Mittwoch, 16. November 2016

Der Expressionismus (Texte im Museum 605)

Ausstellung "Fremde Götter", Leopold-Museum (Foto GF 2016)

"Fremde Götter". Eine bemerkenswerte Ausstellung im Wiener Leopold-Museum

Die Ausstellung "Fremde Götter" im Leopold-Museum hat mich überrascht. Ich habe sie mit Neugier und Geduld genossen und mich unbedarfter Faszination überlassen - ich habe keine Kenntnisse zum Thema der Ausstellung: der Auseinandersetzung der europäischen Avantgarde mit der afrikanischen Kunst. Faszination ist auch das Hauptwort des Untertitels der Ausstellung, "Faszination Afrika und Ozeanien". Wie eine Kunstausstellung vermarktet wird, muß sich nicht unbedingt mit deren Inhalt decken. Worum es hier geht, wird aus den Titeln nicht wirklich klar. Nämlich um die "geschnitzten Objekte", "Ethnografika" (Flyer) des Sammlers Rudolf Leopold, die mit etwa siebzig Objekten, Gemälden, Skulpturen ua. konfrontiert werden und eine - ausschließlich ästhetische (?) Faszinationsgeschichte der Avantgarde zu erzählen - "Europas exotisches Kunstabenteuer" (Ausstellungstext).

Der eröffnende Text der "Fremden Götter"

Helmmaske aus Gabun und Picasso
Mit beachtlichen Leihgaben bestückt gelingt es an vielen Beispielen frappante Aspekte der künstlerischen Auseinandersetzung mit v.a. afrikanischer Kultur zu visualisieren. Eine relativ ausführliche Beschriftung hilft einem dabei. Und das auf eine Art und Weise, die eine erste Frage aufwirft. Im Kern ist die Ausstellung eine kunsthistorische, die die formale Verwandtschaft und Beziehung zwischen europäischer Avantgardekunst und ethnografischen Objekten zum Thema hat. Es geht um eine ästhetische Frage, in der etwas vergleichbar scheint, was nicht so ohne weiteres vergleichbar ist. An einer (einzigen?) Stelle, in einem Text, wird das auch erwähnt. Speziell afrikanische Skulpturen oder Masken sind im Verständnis ihrer genuinen Kultur keine Kunst, sie haben eine soziale und spirituelle Dimension. Diese wird in mehreren vorzüglichen Texten ausführlich erläutert. Hier begnügt man sich verdienstvollerweise nämlich mal nicht mit Leerformeln wie "Kultopbjekt" sondern informiert genau und ausführlich über Herstellung und Gebrauch einzelner Objektgattungen im Kontext der jeweiligen tribalen Gemeinschaft. Damit nimmt man eine gewisse Spaltung zwischen einerseits ästhetisierender Faszination und funktionaler Information in Kauf.




Die zahlreichen Objekte des Sammlers finden sich sowohl unter dem das Thema illustrierenden Teil der Ausstellung als auch in Gruppen von in eigenen Räumen zusammengestellten Objekten, die, soweit ich das beurteilen konnte, untereinander außer ihrer generellen Provenienz und Materialität kaum Gemeinsamkeiten hatten. Warum Rudolf Leopold diese Objekte gesammelt hat, hat sich mir nicht wirklich erschloßen. Für einen Sammler kann es recht äußerliche Beziehungen zu "seinen" Sammeldingen geben und in diesem Fall kommt schon rein zeitlich eine Rolle der Sammlung innerhalb des ziemlich genau 1900 einsetzenden Prozesse der Aneignung der "primitiven Kunst" nicht in Frage. Die offenbar alle über den Kunsthandel erworbenen Objekte stammen überwiegend aus dem "20.Jahrhundert" (Datierung ethnografischer, namentlich afrikanischer Objekte, haben nun mal extreme Bandbreiten). Das wirft gleich eine weitere Frage auf, die nach dem Status der "ethnografischen Auktionsware", bei der man im Unklaren bleibt, ob es sich um singuläre Werke, um für den europäischen Handel bestimmte Repliken etc. oder um im Sinn europäischer Hochkunst authentische Originale handelt. Über die Provenienz der Objekte erfährt man weder in der Ausstellung noch im Katalog etwas. Provenienz aber ist etwas, was bei Ethnografika heikel ist, weil in ihr noch immer Spuren kolonialer, also gewaltförmiger Beziehungen wirksam gewesen sein könnten. Die Formulierung "vom leidgeprüften Kontinent" im die Ausstellung eröffnenden Text spricht für das Vermeiden konfrontativer, kritischer Auseinandersetzung.

Objekte aus der Leopold-Sammlung

Apropos: Kolonialismus ist etwas, von dem die Ausstellungsmacher wissen, daß man sich dieser Frage stellen muß. Aber es geschieht auf merkwürdige Weise. In den diversen Texten wird er sparsam und zurückhaltend benannt ohne die Ebene der ästhetischen Betrachtung stören zu wollen. Gelegentlich ist die Zurückhaltung bedenklich. Der Benin-Kultur den "Untergang" zu bescheiningen, ist eine verschleiernde Formulierung. Die traumatisierende Zerstörung der Hauptstadt und Verschleppung aberhunderter Artefakte kann man endlich mal klar und unmißverständlich benennen.

Spiegelmaske von Kader Attia. Foto Internet, alle anderen G.F..
Kolonialismus wird aber sehr wohl thematisiert, und zwar gleich zweifach. Einmal mit Objekten, die die Kader Attia in Auseinandersetzung mit der europäischen Musealisierung ethnografischer Objekte geschaffen hat und die im eröffnenden Raum zu sehen sind. Das ist bemerkenswert, weil hier die Einseitigkeit der Rezeption, die etwa afrikanische Kunst wird im europäischen Blick gespiegelt, aber nicht umgekehrt, umgedreht, sondern in den verspiegelten Objekten Attias buchstäblich selbst gespiegelt wird.
Und es gibt Videoarbeiten von Attia zu sehen, die sich dokumentarisch mit dem aktuellen Kolonialismus und den Langzeit-Folgen beschäftigt. Im scharfen Kontrast zur gleichsam ästhetisch besänftigenden, schwach dosierten Infiltrierung der eigentlichen Ausstellung mit kolonialen Fragen werden hier die Besucher mit den offenen Wunden europäischer und genereller kolonialer Hegemonie konfrontiert.


Einerseits war ich neugierig und interessiert, die Arbeiten Attias kennenzulernen, andrerseits konnte ich mich des Eindrucks nicht erwehren, daß sie das Gewissen - der Besucher? der Kuratoren? - so weit beruhigen sollen, daß der ungestörte ästhetische Genuß des Hauptteils der Ausstellung - die mit den verstörenden Videos Attias nirgends verknüpft wird -, gewährleistet sein soll.
Nicht zu vergessen die museumspolitische Hauptaufgabe der "Fremden Götter": die Sammlung Rudolf Leopolds zu zeigen und würdigen. Das geschieht natürlich besser, indem man sie in einen kunsthistorischen Kontext einrückt, in eine großes Kapitel der Entwicklung der Avantgarde, unter Aussparung allzu bedrängender Fragen und ohne zu laut darüber zu reden, daß diese Sammlung mit in diesem Kapitel nie eine Rolle gespielt hat.

Museumsszene

George S. Zimbel

Dienstag, 15. November 2016

Museumsszene

Foto: Bill Henson

Museumstreppen 22

"Die Zukunft der Stadt" Technisches Museum Wien

Bürgerlich Sitzen (Sitzen im Museum)

Museum Leopold (Foto: GF 2016)

Objet trouvée


"Die Stadt der Zukunft". Technisches Museum Wien. (Foto: GF; 2016)

Sitzwinkerl (Sitzen im Museum)

Technisches Museum Wien (Foto: GF, 2016)

In Stein gemeisselt (Texte im Museum 604)


Donnerstag, 10. November 2016

Objet trouvée

Musée Carnavalet Paris (Foto GF)

Ausschreibung Haus der Geschichte Österreich

Mit BGBl. I Nr. 20/2016 führt die Österreichische Nationalbibliothek das Haus der Geschichte Österreich als fachlich eigenständiges Museum. Dieses soll die Geschichte Österreichs ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit thematischen Rückblicken in die Zeit der Aufklärung und davor und einem besonderen Schwerpunkt auf die Zeit von 1918 bis in die Gegenwart in ihrem europäischen und internationalen Kontext vermitteln. Das Haus der Geschichte Österreich soll auch ein aktives und offenes Diskussionsforum für zeithistorische Fragestellungen und Themen der Gegenwart sein und ist zu einer wissenschaftlichen Darstellung geschichtlicher Entwicklungen und Ereignisse verpflichtet (siehe § 13 Abs. 6 Bundesmuseen-Gesetz i.d.g.F.). Die Österreichische Nationalbibliothek sucht daher gemäß § 16 Abs 6 Bundesmuseen-Gesetz zum ehestmöglichen Eintritt eine/n 
DirektorIn für das Haus der Geschichte Österreich
(38,5h/Woche)
Ihre Aufgaben
  • Nutzerseitige Begleitung der baulichen Planung und Umsetzung der Museumserrichtung
  • Wissenschaftliche sowie organisatorische Leitung des Hauses
  • Gesamtkoordination und Formulierung wissenschaftlicher und sammlungspolitischer Ziele
  • Entwicklung eines Museums- und Ausstellungskonzepts samt Vermittlungsstrategie mit Fokus auf eine Sonderausstellung in der Neuen Burg in Wien zum 100jährigen Republiksjubiläum (12. Nov. 1918 – 2018) unter Berücksichtigung der Umsetzungsstrategie des Hauses der Geschichte Österreich vom 4. September 2015 und in Abstimmung mit dem Wissenschaftlichen Beirat
  • Erarbeitung und Umsetzung eines Sonderausstellungsprogramms für die ersten Jahre nach der Eröffnung in Abstimmung mit dem Wissenschaftlichen Beirat
  • Enge Zusammenarbeit mit der Geschäftsführung der Österreichischen Nationalbibliothek und dem Wissenschaftlichen Beirat
  • Verwaltung des veranschlagten Budgets (derzeit sind für die  Vorbereitung und den laufenden Betrieb 2017-2019 ca. 4 Mio. EUR, davon ca. 50-60% für Personalkosten; für die Architektur, Einrichtung, Museumsgestaltung und Infrastrukturinvestitionen ca. 3,2  Mio. EUR kalkuliert)
Unsere Anforderungen
  • Abgeschlossenes Universitätsstudium (mind. Master-Abschluss oder Magisterium), vorzugsweise Geistes- oder Kulturwissenschaften oder vergleichbare Eignung
  • Wissenschaftliche Kompetenz und Publikationstätigkeit vor allem im Bereich der Österreichischen Geschichte mit Schwerpunkt 19. und 20. Jahrhundert
  • Mehrjährige Erfahrung in der Leitung und Steuerung einer Einrichtung vorzugsweise im Museums- oder Ausstellungsbereich
  • Ausgewiesene Erfahrung in der Konzeption, Organisation und Durchführung von Ausstellungen sowie in der Entwicklung innovativer Vermittlungskonzepte von Ausstellungsinhalten einschließlich dem Einsatz neuer Medien
  • Ausgeprägte Fähigkeit zur MitarbeiterInnenführung und -motivation, hervorragende Kommunikationskompetenz
  • Erfahrung im Umgang mit Medien und Öffentlichkeit
  • Erfahrung in der Akquisition und Betreuung von Sponsoren
  • Ausgezeichnete deutsche und englische Sprachkenntnisse in Wort und Schrift

Museums- und Ausstellungskonzept 
Den Bewerbungsunterlagen ist eine höchstens fünfzehnseitige Rohkonzeption (1,5 Zeilenabstand, Schriftgröße 12. Pt.) zur Gestaltung der Jubiläumsausstellung 2018, die auch Ideen einer künftigen Bespielung (vgl. dazu http://www.hdgoe.at/wp-content/uploads/2015/11/HGOE_Strategie_Download.pdf) enthalten soll, beizulegen. Bei der ersten Grundkonzeption der musealen Gestaltung sollte auf die Geschichte der vorgesehenen Ausstellungsräume in der Neuen Burg Rücksicht genommen werden beziehungsweise auch die Geschichte des Hauses punktuell in die Kuratierung einbezogen werden. Details zur Ausstellungsfläche finden sich auf http://www.hdgoe.at/wp-content/uploads/2016/10/Raumkonzept-Neue-Burg-und-Corps-de-Logis-HGO-20-10-2016.pdf 

Bewerbung 
Inkl. ausführlichem CV, Zeugnisse und Empfehlungsschreiben ausschließlich online über unser Bewerberportal (http://jobs.onb.ac.atbis spätestens 8.12.2016 mit Angabe Ihrer Gehaltsvorstellung sowie der Museums- und Ausstellungskonzepte. Die Hearings finden am Montag, 9. Jänner 2017 statt. 


Das Jahresbruttogehalt für diese Position auf Basis 38,5h/Woche liegt je nach Qualifikation und Erfahrung bei mindestens EUR 84.000,-. Diese Stelle wird vorerst auf die Dauer von fünf Jahren besetzt, gegebenenfalls ist eine anschließende Wiederbewerbung für die Stelle möglich. Frauen werden bei gleicher Qualifikation i. S. d. Bundes-Gleichbehandlungsgesetzes bevorzugt aufgenommen.