", den speziell Rumänien hat, wird sofort klar, wenn man die Vermarktung gleichsam zeitlich rahmenden Schlüsselpersonen nennt: Vlad Tepec, den (angeblichen) Vampir und Ceaucescu, den Diktator.
Beide, Vlad Tepec, der "Pfähler" und Vorbild für Bram Stokers Dracula und der barbarische Staatschef lassen sich in der Provinzstadt Targoviste, etwa 80 Kilometer von Bukarest entfernt liegend, lokalisieren. Hier stehen die Reste von Tepec Schloss (allerdings ist das nur ein Ort, der mit mehren anderen um Authentizität konkurriert) und die Kaserne, in der dem Ehepaar Ceaucescu der Prozess gemacht und wo sie erschossen wurden.
Eilig und oberflächlich wurden die Räume der Kaserne für Besichtigungen hergerichtet, als "Expozitia 25 Decembrie 1989", in denen Nicola und Elena Ceaucescu ihre letzten Stunden vor ihrer Hinrichtung verbrachten und der Hof, wo die Erschießung stattfand, in einer Provinzkaserne in Targoviste, wo man die Einschusslöcher zu sehen bekommt, die allerdings ein Zeuge der Ereignisse als nachträglich angebracht bezeichnet.
Zur "roten Rundfahrt" gehört Ceaucescus Geburtshaus, sein aberwitziger Regierungspalast in Bukarest, der Sitz der Kommunistischen Partei.
Verbunden können zwischen diesen beiden Personifikationen des schieren Entsetzens die diversen martyrologischen Plätze, die von Verbrechen, Terror, Folter, Mord kontaminiert sind.
"Die Hoffnung der Tourismusministerin, dass der circuitul rosu Besucher aus Westeuropa, den USA und China nach Rumänien lockt, dürfte im Trend zum dark tourism begründet liegen. Fachleute verstehen darunter eine Reiseform, bei der Voyeurismus, Nervenkitzel, Faszination des Schreckens, aber auch die persönliche Auseinandersetzung mit Leiden und Tod eine Rolle spielen. Zu den Zielen zählen Schlachtfelder, Genozid-Museen und Konzentrationslager genauso wie Tschernobyl oder das London Dunkeln." (1)
Für Devisen die schwarze Seite deer Landesgeschichte an die Touristen zu bringen ist das Ziel der rumänischen Tourismusministerin Elena Udrea: "Western tourists are very interested in Ceausescu's history, provided we can sell it properly," Elena Udrea. Trauma wird Sehenswürdigkeit.
(1) Burkhard Strassmann: Der letzte Weg des Karpatengenies, in: DIE ZEIT 14.11.2013 Nr.47 (online)