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Mittwoch, 12. Juni 2013

Zlatorog oder wie ich beim Recherchieren auf Abwege gerate...

Als ich gemeinsam mit Freunden vor Jahren im Auftrag des Österreichischen Alpenvereins an der Ausstellung "Berge - Eine unverständliche Leidenschaft" arbeitete, beschäftigte uns ein merkwürdiges, ja sogar befremdendes Gemälde aus der Sammlung des AV. Es zeigte einen weißen, weinenden (sic!) Gemsbock vor einer Berglandschaft, aus dessen Wunde Blut fließt, das wiederum eine rote Pflanze emporwachsen läßt.

Martin Scharfe, der an der Ausstellung mitgearbeitet hat, widmet dem Zlatorogbild in seinem Buch "Bilder aus den Aplpen" eine knappe Analyse: 1877 hatte der Schriftsteller Rudolf Baumbach ein umfangreiches Gedicht "Zlatorog. Eine Alpensage" veröffentlicht. Darin ist von jenem "heiligen Tier" die Rede, das wir auf em von Karl Huck gemalten Bild von 1923 vor uns haben, das Tier, das bei Strafe des eigenen Todes nicht erlegt werden darf. Wer gegen das Tabu verstößt, stürzt in die Tiefe oder wird vom (was auf dem Gemälde "ungesagt" bleibt) Tier selbst getötet.

Gestern ist er mir wieder begegnet. Der Zlatorog. Beim Recherchieren zum Salzburger Haus der Natur. Und zwar in einer Publikation von 1930 "Das neue Museum für darstellende und angewandte Naturkunde in Salzburg", an der die vielen Fotografien bemerkenswert sind, die ein frühes Stadium der Entwicklung des heutigen Hauses der Natur dokumentieren.
Da war er wieder, der heilige weiße Gemsbock. Ausgestopft und umfangreich mit Texten kommentiert. Also als "historisches" und nicht legendhaftes Tier. Und: Vom Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand im Blühnbachtal (das man in Salzburg findet) am 27. August 1913 getötet. Ja, genau der Franz Ferdinand, der nicht einmal ein Jahr nach seinem Jagdfrevel tot war. Zunächst dachte ich, daß das Haus der Natur da Mythos und Geschichte vermengt hat, wie es das seit seiner Gründung in verschiedenen Abteilungen zur Jagd oder direkt zu Sage und Märchen ja getan hat. Aber der hstorische Schuß des Thronfolgers fiel wirklich

Den ultimativen und emprisch abgestützten Beweis für die Wirkmacht der legendhaften Überlieferung bietet uns das Schicksal eines Waid- und Staatsmannes, der die Jagdmordlust von Franz Ferdinand womöglich weit übertroffen hat: Nicolae Ceauşescu. Ich zitiere ausführlich aus der Zusammenfassunbg einer historischen Forschung zu Ceauşescu dem Jäger (Siebenbürgische Zeitung vom 7. Februar 2010):

"Es ist kaum anzunehmen, dass in der Geschichte der Menschheit je ein anderes Individuum innerhalb von 24 Jahren rund 3 900 Bären getötet hat, wie die rumänische Jagdzeitschrift „Diana“ (Nr. 1/1990) meldete. Der dringendste Wunsch Ceauşescus war indes, alle „Weltrekorde“ bei den Hochwildarten der Karpaten Rumäniens zu brechen. Dieses Vorhaben ist ihm beinahe gelungen. (...) Es sei erwähnt, dass Ceauşescu aus dem Drang heraus, den vom Kronstädter Weidmann Hessheimer 1934 erlegten weltstärksten Gamsbock zu überbieten, sogar die Autohochstraße „Transfăgărăşan“ bauen ließ, um in das hochgelegene Gämsenrevier „Cumpăna“ zu gelangen. Da der Weltrekord auf sich warten ließ, ersann er eine unweidmännische Jagdmethode: Dank dieser erlegte der Diktator im Januar 1989 in Gegenwart seiner Frau Elena aus der Gondel der Drahtseilbahn im Revier Buşteni (Butschetsch-Gebirge) 66 Stück Gamswild, darunter zwei Albinos. Die alten, erfahrenen Gebirgsjäger, die einst Könige und Kaiser auf Bär- und Gamswild in den Karpaten führten, prophezeiten das Ende des Jägers innerhalb eines Jahres. Und sie hatten Recht! Nach elf Monaten, am 25. Dezember 1989, wurde das Ehepaar Ceauşescu von einem Militärgericht zum Tode verurteilt und danach erschossen.

In den uralten Märchen und Sagen Südost-Europas und des östlichen Alpenraumes rankt sich so manche Legende um den weißen Gamsbock. Der Aberglaube der Jäger und Hirten will es wissen: Wer es wagt, den weißen Bock zu erlegen, ist in Jahresfrist ein toter Mann. Dieser Aberglaube fand neue Nahrung, als Kronprinz Rudolf von Österreich, der eine weiße Gams schoss, innerhalb eines Jahres in Mayerling 1889 (genau 100 Jahre vor Ceauşescus Tod!) tragisch aus dem Leben schied.
Der Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand erlegte am 27. August 1913 eine weiße Gämse und wurde innerhalb der in der Sage bekannten Frist am 28. Juni 1914 in Sarajevo ermordet. Der Anlass für den Ersten Weltkrieg war gegeben! Inzwischen wissen es die Karpatenjäger nun mit höchster Gewissheit: Die Sage stimmt, denn sie wurde durch den gewaltsamen Tod Ceauşescus bestätigt. Die rumänische Jägerschaft hätte dem „größten Jäger aller Zeiten“ (wie Ceauşescu sich gern selbst titulierte) dieses Weidmannsheil schon zu Beginn seiner „Polit-Ära“ gewünscht, wie einer rumänischen Jagdzeitschrift 1990 zu entnehmen ist. Der „Zlatorog“, wie der weiße Gamsbock im Aberglauben der Jäger Südosteuropas heißt, ist mit dem Palladion (Verleiher von Schutz in der griechischen Sage) des weißen Königsmantels gefeit, ist also ein Schützling der Berggeister und Bergfeen. Auch der Teufel zeigt sich bisweilen in der Gestalt des weißen Bockes mit goldenen Hörnern, ist also ein „Satanstier“."

Die Auflösung der Fotos im Salzburger Museumskatalog erlaubt nicht, den umfangreichen Text, der die Albino-Gemse (die sich ja vielleicht im Depot des Museums erhalten hat?) zu entziffern. Man kann nur so viel erkennen, daß dort auch der herrscherliche Jagdeifer mit dem Ausbruch des Weltkeiegs in Zusammenhang gebarcht wurde.
Jetzt verstehe ich, warum die Unterschrift zum bild lautet: "Der 'Zlatorog' der Weltgeschichte"...


Die Revision, die Enthmythologisierung vollzieht sich nicht im frontal artikulierten Widerspruch, nicht in der Anstrengung der rationalen Aufklärung. Sie vollzieht sich unauffällig als Unterminierung, als ironische Auflösung.
Zlatorog ist heute - ein slowenisches Bier...

Dienstag, 9. April 2013

Fröhliche Wissenschaft

Eine äußerst kurzweilige Auffassung von kuratorialer Museumsforschung trägt Kees Moeliker vom Rotterdamer Naturmuseum vor - eine Zusammenfassung seiner Forschungen über Vögel, die gegen Glas fliegen und sehr seltsame Sachen machen ...

Hier der Link: http://video.ted.com/talk/podcast/2013/None/KeesMoeliker_2013.mp4

Montag, 18. März 2013

Das vollendete Universalmuseum

Vor wenigen Tagen wurde das Naturkundemuseum des Universalmuseum Joanneum wiedereröffnet. Mit der Neuaufstellung einer der ältesten Abteilungen des Landesmuseums wurde der letzte Schritt gemacht, der mit dem organisatorischen und rechtlichen Revirement 2003 begonnen hat und nach und nach fast alle wesentlichen Sammlungen und Abteilungen umfasste.
Ursprünglich sollte das Naturkundemuseum mit dem Jubiläum von 2011 und der Eröffnung des sogenannten Joanneumsviertels erfolgen, aber die von der Landesregierung eingeforderten Einsparungen haben die Eröffnung verzögert. Nun gibt es also die jüngste der erneuerten Kernsammlungen wieder zu sehen und damit wird auch der erste Standort des Museums Raubergasse 10 wieder "bespielt".
Wenn in wenigen Wochen das Vorarlberger Landesmuseum, um einen Zubau erweitert, eröffnet werden wird, dann haben alle österreichischen Landesmuseen tiefgreifende Erneuerungen hinter sich gebracht, mit zwei Ausnahmen, das Wien Museum zeigt noch immer seine alte Dauerausstellung und man hat schon lange nichts mehr von der Entscheidung zum Standort des Museums gehört, die ja im Dezember 2012 hätte fallen sollen. Und das Kärtner Landesmuseums hatte zuletzt mit "Überlebensproblemen" insofern gekämpft, als der beklagenswerte Zustand der Depots bekannt wurde. Hier scheint man von einer nachholenden Erneuerung zuletzt weit entfernt gewesen zu sein. Aber wer weiß, vielleicht bringen die neuen politischen Verhältnisse Bewegung in die Entwicklung des Museums.

Mittwoch, 20. Februar 2013

Um 11 Uhr (Entrée 97)

Eintritts Billet zu dem k.k. Physical. Kunst u Natur Kabinet, Mittwoch um 11 Uhr. Vor 1802. Naturhistorisches Museum Wien, Archiv

Dienstag, 20. November 2012

Mikroausstellung "Heilige Schauer"

Heilige Schauer hat Vitus H. Weh im neuen Meteoritensaal des Naturhistorischen Museums. So viel Museumsglück läßt sich mit ihm in artmagzine teilen: http://www.artmagazine.cc/content65496.html

Der Meteoritensaal 1903

Der Meteoritensaal vor der Umgestaltung

Der neugestaltete Meteoritensaal

Freitag, 14. September 2012

Museumspolemik - das Darwineum in Rostock

In der heutigen TAZ darf man (hier) etwas sehr seltenes bestaunen: eine Museumskritik, und noch dazu eine polemische. Sie gilt dem eben eröffneten Darwineum in Rostock, das eine Mixtur aus Museum und Zoo ist. Colin Goldner läßt an beidem kein gutes Haar, nicht am Museum, mit seiner "Vielzahl an Schautafeln und musealen Staubfängervitrinen, die tatsächlich zu allem anderen taugen, als 'die Geburt des Universums bestaunen, explodierende Sterne sehen und die Entstehung der Erde erleben' zu können" und nicht am Zoo, wo die "Frage, ob es ethisch überhaupt noch vertretbar ist, Menschenaffen in Zoos gefangen zu halten, wird im Darwineum nicht gestellt" werde. Das alles sei so spannend "wie ein Yps-Heftchen der 70er-Jahre" und "der prinzipiell aufklärerische Wert des Darwineums wird allein dadurch (durch die Haltung von Menschenaffen) in sein Gegenteil verkehrt: der Mensch wird nicht als Teil der Evolution dargestellt, sondern – wie Religionen jeder Art dies seit je verkünden – als gottgleiche 'Krone der Schöpfung', befugt, mit Tieren zu verfahren, wie es ihm beliebt."

Sonntag, 5. August 2012

Ein inkompententer Dialog? Daniel Spoerri im Naturhistorischen Museum in Wien

Ein Möbelstück in einem Kunstgewerbemuseum, ein Fahrzeug in einem Technischen Museum, ein Totem in einem Völkerkundemuseum können ohne Eingriff in ihre materielle Integrität ein Museumsdasein fristen. Ins Naturmuseum aber kommen Dinge, deren soziales wie semantisches Leben ebenso zu ende gegangen sein muß, wie deren biologisches. Dazu ist aber hoher artifizieller Aufwand nötig, weil dort dem Verfall des Stofflichen Einhalt geboten werden muss, um etwas als Exponat zeigen- und das auf Dauer - oder als Objekt deponieren zu können. So ,lebendig‘, wie es nun einmal war. (1) 

Der Gemeinplatz, daß es das Museum mit dem Tod zu tun hat, der alltagssprachlich in der pejorativen Verwendung von 'museal' ziemlich tief sitzt, der aber ein Gemeinplatz der Theorie und nicht der musealen Praxis ist, die dieses Faktum verdrängt, gilt nirgendwo so sehr, wie in den sogenannten Naturmuseen. (2)

Die Konservierung, deren Techniken biologisches 'Material' zu erhalten, seit der Mitte des 16. Jahrhundert entwickelt wurden - wovon eindrucksvolle Beispiele in den ältesten tradierten Natursammlungen zeugen, etwa denen der Universität Bologna -, ist nur der erste Schritt. Um Naturhaftigkeit zu erzeugen, bedarf es meist einer Rekonstruktion, Ergänzung, Formung oder gar Inszenierung.

Naturmuseen erzeugen daher oft ein mehr oder minder ausgefeiltes Ambiente. Ein Sandboden kann genügen, um die Illusion eines Meeres zu erzeugen und am anderen Ende der Skala der Illusionstechniken (die diesen Museumstyp verwandt macht mit den ältesten und populärsten Schaustellungspraktiken) stehen komplette Szenen, (3) nahezu naturidente Ausschnitte einer Lebenswelt, bei der selbst  die Perspektivität und Räumlichkeit der Wahrnehmung - wie z.B. im Diorama - erzeugt wird.

Das Naturmuseum ist deshalb in gewissem Sinn künstlicher als alle anderen Museumstypen, nicht nur weil es großen Aufwand an Konservierung und Präparation (4) erfordert, sondern weil der Schein ,authentischer‘ Natur aufrecht erhalten werden soll und gleichzeitig der Aufwand der nötig ist, diesen Eindruck zu erzeugen, nicht offensichtlich werden darf.

Dem Naturmuseum hilft dabei, daß wir generell dazu neigen, alles an Gestell, das zum Zeigen, zum Zu-Sehen-Geben im Museum nötig ist, zu 'übersehen'. All die Sockel, Vitrinen, Bühnen, Lichter uvam. blenden wir aus. So dürften wir wie viele Besucher gar nicht recht registrieren, wie groß die Diskrepanz zwischen einer zur 'Familie' zusammengestellten Löwengruppe auf einer angedeuteten Landschaft zur historischen Vitrine aus der Gründerzeit des Museums ist, in der diese Gruppe ihren theatralischen Auftritt hat.

Verschleiert wird der hohe Aufwand im Namen einer ordnenden und klassifizierenden Wissenschaft, die es mit Natur, der sie diese Klassifikation als ihr immanente zu entnehmen glaubt, und mit nichts anderem zu tun haben will.

Eine Konsequenz dieser Spaltung in rationale Ordnungswissenschaft einerseits und ,lebensweltliche‘ Darstellung andrerseits, die selbst ein Museum, das so sehr wie das Wiener von wissenschaftlichen Ordnungssystemen geprägt ist, ist zum Beispiel die Trennung von Sammlung und wissenschaftlicher Arbeit einerseits vom Ausstellen und den nötigen Zurichtungen der Dinge zu Exponaten sowie von der Pädagogik bzw. Vermittlung andrerseits. Daß das Naturhistorische Museum in Wien das erste Bundesmuseum mit einer eigenen Vermittlungsabteilung und einem großen, der Vermittlung reservierten Saal mitten in den Dauerausstellungen war, verstehe ich als Konsequenz der genannten 'Spaltung'.

Bei einem Gang durch das Wiener Museum quert man heute mehrere sehr unterschiedliche Museen, in denen man spürt, wie groß die Versuchung ist, den popularen Schaustellungstechniken im Interesse eines Publikums nachzugeben, das über einschlägige Formate in Kino, TV oder Computeranimationen längst raffinierteste 'Animationstechniken' bzw. im Namen authentischer Bilder die Natur manipulierende Filme gewohnt ist. Wahrscheinlich wird von Besuchern auch erwartet, daß im Museum etwas Adäquates zu sehen ist, während die Verpflichtung auf wissenschaftliche Korrektheit und Kriterien noch bleischwer an den Sammlungen hängt und von den Kuratoren verteidigt wird.

Im Sauriersaal, der jüngst neu gestaltet wurde, kann man den Zwiespalt der Haltungen gut studieren. Es fanden sich hier ohnehin schon, ohne daß einem das bewußt werden musste, Originale Fundstücke, Faksimiles (Abgüsse) und Rekonstruktionen, deren oft sehr hoher spekulativer Anteil nicht so ohne weiteres gewusst werden kann und soll und dementsprechend zurückhaltend kommuniziert wurde und wird. Neu im Saal ist aber nun eine Art Puppe, ein Saurier, der ein wenig den Kopf drehen und brüllen darf, dezent, fast lieb und daher von fragwürdiger Konkurrenzfähigkeit zu Jurrasic Parc.
So geht das Museum mit seinem Widerspruch (5) um, unsicher, unentschlossen, kompromissbereit, notwendgerweise inkonsequent, experimentell.

*


Wenn ein Künstler wie Daniel Spoerri im Naturmuseum auftritt, kann man sicher sein, daß er es partiell wieder in einen Ort des Staunens verwandelt, indem er ihn zu einem Ort des Changierens der Dinge, ihrer Formen und Bedeutungen macht und die Grenze zwischen 'Natur' und Kunst sowie der dem Naturmuseum eigentümlichen Künstlichkeit zwar nicht ignoriert, aber sie verschiebt, thematisiert, bewußt macht, wieder verwischt. Plötzlich tauchen alle stillschweigenden, dem Museum zugrundeliegenden Techniken und Riten, wieder ins Licht der Reflexion, das Sammeln, Auflesen, Zusammenstellen, Benennen, Ordnen, Hierachisieren, Vergleichen. 

Ein ganzes Jahr lang stöberte Spoerri, begleitet von zwei Mitarbeitern des Hauses, Margit Berner und Reinhard Golebiowski, in den Speichern und Depots, in den Arbeitsräumen und Schausälen, er erhielt überall Zugang, aber, mit einer Ausnahme, nie das Recht, Objekte 'anzutasten'. Das Museum, auch das Naturmuseum, das ja so viel beherbergt, was ja ohnehin längst Artfakt ist, wacht dennoch über keinem Tabu strenger als über dem der materiellen Unversehrtheit. Was in Kunstmuseen oder historischen Museen im Namen einer potentiellen kulturellen Bedeutung geschieht, die es offenzuhalten gilt, betreibt das Naturmuseum im Interesse ihrer Erkenntnismöglchkeiten. ,Sachbeweise‘ werden dauerhaft für künftige methodische und heuristische Innovationen zur erneuten Befragung bereitgehalten, nicht unbedingt aber um als kulturelle Bedeutungen im öffentlichen und sozialen Raum Museum kommuniziert zu werden.

Man sieht es der Ausstellung  „Daniel Spoerri im Naturhistorischen Museum“ (Zur Webseite des Naturhistorischen Museums: http://www.nhm-wien.ac.at/presse/daniel_spoerri_im_naturhistorischen_museum) an, daß auf Ihre Vorbereitung so viel Zeit verwendet wurde. Vor allem im Vergleich mit den teilweise problematischen Ausstellungen, die Spoerri in Österreich gemacht hat, seit er hier lebt, ich meine die in Krems („Alles war sehr gut und lustig. Pensionärs-Avantgarde von Spoerri und Brock in der Provinz. Hier: http://museologien.blogspot.co.at/2010/02/alles-war-sehr-gut-und-lustig.html)  und Graz („Grazgeflüster. Ein Musée sentimental, hier: http://museologien.blogspot.co.at/2011/12/grazgefluster.html) , fällt die ungleich reichere Entfaltung von Ideen, die größere Sorgfalt der Konzeption und Ausführung auf.

Die Ausstellung ist ein Kompositum aus älteren Werken Spoerris, Objekten, die er inspiriert von den Museumssammlungen neu gemacht hat, Arrangemts aus Museumsdingen, an denen sowohl er als auch die genannten Kuratoren beteiligt waren. Die relativ große Ausstellung wurde letztendlich nach der der Museumsordnung zugrundeliegenden fachlichen Gliederung, Zoologie, Mineralogie, Botanik usw., gegliedert, verhält sich aber dazu sowohl experimentell-ästhetisch als auch museologisch-reflexiv.

Die Ausstellung fasziniert mit etwas, was man von Sporrri schon kennt, von der überbordenden Phantasie eines physiognomischen Blicks, der Dingen innewohnende Eigenschaften erkennt und ihr Potential für ein Neuaragement, für eine Art von Reanimation, die nichts mit der musealen des Naturmuseums zu tun hat, aber auch etwas abwirft für das Sichtbarmachen seiner Mechanismen. Spoerri hat sich den unbefangenen und staunenden Blick bewahrt, der Dinge jenseits kodifizierter Bedeutungen wahrzunehmen bereit ist und er versteht es, den Besucher mit demselben Blick zu belehnen.

Spoerris Misch- und Fabelwesen sind in erster Linie ästhetisch faszinierend lassen sich aber in gewissen Grenzen auch im Kontext kultureller Bedeutungen lesen. Ein Teil der Faszination hat wohl auch mit Spoerris Respekt vor den Dingen zu tun und mit der Neugier, mit der er der dahinterstehenden wissenschaftlichen aber auch etwa präparatorischen Arbeit umgeht. Spoerris 'Reanimationen' sind subtil, sie gelten allem, was im Museum Ding geworden ist, dem Meteorit oder der Muschel ebenso wie dem Waffeleisen oder der Möbelzierleiste. Animistisches Denken wie im Märchen läßt die Dinge ein spukhaftes Dasein zurückgewinnen, bedrohlich, schrill, skurril, drollig, rätselhaft. Manchmal zielt das direkt auf die Techniken und Riten des Naturmuseums. Galvanisierte Tiere z.B. erhalten eine vermeintlich ewig haltbare Plastizität aber auch eine unheimliche Lebendigkeit durch ihre das Licht reflektierende metallene Oberfläche.



Seine Arbeit ist die Schaffung einer Art von zweiter Natur, die darin vielleicht im Grundsatz mit der artifiziellen Museumsnatur einer solchen Institution eng verwandt ist, aber er kommt zu ganz anderen Resultaten. Was dabei an Kritik, Analyse der institutionellen Praktiken und Riten abfallen könnte dürfte ihn weit weniger interessieren, als die ästhetische Faszination. Darin unterscheidet er sich prinzipiell von Mark Dion (Siehe „Das Büro zur Fernüberwachung von Wildtieren oder Warum gibt es kein Naturmuseum?“. Hier: http://museologien.blogspot.co.at/search?q=Dion), dessen 'Naturmuseen' weit über das Museum hinaus den gesellschaftlichen Umgang mit Natur und auch damit die Verfasstheit des Naturmuseums zur Disposition stellt. Diese explizit kritische Haltung ist Spoerri fremd, wenngleich er genauso witzig und ironisch sein kann wie Dion.

Was daran an Kritik dennoch abfällt und die Verunsicherung, die davon dem Selbstverständnis eines Wissenschaftsmuseums drohen könnte, begegnet man mit einer räumlichen Separierung und einer gedanklichen. Die Ausstellung wird als ,Sonderschau‘ in getrennten Räumen und nicht etwa als Intervention in der Dauerausstellung präsentiert - Spoerri ist "Kunst" im und für das Haus und nur unter diesen Bedingungen kann und darf sie Gastrecht bekommen. Die Grenzen, die man Spoerris Arbeit setzte, sichern das Museum vor jeder Art der Kontamonation. Dabei wäre vor allem der Prozess selber und dann auch das Resultat, die Ausstellung, eine Chance der institutionellen Selbstbefragung gewesen.

Statt das anzustreben einigte man sich auf eine Art von Stillhalteabkommen mit dem Untertitel der Ausstellung, „Ein inkompetenter Dialog?“. Das Fragezeichen läßt dem Museum das durch das Fragezeichen diplomatischen gemilderten Vorurteil, daß jeder ein Laie, Dilettant ist, der sich nicht der Kriteriologie der Institution unterwirft, während das Fragezeichen für Spoerri das Schlupfloch ist, durch das er seine Kompetenz als Künstler, Zauberer, Erzähler, Arrangeur, Sachensucher, Sammler dennoch ins Museum schmuggelt. (6)

*


Museen sind extrem geschickt und zäh im Festhalten an den Mißverstandnissen, die sie ihrem eigen Tun entgegenbringen. Das gilt ganz besonders für das Naturmuseum. Naturwissenschafter haben meist wenig Verständnis dafür, daß Ausstellungen (wenn es nicht bloß dienstbare Maschinerien zur Propagierung ihrer Forschungsergebnisse sind) kategorial etwas anderes sind als Wissenschaft im Sinne ihrer eigenen Tätigkeit (7), daß das ,museale Zeigen‘ anderen, komplexen Gesetzen unterworfen ist und auch anderen Zielen dient als nur der ,Darstellung‘ von ,Natur‘ und ihrer Erforschung. Selbst der ohnehin milde und respektvolle ,inkompetente Dialog‘, den Spoerri führt, wird aufmerksam in Schranken gehalten.

Dabei wankt die Bastion Naturmuseum längst und es wird nicht lange dauern, bis sich der jetzt noch teddybärenhafte Museumssaurier nicht nur wie im Youtubevideo auf die Jagd nach kleinen Kindernmacht, sondern auf die nach großen Kuratoren...

Das Buch zur Ausstellung, zweisprachig und bibliophil sowie sehr schön bebildert: Daniel Spoerri im Naturhistorischen Museum - ein inkompetenter Dialog? Kerber Art. Bielefeld und New York 2012

Parallel zur Ausstellung zeigt Daniel Spoerri eine von ihm kuratierte in seinem Ausstellungshaus (siehe: http://museologien.blogspot.co.at/2012/07/eat-ab-art-daniel-spoerri-in-hadersdorf.html) in Hadersdorf am Kamp, „Natürlich Natur? Paralipomena“, zu der es eine - ebenfalls sehr schön gestaltete - (gleichnamige) Begleitpublikation gibt.

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1) Jedes Museum hat es mit ,Lazarisation‘ zu tun. Das größte Problem, das glaubwürdig zu inszenieren, hat verständlicherweise das Naturmuseum. Ein spektakulräses Beispiel für die Ambivalenz von musealem Tod und musealer Auferstehung ist der große Zug der Tiere - ins Museum als Arche Noah als letzte Rettung oder aus dem Museum als Bewegung zur Erlösung vom Museum bleibt offen. Siehe: http://museologien.blogspot.co.at/2010/07/der-zug-der-tiere-im-pariser-museum-d.html   
Die Verlebendigung kann freilich in der Übertreibung scheitern, siehe: http://museologien.blogspot.co.at/2010/06/spazierganger-museumsphysiognomien.html

2) Es gibt aber auch das Naturmuseum, das einen mit beispielloser Direktheit mit Tod und Sterblichkeit konfrontiert gerade weil es es seine Ordnung wie skelettiert zeigen möchte. Suehe: http://museologien.blogspot.co.at/2010/01/musee-des-mondes-perdu.html

3) Früheste Naturmuseen trieben einen Illusionierungsaufwand, der heutige Inszenierungen in nichts nahesteht, beziehungsweise sie überbietet. Vom Naturalienkabinett, dem Vorläufer des Naturhistorischen Museums in Wien, existiert eine ausführliche Beschreibung, die belegt, daß es schon kurz nach 1800 um die Schaffung ganzheitlicher ,Bilder‘ und ,Biotope‘ ging. Willson Peales Museum in Philadelphia, das als ältestes der USA gilt, wurde von seinem Autor nicht nur mit sorgfältig inszenierten Szenen ausgestattet, zeitgenösische Beschreibungen berichten von erfindungsreichen Maschinerien zu filmähnlicher Bildprojektion, von echtem Wasser und technisch erzeugter Hintergrundmusik. Peales wunderbares Selbstporträt - vor seinem Museum, dessen ,Vorhang er lüftet‘ -, kann man als ingeniöse Auseinandersetzung mit der hier diskutierten Dialektik von Mortifizierung und Lebendigkeit lesen. Hier: http://museologien.blogspot.co.at/search?q=Peale

4) Präparatoren haben ein ausgeprägtes Selbstbewußtsein von ihrer Tätigkeit als Kunstfertigkeit. Siehe: http://museologien.blogspot.co.at/2012/07/ausgezeichnet-texte-im-museum-000.html

5) Der Widerspruch schlägt sich im Wiener Museum sogar in der Möblierung nieder. Siehe: http://museologien.blogspot.co.at/2012/07/mikromuseum-evolution-des.html

6) „Die Regeln des Museums sind dazu da, um gebrochen zu werden“, schreibt Alberto Manguel in seinem lesenswerten Essay zum Sammeln und Ausstellen, hier: http://museologien.blogspot.co.at/2010/03/dracheneier-und-phonixfedern-das-museum.html

7) In den Worten des derzeitigen Direktors hier: http://museologien.blogspot.co.at/2010/05/saurier-und-forschung-noch-einmal-wie.html und hier: http://museologien.blogspot.co.at/2010/05/da-bekommt-die-mineralogie-sofort.html








Donnerstag, 2. August 2012

Der Elch im Supermarkt. Nicht alles, was eine Intervention ist, ist auch interessant

"Die Künstlergruppe Steinbrener/Dempf nimmt die drastisch gestiegene Bedeutung des Kulturlandschaftstypus «Stadt» zum Anlass, sich mit der Koexistenz von Menschen, Tieren und Pflanzen im Rahmen urbaner Strukturen auseinanderzusetzen und präsentiert das Ausstellungsprojekt „Freeze!“ im Mai 2012 im Naturhistorischen Museum in Wien. Für das Aufeinandertreffen von Tier und Mensch wird ein für naturwissenschaftliche Museen traditionelles Ausstellungsmittel revitalisiert: das Diorama."

Vollmundig will und das Naturhistorische Museum Wien eine Installation schmackhaft machen, über deren Bedeutung, die man ihr im Museum gibt, der bereitgestellte Ausstellungsort einiges aussagt: das 'Dachstübchen' im zweiten Stockwerk ist der so ziemlich entlegenste Raum des Museums, und das ist auch gut so.

Denn so leer sich die zitierten Sätze der offiziellen Museumswebseite anfühlen, so leer fühlen sich die drei 'Dioramen', die es dort zusammen mit eineigen Fotografien zu sehen gibt. Bildkalauer mit begrenztem Unterhaltungswert, äußerst schwach strahlendem Aufklärungspotential, und außerdem keine Dioramen (für die es übrigens im Museum auch keine Tradition gibt), sondern bloß rasch eingeräumte Guckkästen.

Schmunzelkunst, aber humorlos. Eher nur peinlich im Vergleich zu der gleichzeitig laufenden Ausstellung von Daniel Spoerri.