Mittwoch, 30. November 2011

Das Joanneum


Dieser Text wurde 2008 publiziert. Als populärste aller Texte, die ich zum Joanneum geschrieben habe, scheint er mir geeignet, jetzt, zum Jubiläum des Museums, im Blog erneut veröffentlicht zu werden.

Alljährlich am 26. November feiert das Steiermärkische Landesmuseum Joanneum den Stiftungstag. Kontinuierlich und seit beinahe 200 Jahren.
Es gibt weltweit sehr wenige Museen, die ein solches Gedächtnisritual begehen könnten, denn das Joanneum zählt zu den ältesten Museen überhaupt. Als es 1811 von Erzherzog Johann gegründet wurde, war die Idee einer öffentlichen Institution, die der Sammlung von Kulturgütern und Dokumenten, der intellektuellen und ästhetischen Erfahrung, Bildung und Genuss diente, nicht einmal 20 Jahre alt.
Diese Idee entwickelte sich in der Aufklärung und wurde erstmals in der Französischen Revolution, im letzten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts, verwirklicht. Neu an diesem Modell war gegenüber allen bis dahin geübten Praktiken des Sammelns, die Vorstellung, dass der gemeinsame Besitz und Genuss kultureller Überlieferung die Gemeinsamkeit der Gesellschaft und Nation gleichsam ausdrücken und darstellen konnte. Museen sollten so etwas wie Medien der Beschreibung, Erzählung und Veranschaulichung des Gemeinsamen sein.
Während bis dahin Sammlungen, mit wenigen Ausnahmen, privat waren und einem oft nur sehr beschränkten Publikumskreis zum Zweck von Bildung, Wissensvermittlung und Erbauung oder Repräsentation zugänglich waren, gehört der Unterhalt und Betrieb von Museen von da an zu den ‚wohlfahrtsstaatlichen’ Leistungen im Interesse aller Bürger. Der Staat finanziert Museen im Interesse aller.
Während wir heute gewohnt sind, den Besuch von Museen als eine Freizeitbeschäftigung anzusehen, in der Unterhaltung, Wissenserwerb, Vergnügen oder Bildung miteinander beliebig gemischt sein können, hatten Museen im 19. Jahrhundert häufig noch sehr praktische Aufgaben. Kunstgewerbliche Museen waren dazu gedacht, die nationalen Produktkulturen zu ‚veredeln’ und damit konkurrenzfähig zu halten, in technische Museen setzte man Hoffnungen auf Sammlung von Erfahrungen und Wissenstransfer. So zeigte das in der Französischen Revolution (1793) gegründete Museum im Louvre nicht nur Kunst, sondern am Beginn seiner Entwicklung regelmäßig gewerblich-technische Ausstellungen.
Bei kaum einem anderen Museum war diese praktische Funktion so wichtig, wie beim  Joanneum während der Gründungsjahrzenhte. Es bestand zwar aus Schausammlungen und war für ein breites Publikum geöffnet, zugleich war es aber eine Lehranstalt mit Lehrkanzeln und kompensierte damit das Fehlen einer Universität in Graz.
Wichtig waren vor allem die naturwissenschaftlichen Fächer, also jenes Wissen, das für die Entwicklung von Gewerbe, Landwirtschaft, Bergbau und Industrie nützlich war. In den Sammlungen fand man „Medicinalpflanzen“, eine „Holzbibliothek“, ein Chemielabor, Mineralien, zoologische Präparate, physikalische und astronomische Geräte, aber auch Objekte von historischem und kunstgeschichtlichem Wert.
Wenn man sich Objekte aus der frühesten Geschichte der Sammlung ansieht, wird diese nützliche Funktion des einstigen Museums anschaulich und lebendig, etwa in der wunderbaren Sammlung von Modellen von Geräten, Werkzeugen und Maschinen der landwirtschaftlichen Sammlung. 1817 wurde eine Mustersammlung heimischer Fabriks- und Gewerbeerzeugnisse angelegt.


Dieser praktische, auf die Entwicklung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Steiermark gerichtete Zweck des Museums, mag uns heute merkwürdig vorkommen, wenn wir als Maßstab die uns heute gewohnten Vorstellungen vom Museum anlegen.
Aber er war nicht der einzige Zweck. Einen anderen kann man unter den Begriffen Landeskunde und Landesbeschreibung beschreiben. Um zu wissen, was ein Land ist, was seine Besonderheiten sind, was es von anderen unterscheidet und was seine Gemeinsamkeit stiftende Eigenschaften sind, muss man es zuallererst ‚erkunden’. Archivalien und Dokumente sollten gesammelt und zur Grundlage einer chronologischen und statistischen Landeserfassung werden und schließlich einer Landesgeschichte. Die Initiativen, die Erzherzog Johann dazu setzte, gingen weit über das Museum hinaus. Er schuf, um es mit einem modernen Wort zu bezeichnen, ein Netzwerk von Initiativen, Aktivitäten und Institutionen, Vereine, Dokumentationen, die alle dem Zweck dienten, das Land zu beschreiben und zu ‚erzählen’ und das öffentliche und wirtschaftliche Leben zu entfalten. 1819 wurde die „Landwirtschafts Gesellschaft in Steier­mark“ gegründet, in den Dreißigerjahren gab es Industrieausstellungen und 1839 wurde der „Ver­ein zur Ermunterung und Unterstützung der Industrie und der Gewerbe für Innerösterreich“ gegründet.
Eine Geschichtsschreibung im Sinne einer die Landesgeschichte in ihrer Dauer und zeitlichen Tiefe großen Erzählung existierte damals nicht, und deshalb wurde das Sammeln von Quellen veranlasst und zur Erforschung der Geschichte aufgerufen. „Sind diese Materialien in gehöriger Vollständigkeit beysammen, so werde unverzüglich an eine Historie Innerösterreichs, soweit geschichtliche Spuren nur immer hinaufreichen, bis auf unsere Tage Hand angelegt. Sie soll ebenso kritisch in Rücksicht ihrer Quellen, als pragmatisch in Rücksicht der großen Wirkungen aus ihren Ursachen, zur Lehre, Warnung und Nacheiferung seyn.“
Alle diese Maßnahmen, die hier keineswegs vollständig aufgezählt sind, erschöpfen sich nicht im Erfassen und Beschreiben. Diese Umfassende ‚Landesbeschreibung’ gab dem Land ein Bewusstsein seiner selbst, seiner kulturellen, topografischen, historischen Eigenheiten. Warum ist das so wichtig? Gesellschaften in der Moderne zeichnen sich durch die Freiwilligkeit ihrer Zusammengehörigkeit aus. Sie sind „Solidargemeinschaften“, die sich immer wieder ihrer Zusammengehörigkeit versichern müssen. Ein Weg dazu ist, das Gemeinsame im Kulturellen zu suchen: in einer gemeinsamen Geschichte, im Besitz kultureller Güter und Werte, in der Pflege von Traditionen.
Landesbeschreibung bedeutet daher mehr als nur eine auf Grund zusammengetragener Dokumente das Land zu ‚beschreiben’. Mit und durch die Beschreibung entsteht etwas Neues – ein Wissen von der Einheit und Besonderheit des Landes, wie es das vorher so nie gegeben haben konnte. Diese Beschreibung ist ‚Nation Building’ und es interessant, dass zu dieser Zeit für die Steiermark auch der Begriff Nation auftaucht und für das Museum ‚Nationalmuseum’, obwohl die Steiermark Teil der Habsburgermonarchie war.
Bei anderen Landesmuseen der Monarchie, bei dem früher als dem Joanneum gegründeten Ungarischen und dem späteren Tschechischen, hatte diese Berufung auf eine eigenständige Nation mit besonderer kultureller und historischer Identität eine eindeutig politisch-emanzipatorische Funktion. Diese Museen waren so etwas wie Fabriken kultureller Identität, auf die ein politisches Selbstbewusstsein aufbauen konnte und auch aufbauen sollte, bis hin zur Deklaration der politischen Unabhängigkeit, die beispielsweise in Ungarn 1848 von den Treppen des Nationalmuseums herab verkündet wurde.
Eine solche nachdrücklich politische Funktion hatte das Steiermärkische Museum nicht, aber gesellschaftlich war es in seiner frühen Entwicklung sehr fortschrittlich dadurch, dass es bürgerliche Interessen vertrat und das Museum als ein dafür geeignetes Gefäß konzipiert wurde. Wiewohl von einem Mitglied des Kaiserhauses – aber als Privatperson – initiiert, war das Museum ein Umschlagplatz bürgerlicher Öffentlichkeit. Erzherzog Johann bewegte die Stände, die Verantwortung für das Museum zu tragen und es als mächtiges Werkzeug der kulturellen Bildung und des materiellen Fortschritts zu entwickeln und zu nutzen.
Wir sind heute gewohnt unter der Öffentlichkeit von Museen nur noch das Recht zu verstehen, sie – gegen Zahlung von Eintrittsgeld – betreten und besuchen zu dürfen. Museen funktionieren so, weil sie zu jenen staatlichen Leistungen und Vorsorgen gehören, die uns, allen Bürgern, zu unserem Wohl zur Verfügung stehen, wie auch der öffentliche Verkehr, das Gesundheitswesen oder die Wasserversorgung. Der ‚Wohlfahrtsstaat’ versorgt uns über Museen, so könnte man etwas profan sagen, mit dem Grundnahrungsmittel Wissen und Bildung.
Öffentlichkeit bedeutet aber zur Zeit der Gründung des Joanneum etwas Umfassenderes, nämlich aktive Teilhabe der Bürger an allen ihren Angelegenheiten und aktive Unterstützung dieser Teilhabe durch das Museum. Bürgerliche Öffentlichkeit organisierte sich in den vielen Vereinen, die mit dem Joanneum vernetzt waren und in speziellen sozialen Räumen: etwas wie eine allgemein nutzbare Bibliothek – die im Museum zur Verfügung stand, einschließlich von Büchern und Zeitschriften, die eigentlich unter Zensur standen -, war damals ebenso ungewöhnlich wie eine öffentlich nutzbare Sammlung. Ein weiterer Kristallisationspunkt kultureller Öffentlichkeit war die Leseanstalt des Museums. Die Bibliothek war auch an Sonn- und Feiertagen geöffnet, das sogenannte Konversationszimmer von 10 - 21. „In kurzer Zeit“ berichtet der erste Biograf des Museums, „vereinigten diese Lesezimmer die gebildetsten Männer aller Stände und die hoffnungsvollsten Jünglinge in sich...".
Mit heutigen Begriffen müsste man die dichte Verschränkung von Museum und Öffentlichkeit als Selbstverwaltung und Partizipation beschreiben, etwas was in der ein oder anderen Form auch bei anderen Landesmuseen, weniger deutlich entwickelt aber doch, existierte. Diese Öffentlichkeit mach eindeutig Rückschritte. Bei den meisten Landesmuseen sind die letzten Reste der Selbstorganisation, etwa durch Trägervereine verschwunden. Auch beim Joanneum kann man die Rückschritte an öffentlichem Einfluss verfolgen. Die jüngste Etappe der organisatorischen Entwicklung, die sogenannte Ausgliederung und Umwandlung in eine GesmbH, schraubte den Einfluss der Öffentlichkeit auf bloße Beratung in einem Kuratorium zurück.
Heute, einige Jahre nach dieser Organisationsreform, ist das Joanneum, gemessen an Ausstellungsflächen, Sammlungsbestand und MitarbeiterInnen eines der größten Museen in Österreich. Die große Vielfalt seiner Sammlungen erlaubt, ein sehr breites Spektrum von Themen zu exponieren, aber die Ausstellungen allein geben noch kein Bild vom Arbeitsfeld des Museums. Zahllose Veranstaltungen, Tagungen, spezielle Workshops, Führungen, Kinderprogramme, Interventionen, Performances und vieles andere mehr fügen sich zu einer wahrlich „dichten Packung“ zusammen, mit der man als nicht leicht erschöpfbarer Besucher gut und gerne das Jahr über die Zeit verbringen könnte.
Die Chance, sich als „Universalmuseum Joanneum“ zu etablieren, wie man das vorhat, hat freilich einen Preis. Nämlich den Aufwand, den inhaltlichen und organisatorischen Zusammenhang zu wahren. Das Joanneum ist heute vieles aber eben auch vielerlei, wie ein Blick ins Veranstaltungs- und Ausstellungsprogramm zeigt. Das Museum konkurriert mit anderen österreichischen Museen um Besucher und um mediale Aufmerksamkeit, mit manchen Ausstellungen auch international.
Das Museum ist derart groß, dass es – wie in keinem anderen Bundesland – die regionale „Museumsszene“ dominiert und eine zentrifugale Kraft entwickelt in dessen Sog in den letzten Jahrzehnten manche Sammlung und manches Haus eingegliedert wurde. Das architektonisch spektakuläre Kunsthaus war bekanntlich ursprünglich nicht als teil des Joanneum geplant.
Unorganisches Wachstum – das könnte ein Stichwort für die gesamte Entwicklung seit dem späten 19. Jahrhundert sein. Politische Zufälligkeiten, starke Persönlichkeiten, wissenschaftliche Moden führten zu sehr unterschiedlichen Gründungen, die heute alle friedlich koexistieren und kooperieren sollen. Ob das – organisatorisch wie inhaltlich – noch ein ‚Ganzes’ ist, wird am Haus selbst immer wieder diskutiert, und ob es noch ein Landesmuseum im herkömmlichen identitären und repräsentativen Sinn ist, scheint manchmal fraglich und daher das Ersetzen von „Landes-„ durch Universalmuseum in dieser Hinsicht konsequent.
Das Museum steuert auf das zeitlich nahe und einzigartige 200-Jahr-Jubiläum mit dem größten Umbruch seiner Geschichte zu. Ganze Sammlungen wurden schon und werden noch verlegt und vollkommen neu präsentiert, es wird gebaut, konzipiert, geplant, verändert wie seit der Gründung 1811 nicht. Mit dem unterirdischen Ausbau zwischen Raubergasse und Neutorgasse wird nicht einfach nur eine zentrale Erschließung zweier wichtiger Häuser geschaffen, sondern eine neue städtebauliche Situierung, die auch symbolisch wirksam sein wird.
„Raubergasse 10“, die älteste und noch immer privilegierte Adresse, war schon immer ein höchst unspektakulärer Zugang. Mit dem neuen Entree wird das Museum im architektonischen und sozialen Gefüge der Stadt aber auch in der ‚Museumslandschaft’ national und international neu positioniert werden.
 

Zur freien Entnahme (Texte im Museum 243)


Entrée 53


Wort / Ding



Porschekarma (Texte im Museum 242)

Porsche-Museum Stuttgart (GF 2011)

Dienstag, 29. November 2011

Das Mercedes-Museum in Stuttgart


Das Mercedes-Museum liegt direkt am Werksgelände in Stuttgart, das man von der S-Bahn kommend passiert. Linker Hand findet man den Eingang zur Konzernzentrale, linker Hand liegt das silberglänzende Bauwerk auf einer Art flachem Hügel, dahinter erstreckt sich Siedlungs- und Gewerbegebiet, Sportanlagen, das Stadion des Bundesligaklubs VfB.
Die Annäherung ans Museum erfolgt über Rampen oder Treppen, von welcher Seite auch immer, als eine ‚Elevation’, als eine besonders aufwändige Inszenierung jener Liminalität, die fast jedes Museum zwischen sich und dem umgebenden Raum inszeniert. 

Dieser besonders akzentuierten Annäherung und ostentativen Geste entspricht das Entree nicht. Der ‚Empfang’ ist dezent und funktionell, es gibt keine Großobjekte und erst auf den zweiten Blick bemerkt man die Bildprojektionen an den Betonwänden hoch über den Köpfen. Wohl gibt es – ein anderes und ‚klassisches’ Element schiere Bedeutung evozierender Museumsarchitektur -, einen monumentalen Empfangsraum, durch alle Geschosse reichend, und mit einer Art von ‚Kuppel’ gekrönt, die sowohl Licht einfallen lässt als auch das Firmenlogo, den Stern, paraphrasiert. Aber der graue und raue Sichtbeton erzeugt eine fast bunkerartige Atmosphäre – gar nicht so weit entfernt von Libeskinds ‚Voids’ im Berliner Jüdischen Museum.
Zudem gibt es vorerst nur bescheidene Einblicke in die Sammlungsgeschosse, in die Galerien, die man entlang gehen wird und die nur teilweise zum Zentrum hin geöffnet sind. Man sieht also vom Erdgeschoss aus noch wenig von der Sammlung.
Vielleicht ist alles einer dritten Etappe der Inszenierung des Annäherns und Betretens untergeordnet, denn es gibt keine sichtbare Erschließung, schon gar keine der Monumentalität des Zentralraums adäquate Treppe, man wird stattdessen in einen der drei ‚Lifte’ gebeten, entlang der Wände des hohen Raumes geräuschlos hochschießende Kapseln, die eher an Raum- als an Lift- oder gar Autofahrt erinnern.
Man soll den Rundgang von ganz oben beginnen, die Anlehnung des Konzepts an das Guggenheim-Museum Wrights ist offenkundig. Auf leicht abschüssigen Rampen wird man vom obersten Geschoß aus der Chronologie der Firmengeschichte von den Anfängen bis zu den neuesten Entwicklungen und Modellen folgen.
Wenn man einen Grundriss zur Hand nimmt, sieht man dass die Struktur des Gebäudes allerdings ungleich komplexer als die Guggenheim-‚Rotunde’ ist: drei ovaloide Formen schneiden sich wie ein Blütenblatt – eine ‚Umformung’ des Mercedes-Sterns -, wodurch sich im Zentrum die erwähnte Halle ergibt und ein Geflecht ineinander verschränkter Rampen, die aber sowohl einen ununterbrochenen ‚Abstieg’ erlauben als auch auf jedem Geschoß einen weiteren großen Ausstellungsraum anbieten, der die Chronologie unterbricht und mit der Fülle der Fahrzeugsammlung ergänzt. Diese ‚Sammlungsräume’ sind eigentlich ‚Sackgassen’, von denen aus man jeweils zur ‚Spirale’ der Ausstellungsrampe zurückkehren muss, außer man nimmt jene Treppen, die direkte Verbindungen herstellen.
Klingt kompliziert aber ist nicht schwierig zu benutzen. 

Zwischen den Ausstellungsteilen hat man jeweils ein Stück Rampe zu beschreiten, wo einen, ebenfalls chronologisch geordnet und einheitlich gestaltetete (jeweils ein Großfoto mit Text) Infos begleiten. Das sind historische Landmarks - das zweite Vatikanum, die Mondlandung, der Ausbruch des ersten Weltkriegs -, die nichts mit der Firmengeschichte, nicht einmal mit der Geschichte des Automobils oder Verkehrs zu tun haben, sondern so etwas wie ein Grobgerüst der zeitlich-historischen Orientierung bilden. Hier haben dann auch vereinzelt Information zur Firma ihren Platz, wobei das Mercedes-Museum – im auffallenden Unterschied zu anderen Automobilmuseen die ich kennengelernt habe, wie BMW in München, VW Autostadt in Wolfsburg oder Porschemuseum in Stuttgart -, die Beteiligung des Konzerns in der Rüstungsindustrie des NS-Systems, ihren Anteil an der Kriegsrüstung, die Ausnutzung von Zwangsarbeit in den Werken nicht nur nicht ‚verschwinden’ läßt, sondern relativ akzentuiert und ausführlich in den ‚Geschichtsverlauf’ einbettet.
Dass wohl alle Sparten an ‚Nutzfahrzeugen’ vorkommen, nicht aber der heutige Rüstungssektor von Mercedes, steht auf einem anderen Blatt. Mercedes ist größter Einzelanteilseigner der European Aeronautic Defence and Space Company N.V. (EADS), dem führenden Luft- und Raumfahrtkonzern und zweitgrößten Rüstungskonzern in Europa.

Wenn man also mit dem ‚Spaceshuttle’ ganz oben unterm Dach angekommen ist, befindet man sich nicht direkt im ersten Sammlungs- und Ausstellungsraum, sondern vor einem – Pferd. Ein netter Gag - wir steigen metaphorisch vom Pferd und wenden uns dem Automobil zu, dass das Pferd (als Transportmittel) ablösen wird, das aber Maß der Kraft des neuen Fahrzeugs bleiben wird. Bei so um die 1 PS bleiben wir auch bei den ersten Fahrzeugen, die wir zu sehen bekommen, bis die Kurve exponentiell nach oben schießt, und wir über 1,5, 8 und 40 PS dann auch bald die 100 km/h-Grenze hinter uns lassen.
Obwohl ich alles andere als ein Autofetischist bin, hat mich gerade der Auftakt sehr gefesselt. Hier fällt ja die Firmengeschichte mehr oder weniger mit der Geschichte des Automobils zusammen. Die beiden Bastel-Männer Benz und Daimler (deren Biografien gut dokumentiert sind, vor allem geben viele zeitgenössische Fotos ein Gefühl für das Pionierhafte wieder, mit allen seinen Facetten, z.B. das Familiäre der Ausfahrten der Firmengründer) haben unabhängig voneinander einen Benzinmotor erfunden und parallel diesen Motor in entgegengesetzter Weise eingesetzt (1926 wurde unterm Druck der Wirtschaftskrise fusioniert). Ausführlich gewürdigt wird auch der offenbar hochbegabte Ingenieur Maybach, der ja jüngst als Namenspatron einer Modellreihe wieder auftauchte.
Was zunächst ein wenig so aussah wie meine Pavoni-Espressomaschine (nur etwas größer) wurde einmal in eine Kutsche eingebaut ein andermal in eine Art Fahrrad mit drei großen Speichenrädern. Alles was beweglich schien, wurde Objekt des erfinderischen Anwendens. Mir gefallen an und für sich immer schon diese Frühzeiten von Erfindungen, dieses Probieren, Testen, Riskieren – wenngleich es beim Automobil weniger lebensgefährlich war als beim Flugzeug -, das Überschießen der Phantasie, die Offenheit und Neugier des Erfindens. So war es auch damals, denn diese mit ‚Stoff’ aus der Apotheke betriebene Gerät wurde in so gut wie alles eingebaut, was sich bewegen konnte oder sollte: Boote, fliegende Kisten (mehr war’s wirklich nicht), Kleinbahnen (z.B. für Freiluftausstellungen), Lastwagen, Omnibusse (erst in der Praxis stellte sich deren Untauglichkeit wegen der Straßenbeschaffenheit heraus, aber probieren darf man ja mal). Diese Entwicklung in mehreren Sparten gleichzeitig führte später auch zum berühmten Logo: der dreizackige Stern bezieht sich auf die Anwendung des Benzinmotors zu Lande, zu Wasser und in der Luft.

Aus der kuriosen Bastelei wurde rasch etwas Fahrtaugliches, aus dem Fahrtauglichen ein Fahrzeug, das in kleiner Serie produziert werden konnte, aus dem ‚Auto’, dem ‚selbstbewegenden’ Fahrzeug wurde ein Luxus- und ein Sportgerät, für dessen Erzeugung man Lizenzen vergeben und einen Markt aufbauen konnte. Einer der ersten Händler der Luxusfahrzeuge und Herrenfahrer, der, wenn er schon nicht reich war, mit den Luxusautos erst recht reich wurde, gab der Marke ihren unverwechselbaren Namen, nämlich denden seiner 11jährigen Tochter: Mercedes.  
Die Wanderung durch die Firmengeschichte und Fahrzeugentwicklung wird weiter abwechslungsreich bleiben und mit den späten 50er und den 60er-Jahrem erreicht sie dann auch meine Kindheitserinnerungen, die sagenhaften Sportwagen, die Rennautos, den 600er Pullmann, diese Staatskarosse, in der sich so manches Staatsoberhaupt (in der Tradition von Hitler und Adenauer, daran wird man auch erinnert) repräsentativ vor- oder vorbeifahren ließ.
Luxusware ist der Mercedes geblieben, wenngleich in Notzeiten, nach 1945 und angesichts der jüngeren periodischen Öl- und Finanzkrisen kleinere und – nur relativ – erschwinglichere Modelle auftauchen. Allerdings ist es ein Luxus mit demokratischem Einschlag, den jeder zu schätzen weiß, der in Österreich oder Deutschland ein Taxi besteigt (wenngleich das Monopol von Mercedes in diesem Sektor zu bröseln beginnt).
Je tiefer man ins Museum hinuntersteigt, je näher man der Gegenwart kommt, desto mehr spaltet sich die Schau in die Revue der begehrten Fetische einerseits und der technisch und ökologisch innovativen Experimente andrerseits. Zuunterst kommen die Sport- und Rennwagen, der legendäre Silberpfeil und das heutige Engagement im Formel I Rennsport.
Nicht nachvollziehbar war für mich, warum der Übergang zu den untersten Ebenen unvermutet seine architektonische ‚Sprache’ wechselt und ziemlich einsilbig wird: eine schmale frei im Raum hängende Treppe leitet einen genau auf ein eher billiges Cafe zu, die ganze Museumspracht schrumpft hier zu Speisengeruch und Selbstbedienung und erst ‚um die Ecke’ steht man dann vor den Top-Modellen der Gegenwart und Autozukunft.
Einen Stock tiefer darf man sich dann eleganter laben, den Shop besuchen, wenn man Gadgets sonder Zahl zur Auswahl braucht und, weiter rückwärts in der Halle, gibt’s das Altauto für Besitzer goldener Kreditkarten: tatsächlich, da ist ein ‚Gebrauchtwaren’-Markt für betagte Mercedesse eingerichtet, doch den Bereich sollte man erst mit mindestens 40.000.- Euro im Köfferchen betreten.
Die Präsentationstechniken des Museums sind angenehm zurückhaltend, das Material muss natürlich edel sein wie die Luxusmarke, die Acessoires der Ausstattung, wie etwa ein eher kurios billig aussehender Kristalluster, halten nicht immer dieses Niveau.
Die Objekte des Museums, die Automobile, sind wie Juwelen bestens ausgeleuchtet, vereinzelt und auf Hochglanz gebracht. Auch den ältesten Modellen sind fast keine Gebrauchsspuren anzusehen, wie es scheint, hat man auch versucht, möglichst immer Originalzustände herzustellen. Objekte, die wichtige Etappen der Entwicklung illustrieren sollen, aber nicht mehr verfügbar sind, werden als minutiöse Nachbauten - für einen Laien wohl von einem Original nicht zu unterscheiden - präsentiert. So werden die Automobile, einst Sportgeräte, Luxusgüter, Transportmittel zu Kunstwerken, zu ästhetischen Sensationen.
Nicht vergessen darf ich einen Ausstellungs’faden’, der ohne ersichtliche Chronologie oder Erzählverknüpfung in gesonderten kleinen Vitrinen über das Museum verteilt wird – „33 Extras“ (dazu gibt’s auch ein nettes kleines Büchlein). Eine glasverstöpselte Apothekerflasche, mit der man in der Frühzeit des Automobils ‚tankte’, einen Tachometer, ein erstes Verkehrszeichen (ganz schön bombastisch und sicher nicht zu übersehen), Bordwerkzeug und Straßenkarte. Das sind Ausrufungszeichen und zugleich Objekte, die eine kleine Kulturgeschichte der Automobilität in die Großerzählung einflechten. So erfährt man, daß unsere ‚Ordnung’ der Pedale, Kupplung, Bremse, Gas, aus der Regelungsnotwendigkeit militärischer Nutzung entstanden ist oder dass 1909 erstmals der Nachweis der Fahrtüchtigkeit notwendig wurde, das heißt der Besitz eines Führerscheins.
Die Zukunft des Automobils ist im Mercedes Museum natürlich der Mercedes: noch immer luxuriös aber kaum Kraftstoff verbrauchend, wahrscheinlich hybrid (Hybridantrieb hatte schon Ferdinand Porsche mit der Wiener Kutschenfirma Lohner erprobt) angetrieben, Emissionen nahe der Null-Marke ausstossend, passiv sicher wie nur sonst etwas. Zweifel angesichts der jüngsten ökonomischen Krise kommen hier (noch nicht) auf.






Aussterbende Art

Eben habe ich bemerkt, daß jemand auf meinem Blog nach den Ursachen des Aussterbens der Dinosaurier gesucht hat.
Hier die Antwort:

View of the Paleontology Hall (or Dinosaur Hall) in the National Museum of Natural History, ca. 1932. At the time of this picture the exhibit of fossil animals was called the "Hall of Extinct Monsters."