Sonntag, 16. September 2012
Freitag, 14. September 2012
Museumspolemik - das Darwineum in Rostock
In der heutigen TAZ darf man (hier) etwas sehr seltenes bestaunen: eine Museumskritik, und noch dazu eine polemische. Sie gilt dem eben eröffneten Darwineum in Rostock, das eine Mixtur aus Museum und Zoo ist. Colin Goldner läßt an beidem kein gutes Haar, nicht am Museum, mit seiner "Vielzahl an Schautafeln und musealen Staubfängervitrinen, die tatsächlich zu allem anderen taugen, als 'die Geburt des Universums bestaunen, explodierende Sterne sehen und die Entstehung der Erde erleben' zu können" und nicht am Zoo, wo die "Frage, ob es ethisch überhaupt noch vertretbar ist, Menschenaffen in Zoos gefangen zu halten, wird im Darwineum nicht gestellt" werde. Das alles sei so spannend "wie ein Yps-Heftchen der 70er-Jahre" und "der prinzipiell aufklärerische Wert des Darwineums wird allein dadurch (durch die Haltung von Menschenaffen) in sein Gegenteil verkehrt: der Mensch wird nicht als Teil der Evolution dargestellt, sondern – wie Religionen jeder Art dies seit je verkünden – als gottgleiche 'Krone der Schöpfung', befugt, mit Tieren zu verfahren, wie es ihm beliebt."
Samstag, 8. September 2012
Ein Museum: Fiji-Museum, Suva
Located in the heart of Suva's botanical gardens, the Fiji Museum holds a remarkable collection which includes archaeological material dating back 3,700 years and cultural objects representing both Fiji's indigenous inhabitants and other communities that have settled in the island group over the past 100 years. (Webseite)
Dienstag, 4. September 2012
Soll das Konzentrationslager Buchenwald kulturelles Welterbe werden?
Die Stadt Weimar bemüht sich, unterstützt vom Leiter der Gedenkstätte, das ehemalige Konzentrationslager Buchenwald als Weltkulturerbe anerkennen zu lassen. Es wäre das erste Mal, daß ein Ort massenhafter Verbrechen in den Rang eines Weltkulturerbes erhoben würde.
Es gibt auch Gegenstimmen. Orte des Verbrechens könnten und dürften niemals eine solche Anerkennung finden, denn Verbrechen solchen Ausmaßes seien "nicht Kultur".
Das ist eine riskante Argumentation, weil sie darauf hinausläuft, Gewalt und Verbrechen aus dem Kulturbegriff auszuschließen. Unterschlagen würde damit eine Dialektik, von der das Konzept des Welterbes selbst zehrt: alles was an dieser kulturellen Überlieferung von Barbarei kontaminiert ist, wird durch seine Kulturalisiserung verdrängt und gleichsam unsichtbar.
Eine unter Schutz gestellte Stahlfabrik sollen wir als Kathedrale der Industrialisierung und nicht als Ort entfremdender Arbeitsbedingungen und etwa Produktion von Rüstungsgütern wahrnehmen. Die Fragen nach den Quellen des Reichtums und der Macht, die einem indischen Mogul die Errichtung eines märchenhaftes Mausoleums (Taj Mahal) erlaubt, soll nicht gestellt werden.
Genau diese Kulturalisierung der Barbarei ist aber ein Effekt der Unterschutzstellung im Namen eines sogenannten Welterbes. Es soll ein Kanon global gültiger kultureller Werte geschaffen werden, der eine positive (vor allem ästhetische) Anerkennung erheischt. Und das durchaus im Sinne des Konzepts der Sehenswürdigkeit, deren Wert und Bedeutung schon vorab postuliert und verbrieft ist und somit jedem sich immer wieder erneuernden Diskurs entzogen, der diese Bedeutung befragen und infragestellen könnte.
Die Verantwortlichen der Stadt Weimar und der Leiter der Gedenkstätte betonen, daß es genau um diese Dialektik von Hochkultur (Stadt) und Verbrechen (Lager) ginge. Machte man Ernst damit, machte es nur Sinn, wenn es Konsequenzen für das - vielfach problematische - Konzept des Welterbes hätte. Aber in dessen Praxis ist eine reflexive Problematisierung des kulturellen Erbes nicht vorgesehen.
Und: So fragwürdig die Attitude ist, mit der sich eine hand voll von Kulturbürokraten zum globalen Erblasser ernennt, so fragwürdig wäre der Effekt, der nun auch ein in Deutschland liegendes NS-Konzentrationslager einem globalen Erben überantwortet und damit auch die Frage nach Schuld und Verantwortung verschieben würde.
Es gibt auch Gegenstimmen. Orte des Verbrechens könnten und dürften niemals eine solche Anerkennung finden, denn Verbrechen solchen Ausmaßes seien "nicht Kultur".
Buchenwald, ehemaliges Barackengelände. Foto GF |
Eine unter Schutz gestellte Stahlfabrik sollen wir als Kathedrale der Industrialisierung und nicht als Ort entfremdender Arbeitsbedingungen und etwa Produktion von Rüstungsgütern wahrnehmen. Die Fragen nach den Quellen des Reichtums und der Macht, die einem indischen Mogul die Errichtung eines märchenhaftes Mausoleums (Taj Mahal) erlaubt, soll nicht gestellt werden.
Genau diese Kulturalisierung der Barbarei ist aber ein Effekt der Unterschutzstellung im Namen eines sogenannten Welterbes. Es soll ein Kanon global gültiger kultureller Werte geschaffen werden, der eine positive (vor allem ästhetische) Anerkennung erheischt. Und das durchaus im Sinne des Konzepts der Sehenswürdigkeit, deren Wert und Bedeutung schon vorab postuliert und verbrieft ist und somit jedem sich immer wieder erneuernden Diskurs entzogen, der diese Bedeutung befragen und infragestellen könnte.
Die Verantwortlichen der Stadt Weimar und der Leiter der Gedenkstätte betonen, daß es genau um diese Dialektik von Hochkultur (Stadt) und Verbrechen (Lager) ginge. Machte man Ernst damit, machte es nur Sinn, wenn es Konsequenzen für das - vielfach problematische - Konzept des Welterbes hätte. Aber in dessen Praxis ist eine reflexive Problematisierung des kulturellen Erbes nicht vorgesehen.
Und: So fragwürdig die Attitude ist, mit der sich eine hand voll von Kulturbürokraten zum globalen Erblasser ernennt, so fragwürdig wäre der Effekt, der nun auch ein in Deutschland liegendes NS-Konzentrationslager einem globalen Erben überantwortet und damit auch die Frage nach Schuld und Verantwortung verschieben würde.
Sonntag, 2. September 2012
Ein Museums(nicht)liebhaber (Das Museum lesen 28)
Ich
liebe Museen nicht sonderlich. Es gibt viele, die man bewundern kann,
es gibt keines, das einem Wonnen schenkte. Was an Vorstellungen über
Ein- und Zuord-nung, Erhaltung und Nutzen für die Allgemeinheit umläuft,
ist richtig und einleuchtend, hat aber mit Spendung von Wonnen wenig zu
tun.
|
Freitag, 31. August 2012
Haus der Geschichte. Frankreich. Österreich
Nationale Historische Museen sind Versuche, den politischen Zugriff auf die Vergangenheit zu ermöglichen, in einer großen Meistererzählung, die sich der herrschenden politischen Ideologie fügt. Auch wenn es nur bescheiden "Haus der Geschichte" hieß, das französische Projekt stammte direkt aus dem weit nach rechts ausholenden Wahlkampf Nikolas Sarkozys, in dem ihm Frankreichs nationale Identität sogar ein eigenes Ministerium Wert war.
Trotz massiven Widerstandes vieler und namhafter Historiker hätte das Projekt bei der Wiederwahl Sarkozys wohl eine Chance zur Verwirklichung gehabt - in der nun schon langen Tradition, mit der sich Französische Präsidenten mit Museumsbauten Denkmäler setzen. Als vorbildlich stellte man das Deutsche Historische Museum hin, eine andere patrimoniale politische Gründung, von Helmut Kohl betrieben und durchgesetzt.
Nun ist das Projekt definitiv beerdigt worden. Der neue Präsident verfolgt es nicht weiter. Man wird sich mit einer Vernetzung der ohnehin zahlreich existierenden Museen begnügen.
Das österreichische Projekt eines "Hauses der Geschichte" ist noch nicht offiziell beerdigt. Das geht in Österreich anders. Irgendwo, in einer Schublade, liegt wohl das Konzept, aber derzeit ist kein Politiker in Sicht, der sich hinter diese Idee stellt und der Staat wird derzeit, auch angesichts der klammen Mittel für die Bundesmuseen, kaum Geld für ein so großes Projekt lockermachen.
Unter der Regierung Schüssel, wo konservative Geschichtspolitik via Ausstellungen betrieben wurde, war das noch anders. Auch hier reagierten die Historiker ablehnend. Aber auch da ist Österreich anders. An den 'nationalen' Geschichtsausstellungen beteiligte sie sich sehr wohl und beim Protest hatte man gelegentlich den Eindruck, es ging nicht nur um Ablehnung, sondern darum, die Deutungshoheit in die Hand zu bekommen.
Dabei gilt für Österreich dasselbe wie für Frankreich, nämlich das, was dort im Zentrum der Kritik und der jüngsten Beendigung des Projekts stand: es gibt kein einheitliches Narrativ, in dem sich die Geschichte einer Nation fassen ließe. Und niemand ist interessiert, sich die Konflikte anzutun, die die Konzeption und Errichtung so eines "Hauses" zwangsläufig mit sich brächte.
Trotz massiven Widerstandes vieler und namhafter Historiker hätte das Projekt bei der Wiederwahl Sarkozys wohl eine Chance zur Verwirklichung gehabt - in der nun schon langen Tradition, mit der sich Französische Präsidenten mit Museumsbauten Denkmäler setzen. Als vorbildlich stellte man das Deutsche Historische Museum hin, eine andere patrimoniale politische Gründung, von Helmut Kohl betrieben und durchgesetzt.
Nun ist das Projekt definitiv beerdigt worden. Der neue Präsident verfolgt es nicht weiter. Man wird sich mit einer Vernetzung der ohnehin zahlreich existierenden Museen begnügen.
Das österreichische Projekt eines "Hauses der Geschichte" ist noch nicht offiziell beerdigt. Das geht in Österreich anders. Irgendwo, in einer Schublade, liegt wohl das Konzept, aber derzeit ist kein Politiker in Sicht, der sich hinter diese Idee stellt und der Staat wird derzeit, auch angesichts der klammen Mittel für die Bundesmuseen, kaum Geld für ein so großes Projekt lockermachen.
Unter der Regierung Schüssel, wo konservative Geschichtspolitik via Ausstellungen betrieben wurde, war das noch anders. Auch hier reagierten die Historiker ablehnend. Aber auch da ist Österreich anders. An den 'nationalen' Geschichtsausstellungen beteiligte sie sich sehr wohl und beim Protest hatte man gelegentlich den Eindruck, es ging nicht nur um Ablehnung, sondern darum, die Deutungshoheit in die Hand zu bekommen.
Dabei gilt für Österreich dasselbe wie für Frankreich, nämlich das, was dort im Zentrum der Kritik und der jüngsten Beendigung des Projekts stand: es gibt kein einheitliches Narrativ, in dem sich die Geschichte einer Nation fassen ließe. Und niemand ist interessiert, sich die Konflikte anzutun, die die Konzeption und Errichtung so eines "Hauses" zwangsläufig mit sich brächte.
Donnerstag, 30. August 2012
Ein Museum: Tsunami-Museum. Hilo/Hawai
Pacific Tsunami Museum is a museum in Hilo, Hawaii dedicated to the history of the April 1, 1946 Pacific tsunami and the May 23, 1960 Chilean tsunami which devastated much of the east coast of the Big Island, especially Hilo.
The museum also has a mission to educate people in general about tsunamis, including the 2004 Indian Ocean earthquake and tsunami. It is located at 130 Kamehameha Avenue, Hilo.
Vom Ding zum Exponat (Das Museum lesen)
"Die Abfolge: Ding, Abfallprodukt,
Zeichen mit Symbolcharakter wird von der Mehrheit der Gegenstände durchlaufen,
aus denen sich das kulturelle Erbe zusammensetzt. Aber nur von der Mehrheit,
nicht von allen. In einigen Fällen hat man nämlich am Anfang nicht ein
Artefakt, sondern ein Naturobjekt; das gilt für Fossilien, Wälder, Naturparks,
geschützte Arten von Tieren und Pflanzen usw. Zudem gibt es Artefakte, die
schon immer Zeichen mit Symbolcharakter waren: Gemälde, Zeichnungen, Stiche,
Skulpturen, Münzen, liturgische Gegenstände, gedruckte Bücher oder Manuskripte,
Inschriften, Gebäude, Kleider und, im allgemeinen, alle die Artefakte, die
nicht wegen ihres Gebrauchswertes allein hergestellt wurden, sondern gedacht
waren auch als Augenweide und als Verweis auf Unsichtbares. Im Gegensatz zu den
Dingen, die zu Zeichen mit Symbolcharakter geworden sind, wechseln diese
Objekte im Laufe ihrer Geschichte nicht die Kategorie. Aber Zweck und Bedeutung
auch dieser Objekte ändern sich. Ein Dekorelement oder ein religiöses
Kultobjekt haben, einmal im Museum angelangt, einen besonderen Zweck, der von
ihrem ursprünglichen verschieden ist. Um sich davon zu überzeugen, betrachte
man nur ein Bild. Ein Bild hängt nicht in einem Museum, um die Wände zu
schmücken, im Gegenteil, die Wände wurden errichtet, um das Bild ausstellen zu
können. Und ein religiöses Kultobjekt wird in einem Museum weder zu Gebeten
noch zu Spenden anregen; es ist entweder ein historisches Zeugnis früherer
Gläubigkeit oder ein Kunstwerk, an dem man das Material oder die künstlerische
Ausführung oder beides bewundern kann. Genauso bezeugt ein Adelspalast, einmal
zum historischen Bauwerk geworden, nicht mehr den Platz seines Besitzers in der
Adelshierarchie. Vergleicht man ihn aber mit anderen Palästen derselben Epoche,
so zeigt er, wie die Architektur damals Unterschiede des sozialen Status zum
Ausdruck brachte. Somit weckt er Fragen und Reaktionen, die verschieden sind
von denen, die seine ursprüngliche Funktion hervorrief.
Die Bildung des kulturellen Erbes
besteht also in der Umwandlung von gewissen Abfallprodukten in Zeichen mit
Symbolcharakter (analog dazu die Umwandlung von gewissen Naturobjekten) und in
einer Zweck und Bedeutungsänderung von Zeichen mit Symbolcharakter. Die Auswahl
der für das kulturelle Erbe würdig befundenen Objekte hängt ab von ihrer
Fähigkeit, eine neue Sinnstiftung zuzulassen, die hauptsächlich an ihre
Vorgeschichte, ihre Rarität gebunden ist. Sind sie aber einmal zu Zeichen mit
Symbolcharakter geworden, dann wird ihnen ein spezieller Schutz zuteil, der sie
vor zerstörenden Einflüssen von Mensch und Umwelt schützt."
Krzystof
Pomian
Mittwoch, 29. August 2012
Inner meaning (Das Museum lesen 27)
-->
„Art and museum culture is the secular religion
of capitalism.
It provides a space for inner meaning in an otherwise
spiritually empty world.“
Gregory Sholette
Das "globale Museum"
1
Das wäre eine schöne Frage für Günther Jauchs „Wer wird
Millionär“, eine die die letzte Hürde vor der Million sein müsste: In welchem
der folgenden vier Länder gibt es kein Museum? Ist das A) Tibet B) Monaco C)
Tuvalu D) Eritrea.
Wer glaubt, daß Monaco nur aus Casino, Formel I und
Fürstenpaar besteht, irrt, da gibt es ein Museum, ein berühmtes sogar, das
ozeanografische. Alle europäischen Kleinstaaten, also auch alle europäischen
Staaten haben Museen. (Mit dem Kuriosum des kleinsten Staates, in dem sich eins
der weltweit ältesten, bedeutendsten und größten Museen befindet - der
Vatikan).
Tibet hätte bis vor einigen Jahren wohl gestimmt, in der
traditionellen tibetischen Kultur kann man sich keinen Platz für eine solche
Institution vorstellen. Aber diese Kultur ist dabei, durch die von China seiner
autonomen Region verordneten Modernisierung langsam überlagert und verdrängt zu
werden. Dazu gehört nicht nur der Ausbau des Bildungswesens, der Straßenbau,
die technische Meisterleistung einer Bahnlinie nach Lhasa, sondern auch ein
Museum in der Hauptstadt.
Eritrea? Man könnte wohl auf mehr als nur einen jener
afrikanischen Staaten als ‚museumslos’ verfallen, deren politische und
gesellschaftliche Kohärenz so fragil ist, daß man sich eine so sehr auf
langfristige Pflege und Alimentierung angewiesene Institution wie ein Museum
nicht vorstellen kann. Eritrea ist aber auch falsch.
Richtig ist Tuvalu, der viertkleinste Staat der Erde mit der
drittkleinsten Bevölkerung. Tuvalu ist ein Inselstaat im Stillen Ozean mit
grade mal etwas über 10.000 Einwohnern und erst seit 1978 ein souveräner Staat.
Übrigens einer, der von seiner Umwelt, dem Meer und seinem Ansteigen, als
derart bedroht gilt, daß die Einwohner ernsthaft die kollektive Auswanderung
nach Neuseeland und Australien erwogen haben, und, wie ich grade lese, wiederum
erwägen. Da braucht man nicht unbedingt ein Museum (das es hingegen in allen
anderen Insel-Kleinstaaten in den großen Ozeanen gibt).
2
Ich glaube nicht, daß diese Frage in einem Fernsehquiz fair
wäre. Wer soll so etwas wissen, wer hat sich eine solche Frage je gestellt?
Mich hat der Ehrgeiz, das nachzuprüfen auch erst gepackt,
als meine Unterlagen (Reste, Brösel, Abfall aus diversen Recherchen) sich so
verdichteten, daß ich dachte, es sei einfach, die Verbreitung von Museen
weltweit zu evaluieren. Von den 194 derzeit in der UNO vertretenen Staaten der
Welt (und sehr viel mehr Staaten gibt es nicht und das sind dann meist solche
mit einem fraglichen, umstrittenen Status) können wir ja von so viele auf
Anhieb ausschließen, daß der ‚Rest’ doch leicht zu überprüfen sein müsste.
Dachte ich jedenfalls.
Eine viel zu lange dauernde Grippe, während der man zu
intelligenterer Tätigkeit ohnehin kaum fähig ist, habe ich genutzt, um das
Internet heißlaufen zu lassen. Und da zeigten sich dann beträchtliche
Schwierigkeiten, denn an globalen Daten fehlt es oder sie sind, wie bei
Wikipedia, extrem schlampig und unzuverlässig. Wenn man nicht auf
Museumsverbände stößt wie es sie für Afrika (mit bescheidenen Daten) gibt oder
die Pazifischen Inseln, dann muß man jedem Einzelfall nachgehen.
Das Suchen und Recherchieren war übrigens ganz und gar nicht
uninteressant, weil man auf Museen stößt, die interessante Konzepte verfolgen
oder in ungewöhnlichen politischen oder kulturellen Kontexten existieren, fern
von dem, was wir möglichweise als „europäische Norm“ im Kopf haben.
Die Antwort auf die Frage, „gibt es Staaten, die kein Museum
haben?“ hat mich selbst ziemlich verblüfft. Die Antwort lautet: unter den etwa 194
Staaten (die Zahl schwankt ja durch Separation, Anerkennung, Dekolonisierung,
unterschiedliche Beurteilung der Selbständigkeit usw. laufend) konnte ich außer
Tuvalu nur noch ein einziges weiteres Land identifizieren, das kein Museum hat:
Dschibuti. Also ein afrikanisches Land mit einer langen
Kolonialisierungsgeschichte und einer aktuell politisch und ökonomisch
depressiven Situation. Dabei bin ich mir in diesem Fall nicht mal restlos
sicher, denn ich bin dort auf Spuren eines möglichweise aus der französischen
Kolonialzeit stammenden Museum gestoßen, konnte aber nicht verifizieren, ob es
noch existiert.
Die richtige Antwort auf die Quizfrage lautet also „Tuvalu“
und: möglicherweise gibt es nur ein einziges Land weltweit, in dem es kein
Museum gibt (und wenn Tuvalu tatsächlich, wie seine Bewohner befürchten, vom
Meer verschluckt wird, ja dann...).
3
Ja, und? Was wissen wir jetzt? - Ich denke, es ist nicht
trivial, festzustellen daß eine kulturelle Praxis und Institution sich weltweit
verbreitet und durchgesetzt hat, und das offenbar unabhängig von der
politischen, ideologischen, religiösen und sozialen Verfasstheit und des
jeweiligen staatlichen und gesellschaftlichen Status. Von welcher anderen
(einigermaßen vergleichbaren) Institution (Bibliothek, Konzerthäusern und
Orchestern, Theater, Archiv, Oper usw.) kann man das gleichermaßen sagen?
Dabei sieht es ganz so aus, als würde sich das Museum
unterschiedlichsten Konstellationen anpassen können, ohne seine konzeptuelle
Identität aufgeben zu müssen. Das Museum ist ein Modell, ein Schema, mit einer
Reihe von Eigenschaften und Funktionen, die in ihrem Zusammenspiel seine
gesellschaftliche Rolle ausmachen. Dazu gehört die im allgemeinen Interesse
bewahrte Sammlung, die vermittelt (ausgestellt) wird und daher allgemein
zugänglich sein sollte, um jedermann Wissen, Bildung, Erfahrungen zu
ermöglichen, die aber so etwas wie das bewahrenswerte kulturelle Erbe bildet,
das kollektive Identität stiften soll. Dieser funktionelle Kern läßt sich so
gut wie überall ausmachen.
Ich traue mir das Urteil zu, daß das Museum global
ideologisch und medial ziemlich uniform ist und daß es, von Einzelfällen
abgesehen, keine wirklich alternativen regionalen Museumsentwicklungen gibt.
Sicher, es gibt Staaten, wo Museen eine herausgehobene gesellschaftspolitische
Rolle haben. Wie etwa in Südafrika, wo es eine Reihe von innovativen Museen
gibt, die die konfliktreiche Geschichte und Gegenwart des Landes thematisieren.
Oder Israel, dessen zentrale Museen stark am nation building des jungen Staates
beteiligt waren und sind und die für die Gesellschaft zentrale Erinnerung an
die Shoah aufrechthalten.
Daß Museen weltweit ideologisch und konzeptionell einem
Schema folgen, bedeutet ganz und gar nicht, daß es nicht eine gegen unendlich
gehende Variabilität im Einzelfall gibt, die der Architektur, dem Standort, der
Trägerschaft, dem Thema, der Sammlung, dem Vermittlungskonzept, der Einbindung
in eine spezielle Community und vielem anderem geschuldet sein kann.
So wie „Kopfbedeckungen“ eine geradezu unabschließbare
Variabilität hinsichtlich Form, Ästhetik, Symbolik oder Funktion haben (der Zylinder,
der Stahlhelmelm, das Kopftuch, die Tiara, der Strohhut, die Schirmkappe, die
Pelzmütze, der Turban...), obwohl doch der menschliche Kopf innerhalb einer geringen
Bandbreite ein- und dieselbe ‚Grundlage’ für die Applikation einer ‚Bedeckung’
bietet, so scheint es mir auch bei Museen zu sein.
Das Konzept oder Schema ‚Museum’ kann unter spezifischen
Bedingungen höchst unterschiedlich ausformulierbar sein. Architektonisch-städtebauliche,
ästhetische, gesellschaftspolitische, funktionelle oder symbolische Funktionen
variieren und mischen sich in immer neuen und manchmal sehr überraschender
Weise.
Das macht das Museum - und die Beschäftigung - mit ihm
kurzweilig.
4
Wenn ich die Erfahrungen meiner Beschäftigung mit dem Museum
und der Recherche zum „globalen Museum“ als Maßstab nehme, dann lassen sich
zwei Anforderungen an Museen besonders häufig ausmachen: da ist einmal die
Hoffnung, daß das Museum gesellschaftliche Integrität und Identität, wenn schon
nicht herstellen so wenigstens repräsentieren kann (Nationalmuseen gibt es auch
in den allerkleinsten Staaten und postkoloniale Staaten oder etwa Staaten, die
aus dem Zerfall der Sowjetunion und des kommunistischen Regimes hervorgegangen
sind, schreiben Museen eine besondere Rolle zu).
Und da gibt es zweitens die Hoffnung, daß das „kulturelle
Erbe“ im Museum dauerhaft bewahrt und gepflegt werden kann. Beide Aspekte
gehören zum Kern der europäischen Museumsidee der Aufklärung. Aber ist es nicht
fragwürdig, daß ein einziges Konzept, die Vielfalt der rituellen, memorialen,
ästhetischen und sozialen Praktiken, die den gesellschaftlichen Zusammenhalt
einmal geleistet haben, zu ersetzen beginnt – überall? (mit Unterstützung von
Organisationen wie ICOM).
Es bleibt ein Unbehagen, oder die Frage, warum das ‚Konzept
Museum’ möglicherweise nicht einfach nur stabil sondern möglicherweise auch so starr
erscheint. Wäre es denn nicht wünschenswert, daß es sich in unterschiedlichen
Situationen neu konfigurieren kann? Ist es nicht problematisch, wenn sich ein
kulturelles Muster buchstäblich weltweit alternativlos durchsetzt?
Alternativlos? Ich bin nicht sicher. Wie wir wissen besitzt
das Museum definitorisch eine beachtliche Randunschärfe. Sehr zum Ärger jener Institutionen
und Interessenvertretung, die innerhalb ihrer Organisationslogik (und weniger
um des Museums willen) eine möglichst einfache Definition benötigen. Denn diese
entscheidet ja über Zugehörigkeit oder Ausgeschlossensein (aus der
Organisation).
Gerade ‚an den Rändern’ findet sich aber das Neue,
Innovative, Zukunftweisende, das möglicherweise nicht nur quantitativ
unterschätzt wird, sondern auch durch das Bemühen um definitorische
‚Sauberkeit’ (ICOM) möglicherweise vorschnell exkludiert bleibt.
5
Die „Idee Museum“ hat sich global durchgesetzt? So
statistisch, wie ich das hier vorführe, verfälscht dieser Satz die Tatsachen.
Die Verteilung der Museen weltweit – die einzige Zahl die ich kenne ist an die
15, 20 Jahre alt und da werden 60.000 Museen genannt -, ordnet sich entlang der
politisch-wirtschaftlich dominierenden Staaten und Großregionen: USA, Europa,
Japan, Australien, in jüngerer Zeit in Ostasien - mit der chinesischen
Museumspolitik von 1000 Museums-Gründungen in 10 Jahren. (Ich kenne keine
brauchbare Studie, die diese Ungleichverteilung abbildet).
Diesen Großregionen sind praktisch alle Museen zuzuordnen,
die als weltweit führend, das kulturelle Erbe repräsentierend und schützend
gelten. Dort befinden sich die Museen, die den Museumsdiskurs bestimmen, die
mit der größten medialen Attraktivität und den höchsten Besuchszahlen.
In jeder Hinsicht ist Afrika das Schlußlicht. Nahezu alle
seine einzelnen Staaten bilden in den einschlägigen Wirtschaftsstatistiken die
lange Schlußkolonne. Die große Ausnahme ist das schon früh industrialisierte
und wirtschaftlich prosperierende Südafrika. Die etwa dreihundert Museen, die
es dort gibt, übertreffen die Zahl der Museen im gesamten restlichen Kontinent.
Mein handgestrickter Versuch, mir ein „Bild“ von der
globalen Situation der Museen zu verschaffen, hat mir viele Überraschungen
beschert und den eurozentrierten Blick, den „wir“ haben, gelegentlich kräftig
abgelenkt.
Ich glaube, daß hier ein weites Feld für Forschung und
Recherche brachliegt, etwa für komparatistische Studien, für nationale
Museumspolitiken, für historische Entwicklungen und vieles andere mehr.
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