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Montag, 13. März 2017

Kleine Geschichte des Museums. Teil drei. Je näher man ein Wort ansieht, desto ferner sieht es zurück: Museum

Die selbstbewußte Feststellung 
des Indian Museum in Kalkutta, 
das neuntälteste Museum der 
Welt zu sein, hat uns zu der 
Frage geführt, welches denn das 
erste wäre und in der Folge zu 
einer kleinen Studiensammlung 
von ‚Ersten Museen’. Was 
wiederum schnell gezeigt hat, 
daß das Wort ‚Museum’ höchst unterschiedliche Praktiken des Sammelns, Zeigens und Wissens bezeichnet.

Und das seit der Mitte des 16.Jahrhunderts, also über einen sehr langen Zeitraum hinweg. Und in all der Zeit soll sich die Wortbedeutung nicht verändert haben? Ein einziges Wort soll genügen, um die vielen Phänomene zu bezeichnen - vom humanistischen Wissensraum bis hin zum nationalen Sammlungsmuseum und den dem Entertainment gewidmeten Schaumuseen der Gegenwart? 

Kompliziert wird die Angelegenheit noch dadurch, daß das Wort auch Dinge bezeichnet, die 
kaum oder jedenfalls nicht auf den ersten Blick etwas mit dem zu tun haben, was wir heute 
mit „Museum“ verbinden. Das Wort Museum kann mythologische, religiöse, wissenschaftliche 
oder zum Beispiel auch literarische Bedeutungen an sich ziehen. In der museologischen 
Forschung wird das Problem des Wortgebrauchs meist ignoriert. Da soll Museum drinnen sein, wo Museum drauf steht.

Interessanter als Selbstverständlichkeit oder Denkträgheit sind jene Momente, wo das Wort 
plötzlich problematisch wird. Das ist am Beginn des 19. Jahrhunderts der Fall, also zu dem Zeitpunkt wo sich ein neues Modell kultureller Selbstdarstellung und Selbstvergewisserung entwickelt und durchsetzt. Es ist der historische Moment, wo das Wort jene Bedeutungen 
erhält, die wir mit ihm heute verbinden. (Ich komme darauf in einem weiteren Folge zurück).

Bei der Errichtung einer königlichen Antikensammlung in München am Beginn des 
19.Jahrhunderts verzichtet man auf „Museum“ und entscheidet sich stattdessen für das 
Kunstwort Glyptothek. Während der Errichtung des zeitgleich entstehenden Königlichen 
Museum in Berlin (heute: Altes Museum) fragt man sich während der Entwicklung des 
Konzeptes, ob es denn je in der Antike eine Praxis, eine Institution gegeben hat, die dem 
entspricht, was man grade dabei ist zu verwirklichen. 

Die Gruppe von Gelehrten, die unter der Leitung von Wilhelm von Humboldt an den 
Grundlagen der neuen Institution arbeitet, kann sich nicht einigen. Es kommt zu einem 
kurzen gelehrten Disput, in die schließlich die Akademie der Wissenschaft eingeschaltet wird. 
Und das Resultat der Debatte ist: nein, so etwas wie ein allgemein zugängliches Haus, das 
dazu da ist, daß überlieferte, historische Kunst zum Zweck der Bildung auf Dauer bewahrt und für jedermann zugänglich ausgestellt würde, so etwas kannten ‚die Alten’ nicht.

Museum würde "im ganzen Alterthume" nur Orte der Wissenschaft bezeichnen, solche zur "Aufbewahrung von archäologischen oder Kunstgegenständen" niemals, heißt es in einer entscheidenden Passage des Gutachtens. Aus diesem Grund hatte man ja in München das 
Wort Museum schließlich vermieden.

Hier aber entscheidet man sich - gegen gute, valide Argumente -, dennoch für ‚Museum’, 
um in der (lateinschen) Stifterinschrift an der Fassade des Baues den Zweck des Ganzen zu bezeichnen. Und zwar indem man sich auf eine sogenannte ‚ältere’ Bedeutung des 
griechischen Wortes beruft. Freilich ohne diese ‚ältere’ Bedeutung zu erläutern.

Mit der Benennung des Museums der Revolutionszeit im königlichen Schloß, dem Louvre, als ‚Museum Française’ (und nicht als Musée, und das macht einen Unterschied – davon 
vielleicht ein andermal), war der latinisierten Übertragung des griechischen ‚museion’ zur Bezeichnung staatlicher Sammlungen und nationaler Museen bereits der Weg geebnet. 

Aber in Berlin geht man noch einmal bis zur Etymologie des Wortes zurück und zu seiner griechisch-antiken Bedeutung. Ich denke, daß die Entscheidung, die man in Berlin traf, wichtig für die ab nun usuelle Bezeichnung war, für die Durchsetzung des Wortes Museum für eine eigentümliche moderne institution. Und zwar nicht allein aber auch, weil es sich um den ersten Museumsbau (Architekt: Karl Friedrich Schinkel) handelte (in einer bedeutenden Stadt und für eine bedeutende Sammlung), der den Funktionen des Museums architektonisch Ausdruck gab: praktisch, symbolisch und performativ.

Aber was verstand man in Berlin wohl unter der ‚älteren Bedeutung’ des Wortes Museum? 
Warum fiel die Wahl eines eingestandenermaßen ‚unpassenden’ Wortes? Und warum 
übersetzte man dieses Wort - entgegen der Wortbedeutung - so ins Deutsche: Ruheort 
(nämlich der Kunst)?

Die Rotunde des Alten Museums mit den Götter- und Heroenstatuen
FRIDERICVS GVILELMMVS III STVDIO ANTIQVITATIS OMNI­GENAE ET ARTIVUM LIBERALIVM MVSEVM CONSTITVIT MDCCCXXVIII In der zeitgenössischen Übersetzung: Friedrich Wilhelm III hat dem Studium jeder Art Alterthümer und der freien Künste diesen Ruheort gestiftet 1828. 

„Ruheort“ deckt sich nicht nur mit der antiken Bedeutung von „museion“ als Versammlungsort und Tanzplatz der Musen nicht, er ist auch museologisch wie geschichtsphilosophisch heikel. 

Denn wieso kommt im Museum die Kunst „zur Ruhe“? Weil sie ihren Sitz im Leben verliert und ihre Entwicklung zum Stillstand kommt? Weil sie allein noch als Gegenstand der Anschauung als dauerhaft gültiger kultureller Wert behandelt wird? Als ein Triumph der Musealisierung über ihr lebendiges Wirken in der gesellschaftlichen Gegenwart und Zukunft? 

Mittwoch, 8. März 2017

Kleine Geschichte des Museums. Teil zwei: Wenn es ein neuntältestes Museum gibt, muß es auch ein ältestes geben.



Wenn es ein neuntältestes Museum der Welt gibt (vgl. den ersten Teil der "kleinen Museumsgeschichte), dann muß es auch ein ältestes geben.

1759 wird dort angegeben, das Jahr der Gründung ist aber 1753, das Jahr, in dem der Parlamentsbeschluß zur Übernahme der Sammlung Hans Sloane und die Gründung des British Museum beschlossen wurde.

Verwirrenderweise gibt es aber viele „älteste Museen“. Ich besitze eine kleine Sammlung von
ihnen, das heißt von Museen, die in der museologischen Literatur oder in Lexika als „erste“
genannt werden.
Um es gleich vorwegzunehmen: in keinem Fall hat sich der Autor die Mühe gemacht, seine 
Kriterien zu nennen. Es wird forsch drauflos behauptet: „A Côme, le premier musée d’histoire… “ schreibt wie mit Rufzeichen Roland Schaer 1993 in seiner kleinen Museumsgeschichte, oder Donald Preziosi, ebenfalls 2003, „…the original Ashmolean, the 
first public museum in Europe…“. 

Wenn man "erste Museen" sammelt, hat man bald eine sehr bunte Mischung zusammen und Nennungen, die einen enormen Zeitraum abdecken..

Bei den beiden genannten "Museen" wären wir einmal im 16. und einmal im 18. Jahrhundert. 
Das Britische Museum meldet sich sozusagen selbst zu Wort: The British Museum has the distinction of  being the first national, public and secular museum in the world. Sagt Marjorie 
Caygill in The Story of the British Museum. (London 1981). 1753 ist das Gründungsdatum. 
Immerhin ein Beschluß des Parlaments, eine Privatsammlung unter staatliche Obhut zu 
nehmen. Rein rechtlich ist das neu, bislang haben das nur Kommunen getan, z.B. Basel 
oder Venedig. Noch nie ein Staat.

Wir sind bei Museen angelangt, die sich selbst zum ‚Sieger’ ausrufen, damit erweitert sich 
das Spektrum  "erster Museen" schlagartig. Da findet man dann ein sehr bescheidenes 
fürstliches Naturalienkabinett in Braunschweig neben den Kapitolinischen Museen in Rom, 
die sich auf eine päpstliche Denkmalstiftung berufen: „...decretando l’istituzione del più antico museo pubblico del mondo: la Lupa, posta sulla facciata del Palazzo die Conservatori, diventa il 
simbolo della città...“. (Musei capitolini. Roma 2000). 

Da sind wir dann sogar schon im 15. Jahrhundert. Geht es noch früher. Ja, klar. Man kann mesopotamische Fundstücke als Privatsammlung einer Prinzessin interpretieren und kleine beschriftete Objekte als "Labels" und schon hat man ein "Museum", hunderte Jahre vor 
unserer Zeitrechnung...

Als meistgenanntes ‚erstes’ ‚Museum’ könnte das Alexandrinische Museion gelten. Der 
Brockhaus von 1815: „Museum, eine Sammlung seltener und interessanter Gegenstände 
aus dem ganzen Umkreise der Naturgeschichte und Künste, und in Zimmern und Gebäuden 
zur Ansicht der Kenner und Liebhaber entweder auf Kosten einer Privatperson oder einer 
Regierung aufgestellt. Zuerst wurde diese Benennung, die eine Musengrotte, oder einen Musentempel bezeichnet, dem Theile des königlichen Palastes in Alexandrien gegeben, 
welchen Ptolemäus Philadelphus für die Gelehrten und die Bibliothek bestimmte.“

Doch was gab es dort, das man mit Recht ein "Museum" nennen könnte. Man weiß nicht 
sehr viel über diese Bibliothek, die im 3.Jh. v.Chr. gegründet wurde, jedenfalls nichts, was 
auf eine Sammlung oder Ausstellung und allgemeine Nutzung schließen ließe.

Bleiben wir gleich einmal bei dem letzten Beispiel. Der Brockhaus legt uns nahe, daß wir die Beschreibung – eine Sammlung seltener und interessanter Gegenstände usw. – mit dem Wort Museum gleichsetzen, das in Alexandria erstmals („zuerst’...) angewendet worden 
sei. Das sehr wenige, was man nämlich über das museion von Alexandria weiß, ist, daß es 
eine Priester-Gelehrtengemeinschaft unter dem Protektorat eines Fürsten war, eine große 
und legendäre – sowie vermutlich durch Brandstiftung untergangegangene – Bibliothek.


Museion bedeutet seit der Gründung der Platonischen Akademie (Abbildung) einen 
Wissensort, genauer gesagt den kultischen Mittelpunkt, der Akademie als Ort, an dem alle 
Künste und Wissenschaften vereint sind. In dieser Tradition des Wortgebrauchs steht auch 
noch das museion in Alexandria.

Und die kapitolinische Museen? Die Stiftung einiger bedeutender historischer Objekte durch 
den Papst 1471 an die Stadt Rom ist nicht mal eine Sammlung, sondern ein Ensemble von Objekten, die aus politischer Raison der Stadt zum Zweck denkmalhafter Aufstellung (im 
Freien) geschenkt werden, darunter die berühmte Wölfin mit Romulus und Remus. Dennoch 
gab das Gründungsdatum den Kapitolinischen Museen den Anlass, 1971 eine einmalige fünfhundertjährige Institutionengeschichte zu feiern. Die begann aber erst sehr viel später, 
um 1800, wenngleich inzwischen die Sammlung am Kapitol erheblich vermehrt worden war 
und an Bedeutung gewonnen hatte.

Die Villa des Gelehrten und Bischofs Paolo Giovio am Comer See enthielt einen Raum, der gelehrten Studien gewidmet war, dessen Ausstattung auf die antiken Musen - die ja solche 
Studien "beschirmten" -,anspielte und eine Galerie von Porträts ‚bedeutender Männer’. 
Interessant ist dieser Ort als ein frühes Beispiel für die Belebung des antiken Musenmythos, 
der im Mittelalter fast untergegangen war. 

Aber museion bedeutet hier, Mitte des 16.Jahrhunderts, wie in Alexandria, ehr noch den 
Wissensort und nicht so sehr den Ort der Sammlung, geschweige denn der öffentlichen Ausstellung. Sammeln ist eher ein Sich-Sammeln, nämlich die Versammlung der porträtierten großen Männer um den gelehrten Besitzer der Villa am Comersee.


Mit dem British Museum scheint es eindeutig zu sein. Staatliche Trägerschaft, also auch 
staatliche Obsorge für eine Sammlung ohne definierten Zeithorizont der Bewahrung und 
öffentliche Zugänglichkeit – das ist doch ‚unser’ Museum. Bei genauerem Hinsehen, erweist 
sich aber der ‚nationale’ Charakter der Gründung als unter Museologen und Historikern 
umstritten und die tatsächliche Einrichtung des Museums in einer kleinen, von Gärten 
umgebenen Vorstadtvilla, muß viele Jahrzehnte eher einer jener überlebten 
‚Raritätenkammern’ geglichen haben, wie es sie damals noch viele gab. (Abbildung: Das Treppenhaus mit den ausgestopften Giraffen) Über die 
Unzulänglichkeit der Aufstellung gibt es aufschlussreiche zeitgenössische Quellen. Die 
Kritik betraf aber vor allem die extrem restriktiv gehandhabte Zugänglichkeit. Lange im 
Voraus notwendige Anmeldungen, Zulassung nur kleiner Gruppen und miserable
Betreuung beim Besuch begleiten durch Jahrzehnte das in Montague House untergebrachte Museum. Man darf das British Museum jener Jahre nicht mit dem verwechseln, was es ab 
den 1830er-Jahren war, wo seine Sammlung, auch gespeist aus kolonialer Politik (Elgin 
Marbles) enorm an Zahl und Bedeutung wuchs und das große repräsentative antikisierende Gebäude errichtet wurde..

Die Beispiele genügen, um ein Dilemma sichtbar zu machen. Es gibt vor allem zwei Schwierigkeiten. Das Wort Museum bezeichnet sehr unterschiedliche, untereinander kaum vergleichbare kulturelle Praktiken. Wobei ich hier gar nicht auf Wortbedeutungen 
eingegangen bin, die kaum oder überhaupt nicht mehr mit ‚Sammlung’ oder ‚Ausstellung’ oder ‚Haus’ in Verbindung zu bringen sind.

Die zweite Schwierigkeit liegt in einem methodischen Zirkel. Für eine historische 
Untersuchung bräuchte man einen Begriff, der aber wiederum nur aus einer Geschichte von Praktiken und Riten, von Zuschreibungen und Institutionalisierungen gewonnen werden 
könnte, denen man aber schon eine museale Funktion zuschreiben müsste.

Im Grunde sind wir so gescheit, wie nach den vom neuntälteesten Museum provozierten Überlegungen. 
Aber auch doch etwas weiter, weil das Problem besser, die Aufgabe es zu lösen als 
komplexer und anspruchsvoller sichtbar geworden sind. Und weil einige Schlüsselbegriffe in 
den wenigen zitierten Beispielen aufgetaucht sind: Sammlung, national, Gegenstände, 
öffentlich...

Und noch etwas könnte hilfreich sein an den bisherigen Überlegungen: man sollte immer 
daraus achten, welchen Begriff von Museum jemand hat - so selbstverständlich er erscheint, 
er wird jeweils anders gefüllt sein, abhängig von dem, was der Sprecher an Geschichte und Funktionen bei "Museum" im Kopf hat. Kurz gesagt, das Wort "Museum" ist nicht 
selbstverständlich. Je näher man es ansieht, desto ferner sieht es zurück.

Dienstag, 7. März 2017

Kleine Geschichte des Museums. Teil eins: Das neuntälteste Museum der Welt

Beim zerstreutem Recherchieren über irgendetwas, was ich längst vergessen habe, bin ich, wie das halt beim Googeln so passieren kann, auf einen überraschenden Eintrag auf der Webseite eines Museums in Indien gestoßen: „The ninth oldest regular museum of the world, INDIAN MUSEUM, Kolkata, INDIA is the oldest institution of its kind in Asia Pacific region and repository of the largest museum objects in India.“

Neuntältestes Museum? Bemerkenswert! Wer will in Zeiten, wo selbst der zweite oder dritte Platz, wo auch immer - im Bobfahren, in Deutschland sucht den Superstar, bei den Städten mit der höchsten Lebensqualität, bei den ältesten Menschen der Welt - kaum noch zählt, schon Neunter und auch noch sichtlich stolz drauf sein?
Verblüfft hat mich dann aber zweitens die Sicherheit, mit der da ein ganz bestimmter Platz im „Ranking“ behauptet wurde, und zwar in einer Liste der "regulär museums".
Wenn man exakt ein „neuntältestes“ Museum ist, muss man über die geschichtliche Entwicklung des Museums weltweit ebenso sicher Bescheid wissen, wie über die Entwicklung des Sammlungswesens, die Chronologie Errichtung von Museumsbauten oder die Einrichtung von Trägerschaften.
Und wenn man von einem "regular museum" spricht, muss man über sehr haltbare Kriterien verfügen, das Museum (als Idee, als Modell, als Institution), von anderen Institutionen und kulturellen Praktiken unterscheiden zu können.

Vor allem aber man muss wissen was ein Museum überhaupt ist, man muss sich einen Begriff vom Museum gemacht haben. Anders gesagt: man muß sich sicher sein, daß es einen eindeutig definierbaren und verbindlichen Museumsbegriff überhaupt gibt und daher auch einen ebenso eindeutig feststellbaren ‚Ursprung’, das heißt ein Museum, das unzweifelhaft als ein erstes identifizierbar ist.

Wenn wir alle mal kurz in unseren Köpfen kramen, werden wir rasch auf ein Durcheinander von Assoziationen und Erinnerungen stoßen, aber kaum auf ein derartiges museografisches Geburtsdatum. In Lexika und in einschlägigen Publikationen werden wir Angaben finden, die über viele Jahrhunderte hinweg verstreut sind. Da kommt dann das hellenistische Alexandrinische Museum ebenso vor - die berühmte "Bibliothek", über die man kaum etwas weiß, geschweige denn über ihre "musealen" Funktionen -, wie eine privates Museum am Comer-See aus der Mitte des 16., oder das Kapitolinische Museum in Rom, das sich auf eine Bild-Stiftung des 15. Jahrhunderts beruft wenn es sich zum ältesten Musuem der Welt erklärt, was auch das British Museum macht (und manch andere mehr), dessen Gründung 1753 sehr oft als "Ursprungsdatum" des Musuems genannt wird.

Das British Museum ist denn auch die Nummer eins auf der Bestenliste aus Kalkutta, denn freundlicherweise ist der Textinformation auch eine Grafik beigegeben, zwar nur etwas größer als eine Briefmarke, die aber immerhin schon als Weltkarte eine Infografik der frühen musuemsgründungen sein will. (1)


Die Podestplätze haben diesem Weltatlas im Bonsaiformat nach: Die kaiserliche Gemäldegalerie im Belvedere in Wien und das Charleston Museum in Philadelphia.
Jetzt könnte ich beckmesserisch sein, und an der Liste rummäkeln. Da ist z.B. das Gründungsdatum des Gewinners falsch. Fehler der Zeitmessung sozusagen, aber macht nichts, es kommen sogar noch sechs Jahre dazu, denn korrekt ist für das British Museum 1753. Der erste Platz ist also nicht gefährdet.
Aber darum geht es gar nicht. Die Frage ist, warum wurden diese Museen ausgewählt, warum wurde nichts in Erwägung gezogen, was früher und sonst noch an Institutionen existierte, warum nicht Oxfords Ashmolean Museum oder die Museen, die die Habsburger in Florenz gegründet haben. Warum nicht noch ältere Sammlungen, etwa die bedeutenden Natursammlungen Italiens? Warum keine fürstlichen?

Kurz gesagt, es wäre interessant, was man in Kolkat/Kalkutta unter „Museum“ versteht. (man macht es uns gar nicht leicht. Denn da steht ja noch dazu "regular museum". Gäbe es demnach auch eines, das "irregular" ist??).
Aber darauf gibt die Webseite leider keine Antwort. Das Indian Museum (2) weiß es, sagts aber nicht.
Immerhin haben wir ein paar Fragen gewonnen: Gibt es überhaupt so etwas wie ein "erstes" Museum? Was sind die Bedingungen, um von "dem" Museum sprechen zu können? Und dann die Frage, wo begannt das mit dem, was wir heute Museum nennen?

In einer Hinsicht ist das Selbstbewußtsein des Indian Museum, das heute eins der größten und namhaftesten des Landes ist, informativ: es relativiert den eurozentrischen Blick. Sicher, wie wir noch sehen werden, ist das Musuem eine europäische Erfindung. Aber dieses "Modell" verbreitete sich rasch in aller Welt. Wobei es oft Europäer und von Europäern gegründete Institutionen waren, wie auch hier in Kalkutta, wo das eine rein britische Angelegenheit war, mit einer "Asiatick Society" und einem Museum "Orientalische Studien" - vermutlich in kolinialer Absicht -, betreiben zu können.


(1) Inzwischen existiert der Teil der Webseite des Indian Museum nicht mehr, der diese Liste, die "Landkarte" und auch die Abbildung des Gebäudes der "Asiatick Society", die das Museum gründete, nicht mehr.

(2) Das Gründungsdatum des Indian Museum ist übrigens der 2. Februar 1814. Soviel zur Korrektur eines eventuell eurozentrisch verengten Blicks. Sicher, es gibt viele Gründe das Museum als ‚europäisches Modell’ zu verstehen, aber es wurde  so gut wie ‚sofort’ zum ‚Exportschlager’.

Samstag, 25. Februar 2017

Wir Wegbereiter Pioniere der Nachkriegsmoderne. Eine Ausstellung im MUMOK

Ist das nur Zufall, oder entdecken Museen nun ihre Geschichte? Das Grazer Kunsthaus wird sich mit dem Bau beschäftigen und dasselbe tut gerade das MUMOK mit dem Pavillon, den Karl Schwanzer für die Brüsseler Weltausstellung entworfen hat und der dann zum Museum des XX.Jahrhunderts wurde. Das ist aber nur eine Episode in der Ausstellung "Wir Wegbereiter. Pioniere der Nachkriegsmoderne".
Sie ist zweigeteilt und gilt dem kommunistischen Kulturstadtrat Viktor Matejka, dessen Archiv das Museum besitzt und Werner Hofmann, dem Gründungsdirektor des Museums des XX.Jahrhunderts.

Das sind nun zwei ganz schön unterschiedliche Persönlichkeiten. Matejkas Leistung wird in der unorthodoxe direkten und persönlichen Förderung von Künstlern in den Jahren nach 1945 gesehen, vielleicht mehr Sozialpolitik als - programmatische - Kunst- und Kulturpolitik. Sein Wirken wird mit Teilen seines Archivs gezeigt und kontextualisierenden Werken "seiner" Zeit. Zwei Info-Grafiken veranschaulichen, wie persönlich und insofern auch willkürlich sich heute das Interesse und die Förderungspolitik Matejkas darstellt.

Noch immer eindrucksvoll finde ich die konzeptuellen Überlegungen, die Werner Hofmann ausarbeitete um in einer mehrfach schwierigen Situation ein Museum neuen Typs sofort erfolgreich zu positionieren. Er musste erst mal Sammlungs- und Überzeugungsarbeit leisten, um in einem ziemlich konservativem Klima und in Auseinandersetzung mit ebenso konservativen Politkern eines der frühen europäischen Museen moderner Kunst zu entwickeln.

Die frühen Ankäufe werden in einer Depotsituation gezeigt, die Gemälde dicht an dicht an Gestelle gehängt, die Skulpturen in hellen Kuben aufgereiht - die überraschendere und qualitativ beeindruckendere Sammlung. Dazu gibt es Modelle und Objekte, die eine der Maximen Hofmanns anschaulich machen: möglichst viele Medien in den Kunstbegriff und daher von Anfang an die Sammlung zu integrieren.

Wegbereitende Männer... - Ob das Museum - notgedrungen - bei der paternalistischen Museums- und Kunstpolitik bleibt oder ob sich auch Pionierinnen mal entdecken lassen?

Und nebenbei und unabsichtlich illustriert die Schau den kuriosen Zustand der staatlichen Museumspolitik (der gerade durch die "Erwerbung" der Sammlung Essl durch die Albertina noch etwas kurioser geworden ist): natürlich gehört Hofmann und das Museum des XX.Jahrhunderts zur Geschichte des MUMOK. Aber das entstand ja in einer Art (räumlichen) Aufspaltung in das Zwanzgerhaus einerseits und das Museum Moderner Kunst/Sammlung Ludwig im Palais Liechtenstein andrerseits.
Aber Inzwischen ist das Museum des XX.Jahrhunderts zu einem des XXI. geworden und wurde der Österreichischen Galerie im Belvedere angegliedert, so daß die Erinnerungsarbeit - inklusive der Modelle des Baues von Karls Schwanzer - einer Institution gilt, die nicht (mehr) zum MUMOK gehört.

Samstag, 1. Oktober 2016

Zeitreise

O



Ist das Digitale das letzte Refugium, wo Museen noch innovativ sind? Jedenfalls tut sich dauernd etwas. Das Frankfurter Staedel-Museum hat die Entwicklung seiner Gemälde-Hängungen rekonstruiert. Informativ für Museumshistoriker, aber auch mehr als nur ein Spielzeug für BesucherInnen?


Virtuell rekonstruiert: Blick ins erste Städel Museum im Palais an der Neuen Mainzer Straße von 1833. Am Ende der Raumflucht ist eine Büste des Stifters.

Donnerstag, 18. Februar 2016

Der Sammler

Guimet in his Museum (1898). Ferdinand Jean Luigini (French, 1870-1943). Émile Étienne Guimet (1836-1918) was a French industrialist, traveler and connoisseur who founded the Musée Guimet. He studied the religions of the Far East, and the museum contains many of the fruits of this expedition, including a fine collection of Japanese and Chinese porcelain and many objects relating not merely to the religions of the East but also to those of Ancient Egypt, Greece and Rome.


Samstag, 31. Oktober 2015

Das Kunstmuseum von Ein Harod


Eine der erstaunlichsten "Entdeckungen " meiner (bisher einzigen) Israel-Reise war das Kunstmuseum des Kibbuz Ein Harod. Inmitten eines landwirtschaftlichen Großbetriebes mit seinen schon recht verbrauchten Gebäuden, abgenutzten Maschinenpark, karger Landschaft einen eleganten ingeniös gegliederten und belichteten Bau zu finden,das hatte ich ganz und gar nicht erwartet.
Eine resolute Kuratorin führte uns durch die Dauerausstellung, zeigte uns witzige und sehr ansprechende feministische Kunst, die man unter die ehrwürdigen historischen Objekte "geschmuggelt" hatte, und in einem anderen Teil des Museums gab es Spielzeug zu sehen, das die Bewohner des Kibbuz einst mit eigenen Händen für ihre Kinder gebastelt hatten.
Die Architektur lud zum Flanieren und entdecken ein, kein Raum wiederholte sich, es gab überraschend gestaltete Übergänge, Rampen, Treppen, Symmetrien, ohne eine einzige Wiederholung, einen Blick nach Draußen, in einen Binnenhof und ein wunderbares kleines Cafe - mit Lesecke und schlichter, einladender Möblierung auf dem untersten Niveau, das sich in ganzer Breite auf eine durch das natürliche ansteigende Gelände begrenzte und geschützte Terrasse öffnete.

Foto GF 2012

Foto GF 2012
Foto GF 2012

Jeder Raum hatte angenehme Proportionen, also keinerlei monumentale Attitude sieht man von einem links und rechts mit Säulen ausgestatteten Raum ab, den man nach Passieren von Kassa und Garderobe unmittelbar vom Eingang her betrat. Das Angenehme der Architektur kam aber nicht allein von der Proportion der Räume, der vertikalen und horizontalen Verschachtelung, sondern auch von ihrer Belichtung. Das Museum nimmt für sich in Anspruch dabei eine Pionierrolle zu spielen. Wie auch immer, durch abgehängte Decken, hinter Wandteilen verborgene Öffnungen kommt natürliches Licht ausreichend, aber nie direkt in die Räume. Ideal für das Ausstellen von Kunst, sehr angenehm für das Wohlgefühl des Besuchers.

In die Dauerausstellung "eingeschmuggelt" - eine von zahllosen Küssen bedeckte Thorarolle (Foto GF 2012)





Ein (Braut)Kleid, das die Künstlerin Andi Arnovitz aus hunderten Fetzchen zerrissener (fotokopierter) Ehekontrakte genäht hat. Das Kleid ist den "chained women", "agunot", gewidmet, die sich den israelischen Ehegesetzen entsprechnend, ohne Einwilligung des Ehemannes nicht scheiden lassen können.Foto GF 2012
Das Erstaunen über das Museum wird nicht kleiner, wenn man sich seine Gründungsgeschichte vergegenwärtigt. Das Kunstmuseum Ein Harod, “Mishkan Le'omanut", wurde etwa 10 Jahre nach der Gründung des Kibbuz Ein Harod im Jahre 1921 in den 30er-Jahren gegründet, in einem aus Holz erbauten Haus. Ein Harod (hebräisch עין חרוד), auf deutsch „Quelle Harod“, war eine der ersten großen Kibbuz-Gründungen. Der Ort, dessen Name aus biblischer Zeit stammt, liegt am Fuß des Berges Gilboa, nahe der Harod-Quelle, im Norden Israels. Ein Harod wurde am 22. September 1921 von jungen, aus Russland stammenden Arbeiterinnen und Arbeitern. Kurz vor der Staatsgründung Israels hatte das Kibbuz über 1100 Bewohner. 1953 kam es wegen ideologischer Differenzen zur Aufspaltung in die benachbarten Siedlungen En Harod Ihud und En Harod Meuchad.



1948 wurde das heutige, aus Stein errichtete Museum nach Plänen von Samuel Bickels eröffnet. Damit ist es der erste Museumsbau im Staat Israel. Es besitzt heute 16.000 Kunstwerke, macht laufend Ausstellungen, publiziert eifrig und last but not least bewahrt es, wie ich grade entdeckt habe, den Nachlass aus einem überaus merkwürdigem Projekt, dem Meir Agassi Museum, das nach seinem Gründer benannt ist, der, in Israel geboren, dieses eigentümliche und interessante "Museum" in Bristol, wo er an die zwanzig Jahre wohnte, in seinem Wohnhaus installiert hatte.

Zwei Fotos aus den 40er-Jahren, die das erste, hölzerne Museumsgebäude zeigen

Kinderspielzeug aus dem Kibbuz, Ausstellung 2012 (Foto: GF)

Kinder des Kibbuz im Museum, um 1950





Dienstag, 23. Dezember 2014

Ausstellungstipp in letzter Minute: Weltkulturenmuseum Frankfurt mit "Ware & Wissen"

Sehr angetan haben es mir die Texte in der Ausstellung. Es sind, vor allem im ersten Raum, sehr viele und von Künstlern, Schriftstellern, Wiisenschaftern und der Leiterin des Museums verfasst. Alleine diese Collage aus Texten ist dermaßen reich an Informationen und Fragen, an Reflexion und Nachdenklichkeit, daß ich gerne einen halben Tag dort verbracht hätte, mit dem Katalog durchs Haus flanierend, mit Notizbuch im Foyer sitzend, vielleicht auch im Gespräch mit MitarbeiterInnen. Unglücklicherweise kollidierten meine Reiseplanung mit der Schließzeit des Museums, daß es dann nur zwei, drei Stunden sein konnten.

 Nur noch bis zur ersten Jännerwoche (4.1.) ist im Frankfurter Museum der Weltkulturen die Ausstellung "Ware & Wissen (or the stories you wouldn't you tell a stranger) zu sehen. Die Ausstellung ist der vorläufige Schlußpunkt einer etwa ein Jahr dauernden Recherche zur Geschichte des Hauses und eine vielfältige Selbstbefragung der historischen Sammlungen und der gegenwärtigen Aufgabe des Museums. Unter den ethnologischen Museen, die ich kenne, nimmt das Frankfurter Museum unter Clementine Delisse eine Avantgardeposition ein. Die Selbsterforschung fiel radikal aus und die Debatten, die der Ausstellung vorangingen (und vorbildlich im Katalog eingearbeitet sind) und die Ausstellung sind vielstimmig, facettenreich und originell. Wers gar nicht schafft nach Frankfurt sollte sich unbedingt den tollen Katalog beschaffen. Hier werden Wege angebahnt, wie man mit dem fragwürdigen und problembeladenen Museumstyp 'Völkerkundemuseum' - vielleicht - weitermachen und vor allem weiterkommen kann.

Sonntag, 9. November 2014

Das Museum brennt

Ed Ruscha: Das Los Angeles County Museum on Fire. 1965–68, Oil on canvas. 53 1/2 x 133 1/2 in. Hirshhorn Museum and Sculpture Garden, Smithsonian Institution, Washington, D.C., Gift of Joseph H. Hirshhorn


The Los Angeles County Museum on Fire, 1965–68, Ed Ruscha. Oil on canvas. 53 1/2 x 133 1/2 in. Hirshhorn Museum and Sculpture Garden, Smithsonian Institution, Washington, D.C., Gift of Joseph H. Hirshhorn, 1972. - See more at: http://blogs.getty.edu/pacificstandardtime/explore-the-era/worksofart/the-los-angeles-county-museum-on-fire/#sthash.fU8xEjkd.dpuf
The Los Angeles County Museum on Fire, 1965–68, Ed Ruscha. Oil on canvas. 53 1/2 x 133 1/2 in. Hirshhorn Museum and Sculpture Garden, Smithsonian Institution, Washington, D.C., Gift of Joseph H. Hirshhorn, 1972. - See more at: http://blogs.getty.edu/pacificstandardtime/explore-the-era/worksofart/the-los-angeles-county-museum-on-fire/#sthash.fU8xEjkd.dpuf
Das Museum brennt. Wenn man das Bild (oder das Museum) schon mal gesehen hat, kann man sich erinnern, daß es das Los Angeles County Museum ist. Aber vielleicht kommt es darauf gar nicht so an.
Ruscha hat ja kein Katastrophen- oder Historienbild gemalt. Weder wurde das Museum Opfer eines Missgeschicks oder Unfalls, noch hat jemand es in Brand gesetzt.
Er, der Künstler, legt Feuer ans Museum.
Und er ist nicht der erste, der die Idee hatte, aber vielleicht der erste, der sie umsetzte, wenngleich nur ästhetisch. Verbale Angriffe auf das Museum, aggressive Äußerungen bis hin zum Wunsch es anzuzünden gibt es nachweislich seit der Mitte des 19. Jahrhunderts. 1871 wäre aus den Phantasien fast Realität geworden. Eine Brandlegung im Louvre während der Commune wurde verhindert, aber das anschließende Tuilerienschloß brannte tatsächlich ab, so gründlich, daß es abgebrochen werden musste.
Vermutlich galt der Anschalg auf den Louvre gar nicht in erster Linie dem Museum sondern seiner historischen Bedeutung als Herrschaftssitz und seiner Aktualisierung als Residenz des Kaisers.

Warum die Aggression gen das Museum als Institution? Für nicht wenige Künstler waren (und sind) Museen Totenhäuser einer verstaubten Tradition, und was Sammlungen jahrhundertelang für sie waren, Ausbildungs- und Inspirationsstätten, waren sie kaum noch, stattdessen wurden sie verantwortlich gemacht für das Verschwinden der Kunst aus der Lebenspraxis. Nicht nur im Museum wurde sie museal. Und außerdem bildete der Kanon der großen, der bewunderten Kunst eine Last, die schwer abzuschütteln war.

In einer Äußerung zu seinem Bild spricht denn auch Ruscha von der Autorität des Museums als etwas Negativem. Seine Autorität zurückzuweisen, läuft auf eine Zurückweisung der herrschenden Kultur hinaus. Diesen Generalverdacht hegten Künstler immer wieder und forderten seine Abschaffung und Zerstörung, wie die italienischen Futuristen, oder machten es lächerlich wie Chris Burden, der die Frage nach dem Sinn des Museums beantwortete: Should the rain keep off.

Das Los Angeles County Museum ist eines der größten Museen der USA, ein komplexes Museum mit großen Sammlungen vieler, nicht nur der europäischen Kulturen. Schon 1910 ist es entstanden, als Naturmuseum. Auf dem Bild ist der Bau zu sehen, der in den 60er-Jahren entstand, inzwischen ist das Museum wesentlich größer geworden und bildet fast so etwas wie einen Stadtteil. Die Gebäude von damals sind genau wiedergegeben, aus einer Aufsicht, die Ruscha möglicherweise nach einer Fotografie malte (eine zeitgenössische Ansichtsakarte gibt ziemlich genau diesen Blickwinkel und -ausschnitt wieder).
Aber authentisch ist die Ansicht nicht. Nicht nur daß die Gebäude in einer Vereinfachung gemalt sind, die sie wie Modelle ihrer selbst erscheinen läßt, schon damals lagen sie in einem Park und in einem zwar lockeren aber den Gebäuden naherückenden urbanen Umfeld. Nichts davon sieht man hier. Keine Stadt, kein Los Angeles, selbst das was Ruscha uns im Gespräch als sorgfältig getrimmten Rasen versuchsweise wahrzunehmen anbietet, ist ein diffuser in einem unbestimmten Nirgendwo übergehender Farbraum. Das Museum erscheint ganz isoliert, ohne Verortung. Welche Tageszeit ist es? Welche Jahreszeit ist es? Auch das ist unbestimmt. Und etwas fehlt gänzlich: Menschen. Passanten, Besucher. So als ob das Museum schon preisgegeben worden wäre und nun auch noch abbrennt.

Zeitlosigkeit ist etwas, was wir mit Museen assoziieren, aber positiv, wenn auch ambivalent. Das Museum entzieht die Objekte der Zeit, d.h. in materieller Hinsicht ihrem Verbrauch, Verschleiß oder Verfall. Und: das Museum sammelt in einen offenen, unbestimmten Zeithorizont hinein.
Ist das hier gemeint? Ich denke eher nicht. Die Ort- und Zeitlosigkeit hier, im Bild, ist etwas unheimlich, beklemmend. Das Museumsbild vermittel etwas Totes in einem umfassenden Sinn. Ist es also eine Art Allegorie auf das Museum als Mausoleum?

Ed Ruscha hat in einem Interview, in dem er einige Sätze zum Bild fallen läßt, etwas gesagt, was mich auf die Idee gebracht hat, eine zum Befund des Musealen, also Abgestorbenen konträre Lesart zu versuchen. Es raucht heftig aus dem Dach oder Innehof des einen Gebäudes und die Flammen scheinen so mächtig, als wäre Rettung nicht mehr denkbar. Aber seltsamerweise ist das Gebäude noch vollkommen intakt, nicht ruinös, wie es ein anderer, verbreiteter Topos der Museumsadarstellung (von Hubert Robert bis Komar und Melamid) zeigt. Vieleicht gehts nicht (nur) um die Darstellung eines Brandes, sondern eines Feuers. Es ist das einzig Lebendige im Bild, das einzige, was Zeitlichkeit vermittelt. Es wird sich ausbreiten oder ermatten, es wird das Gebäude beschädigen oder vollkommen vernichten...

Ich weiß, es ist weit hergeholt, aber diese eigentümliche Leere und Abgestorbenheit der Architektur gibt es in der revolutionsklassizistischen Architektur (des späten 18.Jahrhunderts, in Frankreich. Ich argumentiere keineswegs, daß dies ein Modell für Ruscha war), und da gelegentlich auch mit gespenstischen (Opfer)Feuern, Brandaltären oder sehr profanen Schloten für Fabriken, freilich nicht rund und hoch, sondern in Form von Pyramiden.

Wie in den Ruinenbildern, wo die Natur über das zivilisatorischen Menschenwerk siegt, aber die Ruine weiter Zeugnis der einstigen Größe und Kultur ablegt, so könnte man das Feuer hier auch als einen Triumph über die aufgestapelte Zeit und versanmmelte Kultur verstehen. Allerdings: triumphal ist das Bild nicht. Ed Ruscha hat zwar nach den Zündhölzern gegriffen, aber es beim Bild belassen, also beim Erstarren, bei dem offen bleiben muß, ob das Museum wirklich zerstörbar ist. Das Bild als Provokation? Sagen wir so: als jedenfalls ambivalente, manchen Museumsliebhaber nervös machende, den pedantischen Museologen irritierende, vielleicht auch ironische Versuchsanordnung.