Es sind getrennte Meldungen, aber man kann sie wohl auch komplementär lesen: In mOskau wurde (in einem Bau des russischen Avantgardisten Melnikow) ein Jüdisches Museum eröffnet. Das ist nicht weniger als ein Ort, an dem zum ersten Mal überhaupt die Geschichte des Judentums in Russland im Zusammenhang erzählt wird, und einer, der zumindest im Augenblick frei scheint von politisch-konjunkturellen Einflusnahmen, wie Klaus-Helge Donath in einem sehr lesenswerten Bericht in der taz (hier: http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=ku&dig=2013%2F07%2F17%2Fa0106&cHash=a5de478a09da523c2e5ea603a8a77e75) schreibt.
"Seit die
Ausstellung Ende letzten Jahres eröffnet wurde, kommen bis zu
dreitausend Besucher an Wochenenden, an Werktagen sind es zwei-,
dreihundert. Die Museumsmacher sind über den regen Zuspruch sogar ein
wenig überrascht. Vor allem über die vielen jungen Leute ohne jüdischen
Hintergrund, die Interesse an der gemeinsamen Geschichte zeigen. Das
Museum sei von der Bevölkerung sehr gut angenommen worden, meint Baruch
Gorin."
Im staatlichen "Museum zum Widerstandskrieg Chinas gegen Japan" in Peking konfrontiert eine von polnischen Kuratoren kuratierte Schau mit den Konzentrationslagern von Auswitz-Birkenau und damit mit den Verbrechen des Nationalsozialismus, die, folgt man dem Berichterstatter (Johnny Ehrling in der Tageszeitung Die Welt, hier: http://www.welt.de/kultur/article118070840/Das-Grauen-von-Auschwitz-ueberrascht-die-Chinesen.html), in China wenig bewußt seien. China sehe sich selbst als Opfer des 2.Weltkriegs und des japanischen Faschismus. Im Krieg zwischen China und Japan sind an die 10 Millionen allein aus der Zivilbevölkerung umgekommen.
"Polen willigte auch ein, dass das Jüdische Flüchtlingsmuseum in Shanghai
einen der Ausstellungsräume selbst gestalten durfte. Es dokumentiert
dort mit Fotos, Pässen, Originaldokumenten und Exponaten des
Alltagslebens, wie chinesische Diplomaten verfolgten Juden entkommen
halfen und welche Rolle der damalige Freihafen Shanghai als Aufnahmeort
für mindestens 18.000 zwischen 1933 und 1941 aus Europa geflohene Juden
spielte."
Das Museum, das an einem geschichtsträchtigen Ort, einer Brücke, an der ein kleiner Zwischenfall den langen Krieg auslöste, errichtet wurde, veranstaltet eine erstaunliche Ausstellungsreihe. Nach Kooperationen mit Russland und Südkorea soll im kommenden Jahr das Deutsche Historische Museum eine Ausstellung über Hitler und die Deutschen ausrichten.
Meine Erfahrung ist ein wenig anders: Viele, sehr viele der jungen Chinesinnen/Chinesen wissen sehr wohl um die Geschichte. Pauschal zu sagen, dass die Chinesen überrascht sind, ist nicht ganz korrekt. Überrascht - mag ja sein -, aber weniger ob der historischen Tatsachen, sondern wohl mehr ob der Tatsache, dass sie nun (museal) damit konfrontiert werden. Wie ich lese, es geht weiter mit (deutscher/europäischer) "Zeitgeschichte". Und genau da beginnen nun doch meine Bedenken. Weil, soll tieferes Verständnis erzeugt werden, dann halte ich es für höchst gefährlich und letztlich kontraproduktiv, 1933 zu beginnen und die Vorgeschichte praktisch auszublenden ...
AntwortenLöschenEs gibt (meines Wissens) in China einen einzigen Lehrstuhl, der mit hiesigen Judaistik- bzw. jüdische Studien-Angeboten auf universitärer Ebene zu vergleichen wäre. Das ist sicher ein bissl wenig, abgesehen davon, dass die Methodik nicht ganz zeitgemäß ist. Eine Studentin von dort hat jetzt ein Stipendium in Deutschland und veritable Schwierigkeiten zeigen sich aufgrund der hiesigen Andersheit. Aber das ist eine andere Geschichte, die sich jedoch trotzdem nicht zufällig bei dem Gelesenen aufdrängt ...