Museen zwischen den Fronten
Über den Museen ziehen Gewitterwolken auf und das
in zwei Fronten. In Deutschland und Frankreich aber langsam auch auf andere
Länder übergreifend, ist eine heftige Debatte über die Restitution kolonialen
Raubgutes entbrannt. Und in den USA und in England gerät das Sponsoring in
Kritik und wird in durchaus militanten Aktionen attackiert. Es gibt einen
Unterschied zwischen den beiden Auseinandersetzungen: die Restitutionsdebatten
werden überwiegend von Wissenschaftern, Restitutionsexperten und Journalisten
geführt. Und das durchaus vehement - kaum ein Tag vergeht ohne einen
einschlägigen Artikel in einer großen Deutschen Tageszeitung. Die Angriffe auf
Sponsoren großer Kulturinstitutionen werden aber von der Zivilgesellschaft
unter starker Beteiligung von KünstlerInnen getragen.
Die Firma, die derzeit am heftigsten unter Beschuß
geraten ist, Purdue Pharma, die einer der reichsten Familien der USA gehört,
hat allem Anschein nach skrupellos ein süchtigmachendes Schmerzmittel aggressiv
lanciert und zu einer Opioid-Krise in den USA geführt, der jährlich tausende
Menschen zum Opfer fallen. Unter dem Druck erster Prozesse und Schuldsprüche
beginnen erste, große Museen, sich von Sponsor zu trennen oder mindestens auf
Distanz zu gehen.
Beide Vorgänge sind fundamentale Attacken auf das
Museum als solches. In der Restitutionsdebatte wird die teilweise gewaltförmige
und unrechtmäßige sowie verschwiegene Grundlage von Museen sichtbar und ihre
hegemoniale politische Funktion. Beim Sponsoring durch unethisch eingeschätzte
Konzerne agiert das Museum als Agentur der Veredelung und Verschleierung.
Hinter den scheinbar selbstlosen Geldgebern verstecken diese ihre
menschenverachtenden Praktiken – es handelt sich um toxische Philantropie.
Das British Museum wird wegen seines Sponsors
British Petrol angegriffen und beim Whitney Museum steht ein Beirat der
Institution in der Kritik, Warren Kanders, als Besitzer einer Firma, die unter
anderem an der mexikanischen Grenze eingesetztes Tränengas produziert. Jetzt
steht sogar die im Kunstbetrieb wichtige Biennale, die das Museum ausrichtet, auf
dem Spiel, weil sich Künstler zurückziehen und über einhundert MitarbeiterInnen
des Museums sich gegen ihren vice-chair wendeten. Eine Initiative Decolonise this Place, die auf den
Rücktritt des Beirats hinarbeitet, verknüpft in ihrem Namen beide Motive,
Museen anzugreifen: die neokoloniale staatliche Gewalt gegen farbige
Minderheiten - als der der Einsatz des Tränengases gegen Migranten eingestuft
wird - und das Art-Washing des Konzerns „Safariland“ (sic!) durch das Museums-Sponsoring.
Es konnte nicht ausbleiben, daß jemand auf die Idee
kam, beide Fronten zu einer zusammenzufassen. In einem jüngst in The Guardian (20 Feb 2019) erschienen
Essay verdammt die Kunsthistorikerin Alice Procter kurzerhand die Museen generell:
„The whole concept of The Museum is a
colonialist, imperialist fantasy, born from the fallacy that somehow the whole
world can be neatly catalogued, contained in a single building, mapped out for
easy digestion.“ Und mit Hinweis auf diegegen BP protestierenden
BesetzerInnen des British Museum, schreibt sie: „They’re all tired of museums being unquestionable, unethically funded
pleasure houses where dirty money gets made to look like shiny civic pride.“
Solcher Fundamentalismus läßt sich leicht beiseiteschieben,
aber beide „Fronten“ haben ihre Dynamik entwickelt, die noch nicht auf ihrem
Höhepunkt angekommen zu sein scheint. Es wird sich zeigen, ob das
Geschlossenhalten der Augen und Ohren weiter die geeignete Strategie der Museen
sein wird, der tiefreichenden Herausforderung gerecht zu werden. Denn noch nie
in der Geschichte des Museums sind einer breiten Öffentlichkeit die
strukturellen Widersprüche der Institution so klar vor Augen geführt worden.
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