Sonntag, 25. August 2019

Huldigung (Texte im Museum 922)

Dieser Text steht für viele aus Kunstmuseen. Es ist ein als Verpflichtung zur Würdigung angelegter Text, der von uns, ehe wir uns ein Urteil selbst an Hand der ausgestellten Werke haben bilden können, zu Anerkennung, Würdigung anmahnt. Solche Texte beginnen meistens mit einer apodiktischen Platzierung der Künstlerin/des Künstlers möglichst hoch oben on der Hierarchie des Kunstkanons. "August Walla ist einer der bedeutendsten Künstler des 20.Jahrhunderts" las ich unlängst in der Art Brut-Galerie in Klosterneuburg Gugging.

Hier ist es "eine der renommiertesten Künstlerinnen der Gegenwart". Sie hat sich mit vielem ("facettenreiches Werk") beschäftigt, darunter mit Themen, die man sich anspruchsvoller kaum vorstellen kann, "Tod, Verwundung, Heilung, Sexualität, ...Mensch und Umwelt...Identität...Mythologie...religiöse Vorstellungen", kurzum "die conditio humana. Dabei gilt es, die Künstlerin/den Künstler möglichst als innovativ, mutig, tabubrechend, grenzüberschreitend usf. zu stilisieren. "Ohne Scheu vor Tabus, Peinlichkeit und Grenzen der Scham..." heißt das hier. überdurchschnittliches Engagement muß nicht nur innerhalb der künstlerischen Arbeit ausgewiesen werden, es kann, wenn man eine entsprechende Resonanz durchs Publikum erwartet werden kann (das kommt ganz aufs Museum an), auch politisches oder soziales Engagement zum Vorteil gereichen, hier etwa die Auseinandersetzung "unter dem Eindruck des brisanten wandels der politischen, sozialen und kulturellen Bedingungen", inklusive der Erwähnung nicht einfach von "HIV/AIDS", sondern des "Diskurses" darüber - damit d a s Schlüsselwort des kuratorischen New-Speaks auch noch platziert werden kann.

Meist versichert man uns, daß die Betreffenden das ideal ungebrochener personaler Identität aufrecht erhalten hätten, meistens in der Wendung sich treu geblieben zu sein. Wobei auch das Gegenteil, nicht selten direkt nebeneinander, auch eine Auszeichnung darstellt, nämlich einen Bruch vollzogen zu haben, also ein lebensgeschichtliches Risiko eingegangen zu sein. Für Kiki Smith muß hier genügen eine "faszinierende Entwicklung der künstlerischen Praxis. Als Zugabe wird nun auch noch aufgezählt, in wie vielen Medien die Artistin zu Hause ist, "Skulpturen, Radierungen, Bücher, Video, Gips, Bronze, Glas, Bienenwachs, Stoff...usw. usw.

In einem kurzen Werbetext für Facebook weiß Belvedere 21 (die Texte sind besonders ergiebig fpür meine "Studien": "Bonvicini arbeitet medienübergreifend mit Installation, Skulptur, Zeichnung, Video und Fotografie. In ihrer künstlerischen Praxis gilt sie als direkt, schonungslos und politisch."

Es sind Werbe-, Marketingtexte. Es geht kaum um Information, die uns hilft, das Werk und einzelne Werke in der Ausstellung besser zu verstehen oder, wie das mit einem Lieblingswort des deutschen Nachrichtenfernsehens heißt, "einzuordnen". Solche Texte tendieren dazu, uns von eigner wahrnehmung abzuschneiden (selbstverständlich kann man sie ignorieren). Wichtig ist den Verfassern solocher Texte über die Würdigungsverpflichtung hinaus die Institution ins rechte Licht zu rücken - als den Ort, der uns den Genuß der Begegnung mit einem außergewöhnlichen Künstler/einer außergewöhnlichen Künstlerin verschafft. Zu guter letzt erfahren wir aus dem Text, daß wir uns in der "bisher größten Überblicksschau zu Kikis Smith Werk in Europa" befinden. 

Das Museumsshopmuseum

Tatsächlich habe ich noch nie verstanden, warum Leute überhaupt in Museen gehen, denn fast immer ist die Luft dort sehr schlecht und man wird in kürzester Zeit wahnsinnig müde und häufig sind die Museums­besucher, die man in den Museen besichtigen kann, sehr viel weniger hübsch als die dort ausgestellten Objekte. Das heißt aber nicht, dass ich aus Prinzip keine Museumsgebäude betreten würde, ganz im Gegenteil, denn ich gehe unheimlich gerne in Museumsshops, und ein Museum, das ich garantiert besuchen würde, wenn es so eines gäbe, wäre ein Museum der Museumsshops, also ein Museum, in dem die originellsten Museumsshops der letzten Jahrzehnte konserviert werden.
Man könnte in den Museumsshops, die in diesem Museum der Museums­shops ausgestellt wären, natürlich nichts kaufen, aber so wie man am Ende der Ikea-Möbelausstellung unweigerlich zur Selbstbedienungshalle und den Hot Dogs gerät, so müsste man am Ende des Museums der Museumsshops unweigerlich auf einen Museumsshop stoßen, der nicht nur alle bis dahin besichtigten Museumsshops toppt, sondern in dem darüber hinaus auch irgendwelche Artefakte käuflich erworben werden können, das wäre doch epochal!

Gefunden in: Der Umblätterer. In der Halbwelt des Feuilletons

Von allem etwas (Texte im Museum 921)


Wie dumm dürfen Museen sein? (Seitensprünge 19)


Samstag, 24. August 2019

ok (Texte im Museum 921)

Ausstellungsgaus Daniel Spoerri, Hadersdorf

Kulturpatron

Weltmuseum Wien. Jeder Arbeiter Aktionär - jeder Museumsbesucher Sponsor

Labyrinthisch (Texte im Museum 920)


...in wenigen Worten erklärt... (Texte im Museum 919)

Kunsthistorisches Museum Wien

Kunstmuseen - Zu viele? Grade genug? Oder? (Sokratische Frage 46)



Seit 1990 sind allein in Deutschland 700 Kunstmuseen entstanden

Sind das viel zu viele?

Grade genug?

Zu wenige (kann es nicht genug Kunst geben...?)

Oder ist das gar ein Krisensymptom?

Ein Stift erleben (Entrée 161)


Roman Sandgruber: KTM und seine Motohall

Vorbemerkung: Museen sind in Österreich - Bundesmuseen, Landesmuseen, kommunale Museen -, in hohem Maße von Politik und Politikern abhängig. Aufsichtsräte werden nach Wahlen nach dem Proporz umbesetzt, in Personalpolitik wird ebenso direkt eingegriffen wie in Organisationsstrukturen. Über die Finanzierung wird der Hebel angesetzt, um diese oder jene Interessen durchzusetzten. Spitzenpositionen werden aus den Büros politischer Funktionäre heraus besetzt. 
Ein besonders dreister Fall ist die Subventionierung des hochprofitablen Motorradherstellers KTM, der vom ehemaligen Landeshauptmann Pühringer unter dem Titel der Kultur(Museums)Förderung sehr viel Geld erhielt, am Landtag vorbei genehmigt, also, wie manche meinen, schlicht gesetzwidrig. Und das für ein Marketing-Tool, für eine "Hall", die der Verherrlichung des Motorsports dient und der Produktwerbung.
Und das noch: KTM Chef Pierer hat der ÖVP eine sehsstellige Spende gewährt. 

Der Präsident des Oberösterreichischen Musuemsverbandes und Wirtschaftshistoriker Roman Sandgruber hat mir freundlicherweise erlaubt seine Stellungnahme zu der Causa KTM-Förderungdazu im Blog zu veröffentlichen.

Inzwischen habe ich seine Überlegungen zu Kriterien der Museums- und Ausstellungskritik weitergeführt. (Hier der Link)
GF

Roman Sandgruber
KTM und seine Motohall
Oberösterreichische Nachrichten, 24. August 2019

Spenden ist bei KTM ein wichtiges Wort. Wer die Motohall ein Museum nennt, wurde bei der Eröffnung der Halle im Mai dieses Jahres von KTM-Chef Stefan Pierer scherzhaft zu einer Spende von einem Euro in die Kaffeekasse verdonnert. Stefan Pierer selber hat bereits gespendet, vielleicht deswegen, weil er 2015 im Ansuchen um die Kulturförderung beim Land Oberösterreich sein Projekt als Museum tituliert hatte. Allerdings hat er nicht in eine Kaffeekasse, sondern in eine Parteikasse gespendet. Unentwegt spenden muss hingegen Thomas Stelzer, weil er die Motohall immer noch und immer wieder als Museum bezeichnet. Doch Scherz beiseite. Natürlich ist die Motohall kein Museum. Sie ist auch keine Kulturhalle. Sie ist der Präsentationsraum eines erfolgreichen Unternehmens und ein professionell gestylter Motorradsalon. Aber in Wahrheit ist sie eine Kirche: ,,Die Motohall ist unsere Kathedrale, unser Heiliger Gral“, sagte Pierer zu Recht. Vorbei an 156 Motorrädern im Einmeter-Abstand und vorbei an 42 modernen Gralsrittern, postiert auf ihren KTM-Siegermaschinen mit Helm und tief herabgezogenem Visier, in eng anliegenden Lederrüstungen, Handschuhen und Stiefeln, gelangt man zuletzt zur Grals-Schale, aber nicht zu einer einzigen, sondern zu hunderten Pokalen und Kelchen in luftiger Himmelshöhe, aber nicht gefüllt mit dem heiligen Blut Christi, sondern mit dem orangen Saft von KTM. Und irgendwo thront Pierer als Herrscher dieser Gralsburg und wartet wie der sieche Gralskönig Amfortas in den alten Mythen und in Richard Wagners „Parsifal“ auf Erlösung. Pierers geheimnisvoller Virus heißt CO2. Genesung wird er erst erlangen, wenn es ihm gelungen ist, Greta Thunberg nach Mattighofen zu lotsen, die in diesem Fall wohl statt mit einem Segelboot ebenso klimaneutral auf einem Schwan reitend die Mattig hinaufkommen wird.
Wenn man nach dem zehnten oder zwanzigsten Motorrad, jeweils fein beschriftet mit Baujahr, Typenbezeichnung, Hubraum und allem sonst, was einen Motorradenthusiasten oder Typisierungsjuristen interessieren könnte, bereits müde geworden ist, flüchtet man in den Museumsshop, pardon, die „Verkaufshall“, die noch penetranter als die Ausstellungshalle in Orange gehalten ist, jener Farbe, über die schon Johann Wolfgang Goethe geschrieben hatte, es sei “kein Wunder, dass energische, gesunde, rohe Menschen sich besonders an dieser Farbe erfreuen. Man hat die Neigung zu derselben bei wilden Völkern durchaus bemerkt...“ Goethe erwartet man dort ohnehin nicht. Aber man sucht dort überhaupt vergeblich nach einem Buch, einem künstlerischen Objekt oder irgendeinem Produkt, das mit einigermaßen gutem Willen dem Kulturbereich zugerechnet werden könnte. Man wird an langen Reihen von Kleiderständern, Umkleidekabinen, orangen Outfits, Kappen, Leibchen und Unterhosen vorbeigeschleust und stößt auf wahre Raritäten: zum Beispiel einen Babyschnuller und eine Babyflasche mit KTM-Logo. Allerdings, ein Kondom mit KTM-Aufdruck, das der Autor daraufhin suchen wollte, hat er dann doch nicht gefunden. Aber sonst: „KTM – von der Wiege bis zur Bahre“, die bei Motorrädern ohnehin immer viel näher ist als im sonstigen Leben.
Nein! Ein Museum oder auch nur ein Technisches Museum ist die KTM-Motohall nicht. Was für den kulturellen Anspruch von Kunst- und Science-Museen entscheidend ist, ist die kulturelle und kritische Perspektive. Diese gibt es bei KTM nirgendwo: keine alternativen Meinungen, keine firmenfremden Produkte, schon gar keine umweltpolitische oder künstlerische Ansage, wenn man das Design einmal beiseite lässt. Die klassischen Museen, seien es nun Kunst-, Heimat-, Technik oder Naturmuseen, präsentieren und diskutieren die Vielfalt dieser Welt. Bei Pierer hingegen herrscht Einfalt. Pierer ist Pierer ist Pierer: Der Vater KTM-Boss, der Sohn Motohallen-Boss, die Aufseher und Führer sehr freundlich im KTM-Outfit. Ein einziges Produkt, eine einzige Marke, ein einziger Werbeauftritt.
Dass das förderungswürdig ist, ist eine einmütige Entscheidung der vier Landtags-Parteien. Dass der Verbund oberösterreichischer Museen, ein gemeinnütziger Verein, dafür eine Empfehlung ausgesprochen habe, trifft einfach nicht zu. Das Land stützt sich auf ein fünfzeiliges Mail vom Jänner 2015, in dem ein Museumsverbund-Mitarbeiter KTM bestätigt hat, dass die Grundbedingungen, die vom Land gemeinhin für derartige Ansuchen verlangt werden, in dem fünfseitigen Paper enthalten sind: Rechtsträger, Parkplätze, Kantine, Barrierefreiheit, digitale Unterstützung, gesamtgesellschaftliche Einbindung…. Aber es gibt keinen einzigen Satz, dass das Projekt als „wertvoll“ einzustufen oder zur Förderung zu „empfehlen“ sei. Eine solche Förderempfehlung im Namen des Museumsverbundes könnte dem Vereinsgesetz und den Statuten des Vereins entsprechend auch nur der Präsident geben und unterzeichnen, aber nicht ein Mitarbeiter, der gar nicht im Vorstand vertreten ist. Da auf der Grundlage eines nur fünf Seiten umfassenden Kurzkonzepts ein derartiges Projekt zu beurteilen auch gar nicht möglich ist, wurde ein Fein- und Pädagogikkonzepts eingefordert, das dem Museumsverbund allerdings nie zugegangen ist. Dass eine Subvention gegeben wurde, hat der Museumsverbund erst 2019 aus dem Förderbericht des Landes erfahren. Klarerweise würde eine Projektförderung in dieser Höhe eine laufende Begleitung durch den Subventionsgeber während des gesamten Entstehungsprozesses erfordern.
Denn vieles von dem, was KTM dem Land Oberösterreich im Februar 2015 in seinem Kurzkonzept vorgelegt hat, ist nicht oder anders umgesetzt worden. Schon der Briefkopf „KTM Museum“ wird jetzt, wahrscheinlich zu Recht, verleugnet. Die angekündigte „gesellschaftliche und soziale Verankerung“ sucht man vergeblich, ebenso die Querverbindungen zur Geschichte des Landes oder die angekündigten pädagogischen Unterstützungsmaterialien für Schulen. Dass die Öffnungszeiten der speziell an Kinder und Schüler gerichteten Räume und der Schauwerkstätten sich auf Freitag Nachmittag und Samstag und Sonntag beschränken, ist diesbezüglich besonders kontraproduktiv. Die angekündigte ausführliche Homepage entpuppt sich als schlagworttriefende Marketingkaskade in Halbsätzen und Bikerdeutsch.
Die Förderung der KTM-Mothall, wie immer sie auch begründet ist, steht in keiner vernünftigen Relation zu anderen, ebenso wertvollen Museums- und Kulturprojekten, die in Oberösterreich realisiert werden. Der Ordnung halber sei auch noch hinzugefügt, dass der Vorstand des Museumsverbunds seit 2002 rein ehrenamtlich tätig ist und seine Arbeit ohne jegliche Aufwandsentschädigung oder Spesenvergütung leistet und dass das bei den 300 meist sehr kleinen Museen im Land ebenfalls überwiegend der Fall ist.

Freitag, 2. August 2019

Qualität (Sokratische Fragen 44)

Müsste es nicht besser heißen: Das Museum hat nur Sinn, wenn es höchste Qualität hat? Oder meinen ohnehin beide Formulierungen ein- und dasselbe?