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Montag, 13. März 2017

Kleine Geschichte des Museums. Teil drei. Je näher man ein Wort ansieht, desto ferner sieht es zurück: Museum

Die selbstbewußte Feststellung 
des Indian Museum in Kalkutta, 
das neuntälteste Museum der 
Welt zu sein, hat uns zu der 
Frage geführt, welches denn das 
erste wäre und in der Folge zu 
einer kleinen Studiensammlung 
von ‚Ersten Museen’. Was 
wiederum schnell gezeigt hat, 
daß das Wort ‚Museum’ höchst unterschiedliche Praktiken des Sammelns, Zeigens und Wissens bezeichnet.

Und das seit der Mitte des 16.Jahrhunderts, also über einen sehr langen Zeitraum hinweg. Und in all der Zeit soll sich die Wortbedeutung nicht verändert haben? Ein einziges Wort soll genügen, um die vielen Phänomene zu bezeichnen - vom humanistischen Wissensraum bis hin zum nationalen Sammlungsmuseum und den dem Entertainment gewidmeten Schaumuseen der Gegenwart? 

Kompliziert wird die Angelegenheit noch dadurch, daß das Wort auch Dinge bezeichnet, die 
kaum oder jedenfalls nicht auf den ersten Blick etwas mit dem zu tun haben, was wir heute 
mit „Museum“ verbinden. Das Wort Museum kann mythologische, religiöse, wissenschaftliche 
oder zum Beispiel auch literarische Bedeutungen an sich ziehen. In der museologischen 
Forschung wird das Problem des Wortgebrauchs meist ignoriert. Da soll Museum drinnen sein, wo Museum drauf steht.

Interessanter als Selbstverständlichkeit oder Denkträgheit sind jene Momente, wo das Wort 
plötzlich problematisch wird. Das ist am Beginn des 19. Jahrhunderts der Fall, also zu dem Zeitpunkt wo sich ein neues Modell kultureller Selbstdarstellung und Selbstvergewisserung entwickelt und durchsetzt. Es ist der historische Moment, wo das Wort jene Bedeutungen 
erhält, die wir mit ihm heute verbinden. (Ich komme darauf in einem weiteren Folge zurück).

Bei der Errichtung einer königlichen Antikensammlung in München am Beginn des 
19.Jahrhunderts verzichtet man auf „Museum“ und entscheidet sich stattdessen für das 
Kunstwort Glyptothek. Während der Errichtung des zeitgleich entstehenden Königlichen 
Museum in Berlin (heute: Altes Museum) fragt man sich während der Entwicklung des 
Konzeptes, ob es denn je in der Antike eine Praxis, eine Institution gegeben hat, die dem 
entspricht, was man grade dabei ist zu verwirklichen. 

Die Gruppe von Gelehrten, die unter der Leitung von Wilhelm von Humboldt an den 
Grundlagen der neuen Institution arbeitet, kann sich nicht einigen. Es kommt zu einem 
kurzen gelehrten Disput, in die schließlich die Akademie der Wissenschaft eingeschaltet wird. 
Und das Resultat der Debatte ist: nein, so etwas wie ein allgemein zugängliches Haus, das 
dazu da ist, daß überlieferte, historische Kunst zum Zweck der Bildung auf Dauer bewahrt und für jedermann zugänglich ausgestellt würde, so etwas kannten ‚die Alten’ nicht.

Museum würde "im ganzen Alterthume" nur Orte der Wissenschaft bezeichnen, solche zur "Aufbewahrung von archäologischen oder Kunstgegenständen" niemals, heißt es in einer entscheidenden Passage des Gutachtens. Aus diesem Grund hatte man ja in München das 
Wort Museum schließlich vermieden.

Hier aber entscheidet man sich - gegen gute, valide Argumente -, dennoch für ‚Museum’, 
um in der (lateinschen) Stifterinschrift an der Fassade des Baues den Zweck des Ganzen zu bezeichnen. Und zwar indem man sich auf eine sogenannte ‚ältere’ Bedeutung des 
griechischen Wortes beruft. Freilich ohne diese ‚ältere’ Bedeutung zu erläutern.

Mit der Benennung des Museums der Revolutionszeit im königlichen Schloß, dem Louvre, als ‚Museum Française’ (und nicht als Musée, und das macht einen Unterschied – davon 
vielleicht ein andermal), war der latinisierten Übertragung des griechischen ‚museion’ zur Bezeichnung staatlicher Sammlungen und nationaler Museen bereits der Weg geebnet. 

Aber in Berlin geht man noch einmal bis zur Etymologie des Wortes zurück und zu seiner griechisch-antiken Bedeutung. Ich denke, daß die Entscheidung, die man in Berlin traf, wichtig für die ab nun usuelle Bezeichnung war, für die Durchsetzung des Wortes Museum für eine eigentümliche moderne institution. Und zwar nicht allein aber auch, weil es sich um den ersten Museumsbau (Architekt: Karl Friedrich Schinkel) handelte (in einer bedeutenden Stadt und für eine bedeutende Sammlung), der den Funktionen des Museums architektonisch Ausdruck gab: praktisch, symbolisch und performativ.

Aber was verstand man in Berlin wohl unter der ‚älteren Bedeutung’ des Wortes Museum? 
Warum fiel die Wahl eines eingestandenermaßen ‚unpassenden’ Wortes? Und warum 
übersetzte man dieses Wort - entgegen der Wortbedeutung - so ins Deutsche: Ruheort 
(nämlich der Kunst)?

Die Rotunde des Alten Museums mit den Götter- und Heroenstatuen
FRIDERICVS GVILELMMVS III STVDIO ANTIQVITATIS OMNI­GENAE ET ARTIVUM LIBERALIVM MVSEVM CONSTITVIT MDCCCXXVIII In der zeitgenössischen Übersetzung: Friedrich Wilhelm III hat dem Studium jeder Art Alterthümer und der freien Künste diesen Ruheort gestiftet 1828. 

„Ruheort“ deckt sich nicht nur mit der antiken Bedeutung von „museion“ als Versammlungsort und Tanzplatz der Musen nicht, er ist auch museologisch wie geschichtsphilosophisch heikel. 

Denn wieso kommt im Museum die Kunst „zur Ruhe“? Weil sie ihren Sitz im Leben verliert und ihre Entwicklung zum Stillstand kommt? Weil sie allein noch als Gegenstand der Anschauung als dauerhaft gültiger kultureller Wert behandelt wird? Als ein Triumph der Musealisierung über ihr lebendiges Wirken in der gesellschaftlichen Gegenwart und Zukunft? 

Sonntag, 6. November 2016

Gute Frage (Texte im Museum 599)

Staedel Museum Frankfurt (Foto: GF)

Nauru Krieger (Figurinen 51)

Nauruan warrior suit, 1891. (Exhibit in the Oceanic collection of the Staatlichen Museums für Völkerkunde München)

Moskau teilt offiziell mit... (Texte im Museum 596)

Museum Friedland (Foto: GF; 2016)

Vanitas-Sitzen


An diesem Arrangement im Zeppelinmuseum Friedrichshafen ist mancherlei bemerkenswert. Die Absonderung eines Bildes von der übrigen Sammlung, die Schaustellung in einem eigenen Raum als einziges Gemälde, die ungewöhnliche, allein einem einzigen Bild zugeordnete Sitzmöglichkeit, der Text, der etwas unbeholfen die allegorische Bedeutung des Bildes erläutert aber im Schlußsatz ganz schön spekulativ wird und ihm möglicherweise eine nicht intendierte Bedeutung zuweist. Worüber sich der Text ausschweigt, ist die ostentative Zurschaustellung einer nackten jungen Frau, die so nicht allein mit dem allegorischen Sinn erklärt werden kann. Darüber zu reden hätte aber bedeutet auch etwas über die - bewußten? unbewußten? - Motive des Zeige-Arrangements zu sagen... (Fotos: GF; 2016)

Das Zeppelin-Museum in Friedrichshafen

Sparbüchse in Zeppelinform (Foto: GF 2016)
Er war zwar nicht der Erfinder des Starrluftschiffes, aber er hat etwas geschafft, was Erfindern nicht so leicht zufällt: sein Name wurde zum Synonym für das volatile Gefährt - Ferdinand von Zeppelin (1838 - 1917). Wer ein eigentümlich ovaloid geformtes Objekt über seinem Kopf lautlos schweben erspäht sieht einen "Zeppelin".
Nach einer langen militärischen Karriere, zu der eine Beobachterposition im Amerikanischen Bürgerkrieg gehörte und eine Teilnahme am Deutsch-Französischen Krieg, widmete er sich nach seiner Verabschiedung aus der Armee, im Alter von über 50 Jahren, mit der Ballonluftfahrt, die er in militärischer Verwendung kennengelernt hatte und versuchte Armeeführer und Könige von der "Notwendigkeit der Lenkballone" (der Titel einer seiner Denkschriften) zu überzeugen. Ermutigend waren die Reaktionen auf seine Vorschläge ganz und gar nicht.
Auch der Beginn des Baues eines Starrluftschiffes wurde bespöttelt, obwohl schon ein Jahr später erste Aufstiege über dem Bodensee erfolgten. Die Wende brachte ausgerechnet die Havarie eines seiner Luftschiffe auf die mit Spenden und Interesse reagiert wurde.
Zeppelin, in Konstanz geboren, siedelte die Produktion der Luftschiffe in Friedrichshafen an und legte so den Grundstein zur rasanten Industrialisierung der Stadt am Bodensee.
Doch die Technik eines Starrluftschiffes erwies sich als schwierig beherrschbar und der Nutzen hielt sich in Grenzen. Zunächst wurden kurze Passagierflüge damit möglich und Aufklärung und Bombenabwürfe im militärischen Einsatz. Ab den 1920er-Jahren wurden so große und relativ zuverlässige Schiffe gebaut, daß sogar Transatlantikflüge möglich waren. Dennoch blieb der finanzielle und personelle Aufwand enorm - bei vielen Flügen mußte es ebenso viel Besatzung wie Fluggäste geben- daß die Weiterentwicklung zu riesigen Zeppelinen erst in der NS-Zeit mit massiver Unterstützung auch in Hinblick auf Kriegstauglichkeit möglich wurde. Der Betrieb der Schiffe blieb unsicher - man schätzt daß bis dahin bei allen Flügen zusammen etwa 45% der Besatzung umkamen. Das endgültige aus für den Zeppelin kam mit dem katastrophalen Brand und Absturz der "Hindenburg" in den USA (Lakehurst) 1937, das übrigens auch als erstes life übertragene Großunglück der Mediengeschichte gilt.
Damit kam die Entwicklung der Starrluftschiffe zum Erliegen. Aber es gibt eine List der Geschichte. 1945, als es der Bundesrepublik noch verboten war, eine eigene Luftfahrt aufzubauen, gingt die von Zeppelin vorsorglich eingerichtete Stiftung wegen Erlöschens des Stiftungszwecks an die Stadt Friedrichshafen über, die in der Nachkriegs- und Wiederaufbauzeit zahlreiche Bau- und Sozialprojekte finanzieren konnte und bis heute von der Stiftung profitiert.
Seit den 90er-Jahren erfolgte eine von vielen Rückschlägen begleitete Wiederaufnahme des Luftschiffbaues in Friedrichshafen. Die Einsatzmöglichkeiten sind bescheiden, aber es gibt wieder eine Personenschifffahrt v.a. im Bodenseeraum. Der Betrieb solcher moderner und relativ sicherer Schiffe kann annähernd rentabel sein, die Produktion aber bei weitem nicht. Auch auf Grund der Entwicklung von Großflugzeugen wird der "Zeppelin" ein Nischenprodukt bleiben.

Museumsfoyer (Foto: GF 2016)
Bereits 1913 hatte das Bodenseemuseum in Friedrichshafen einen Zeppelin-Raum erhalten. In den 20er-Jahren wurde daraus ein städtisches Museum. Nach dem Krieg wurde die Zeppelinsammlung nach Frankreich gebracht und in den 60er-Jahren zurückerstattet und kam im 1956 wiedereröffneten Bodenseemuseum unter. Heute ist das gesamte Museum im von der DB aufgelassenen und unmittelbar am Bodensee gelegenen Bahnhof untergebracht (seit 1996), trägt den Namen "Zeppelinmuseum" und hat etwa 250.000 Besucher im Jahr.
Der 1933 entstandene Bau bietet einen architektonisch interessanten, sehr sachlichen Rahmen für die beiden Schwerpunkte des Museums: Entwicklung und Technik des Zeppelins einerseits und Kunst andrerseits.

Rumpfteil der "Hindenburg" in Originalgröße und begehbar (Foto: GF)
Um die Rekonstruktion eines Rumpfteils der Hindenburg gruppiert sich die Geschichte und Katastrophe dieses besonderen Luftschiffes, eine genau Dokumentation mit weiteren Nachbauten von Räumen und wie Reliquien ausgebreiteten "letzten Dingen" der Hindenburg, ihrer Besatzung und ihrer Gäste. Die Katastrophe selbst, das Schicksal von Passagieren und Fahrgästen, die nachfolgende Untersuchung zum Unglück, die mediale Resonanz, das alles wird akribisch geschildert.
Ein weiterer großer Ausstellungsteil, übersichtlich in Vitrinen gegliedert, gilt der Entwicklung des Ballon- und Starrluftschiffbaues mit einer Unzahl von Objekten. Texte und Objekte vermittelten auch mir als Laien eine gut nachvollziehbare Entwicklungsgeschichte dieser speziellen Form der Luftfahrt mit ihren technischen und kulturellen Implikationen.
Anfänge der Ballon- und Starrluftschifffahrt

Saal mit der geschichtlichen Entwicklung der Zeppelin-Luftfahrt
In weiteren Flügeln des verzweigten Baues findet man technische Informationen und vor allem dann Informationen zum kultur- und stadtgeschichtlichen Kontext. Mit bescheidenen Mitteln aber eindrucksvoll wird die eigentliche, wenige Jahre nach dem Hindenburg-Brand eintretende zweite, größere und folgenreichere Katastrophe visualisiert: die verheerende Bombardierung Friedrichhafens, das durch die Zeppelin-Produktionsstätten zum wichtigen Industriestandort und damit zum Ziel alliierter Bombardements geworden war.

Fotos des bombardierten Friedrichshafen
Hier erweist sich das Museum als besonders eindrucksvoll, weil sein Narrativ nicht als lineare Fortschritts- und Erfolgsgeschichte erzählt wird, sondern die Geschichte von Erfindung und Erfinder, und triumphalistisch auftretender Technik - die letzten Zeppeline hatten gigantische Ausmaße - und Prosperität der Stadt jäh gebrochen wird in den Fotografien und Zeugnissen der Verheerung und Verwüstung.
Eine ähnliche kritische "Pointe", die die Entfesselung des militärisch-industriellen Komplexes derart beredt implodieren läßt, habe ich bisher nur in der (so nicht mehr existierenden) Dauerausstellung des Stadtmuseums Rüsselsheim gesehen. Dieser Abschnitt der Ausstellung zum Kriegsende in Friedrichshafen verhindert, daß man die Geschichte des Zeppelins als konsequente Erfindungs- und Erfolgsgeschichte lesen kann.

Die Kunstsammlung
Die Kunstabteilung des Zeppelinmuseums gilt als bemerkenswert, weil dort in Ausstellungen versucht wird, die beiden Sammlungsbestände thematisch zusammenzuführen. Leider war eine einschlägige Ausstellung gerade in Vorbereitung also unzugänglich. Und an der Dauerausstellung überraschte mich eher nur der Otto-Dix-Sammlungsschwerpunkt, weniger die sehr heterogene Sammlung in nicht besonders ansprechenden Räumen.