Dienstag, 5. Januar 2010

Das Art / Brut Center in Klosterneuburg-Gugging

Der ab 1946 an der Niederösterreichischen Landesnervenklinik in Klosterneuburg-Gugging tätige Psychiater Leo Navratil nutzte die diagnostische und therapeutische Bedeutung des Malens, Zeichnens und Schreibens seiner Patienten. Seine Anregungen und Erfahrungen führten zu einer öffentlichen Präsentation der entstandenen Arbeiten im Kunstkontext, wie in der Wiener Galerie nächst St. Stephan und schließlich zu deren Anerkennung als Kunst und der Patienten als Künstler.
Diese sogenannte zustandsgebundene Kunst (das ist der damals gebräuchliche Begriff) inspirierte viele bildende Künstler und erhielt große Anerkennung. Museen und Galerien kauften und stellten Werke der Künstler aus Gugging aus. 1981 war die Gründung des Zentrum für Kunst- und Psychotherapie (des Hauses der Künstler) ein konsequenter Schritt.
1994 wurde eine kommerzielle Galerie eingerichtet, die heute noch besteht, aber integriert in dem auf der Basis einer Privatstiftung agierenden art / brut centers (seit 2006), zu dem auch das Haus der Künstler und ein Museum gehören sowie ein offenes Atelier, Bibliothek etc. Mit der Gründung des Centers fand ein Wechsel der Verortung der Arbeiten der Gugginger Künstler statt, nämlich definitiv im Feld der Kunst, zu deren Spielart, Art Brut, sie einen der wesentlichen Beiträge geleistet hätten und noch leisten.
Das Museum zeigt wechselnde Ausstellungen, die aus den umfangreichen Sammlungsbeständen und Leihgaben bestritten werden aber auch eine stetige Präsentation einer Auswahl wichtiger Werke der namhaften Künstler.
Es gibt auch Kritik am Art / Brut Center, an seinem Kunstbegriff, an den Produktionsbedingungen und am therapeutischen Wert seiner Arbeit.
Andrerseits schien mir der Umgang mit den Künstlern in der ungemein beeindruckenden Eröffnungsausstellung sehr respektvoll und klug zu sein. Man vermied jede Charakterisierung der Personen über ihre Erkrankung und damit jede Interpretation im Sinn einer kausalen Beziehung von Krankheit und Kunst. Stattdessen gab es sehr liebevoll beobachtete und verfasste Texte zur Arbeitsweise der Künstler.
Sicher, was für Museen gemeinhin gilt, gilt hier besonders: das Museum in Gugging erlaubt einen gefahrlosen, distanzierten Blick auf das 'Andere', das auch uns Bedrohende und Gefährdende. Das Subversive dieser Kunst, mit der das Art / Brut Center argumentiert und wirbt, ist durch Musealisierung weitgehend entschärft. Das gilt allerdings auch für das Meiste an Moderner Kunst. Aber es bietet auch eine - ich spreche aus der eigenen Erfahrung vieler Besuche - tief bewegende Möglichkeit, sich diesem Anderen auszusetzen.

Abbildungen (G.F.):  Raum im Museum des Art/Brut Centers mit Werken von August Walla und ein Werk von Rudolf Horacek, das das Center im Marketing einsetzt.

Sonntag, 3. Januar 2010

Sitting Bull und die westliche Anschauung

Sitting Bull (1831-1890) ist einer der Häuptlinge eines Indianerstammes, die im kollektiven Gedächtnis bis heute lebendig geblieben sind. Dieses ‚Überleben’ verdankt er nicht nur der vielfältigen Mythologisierung der nordamerikanischen Indianer generell und auch nicht in erster Linie der modernen Politik, die den Indianern wieder mehr Rechte und Selbstbestimmung zurückgibt und insofern die Geschichte ihrer Ausgrenzung, Vertreibung und partielle Vernichtung wieder und unter neuen Gesichtspunkten aktualisiert.

Sitting Bull war bereits zu Lebzeiten ein Mythos, der durch Selbstdarstellung und Fremdzuschreibungen entstand. Seine Lebensgeschichte spiegelt in allen Facetten die Phase der definitiven Unterwerfung der Indianer unter die Interessen der Weissen: Den heroisierten Widerstand, die verweigerte Assimiliation, die zähen Verhandlungen, die Vergeblichkeit aller Anstrengungen der Selbstbehauptung, die späten militärischen Revolten in der letzten großen ‚Freiheitsbewegung’ und die definitive Unterwerfung in der stufenweise sich verschärfenden Reservats- und Siedlungs-Politik.
Eine Serie von Porträtfotografien macht sofort zum Auftakt der Ausstellung (Sitting Bull und seine Welt. Museum für Völkerkunde Wien. Noch bis 15. März 2010) die Rollen, die Sitting Bull zugeschrieben wurden und die er selbst annahm, anschaulich, zeigt aber auch die Verweigerung, wie im letzten Foto, das ihn bis zur Unkenntlichkeit verhüllt zeigt, das Fotografiertwerden verweigernd.
Das ist ein starker Auftakt einer Ausstellung, die dem meistfotografierten Indianer gewidmet ist, und damit der Frage nach der Erzeugung von und der Verfügung über Bilder im allgemeinen.
Von diesem analytischen Environment einer Serie von Porträts aus entwickelt die Ausstellung chronologisch die Biografie Sitting Bulls im Kontext der Geschichte der von ihm geführten und inspirierten Stämme und im Zusammenhang der amerikanischen Indianerpolitik.
Zweierlei Gruppen von Medien tragen die Ausstellung: originale Objekte und – wie mir schien ausnahmslos reproduzierte – Fotografien, die, mit Stichen, Zeichnungen und Zeitungsillustration gemischt und alle auf gleiches Format gebracht und immer auf derselben Augenhöhe an den Wänden wie eine Bildleiste montiert, so etwas wie das Rückrat der Erzählung bilden.
So eindrucksvoll manche der Objekte waren, wie etwa realistische, detailreiche und großformatige von Indianern angefertigte Zeichnungen ganzer Jahreszyklen oder großer Schlachten, noch tiefer beeindruckten mich die Fotografien. Was ich zum Beispiel – vage – unter dem Wort ‚Reservat’ im Kopf hatte, wurde rasch durch Bilder aufgefüllt, die etwa die Verelendung dokumentieren, die die Politik der Isolierung nach sich zog. Besonders bizarr and an Vergleichbares in der jüngsten Geschichte und Gegenwart erinnernd war die Fotografie einer umzäunten Siedlung dichtgedrängter Zelte – ein Internierungslager, das für eben militärisch besiegte Indianer angelegt wurde.
Die Fotos dokumentieren aber nicht ausschließlich die politisch-militärische ‚Lösung’ der ‚Indianerfrage’, sondern auch – wofür gerade die Lebensgeschichte Sitting Bulls beispielhaft ist -, die Idealisierung und Heroisierung der Indianer durch Weiße und die selbstbewußte Repräsentation der Indianer selbst. Sitting Bull wußte seinen Ruhm zu nutzen und das Interesse an seinen Geschichten und – an seinem Bild.
Der Widerspruch zwischen der Vernichtung der indianischen Kultur einerseits und ihrer gleichzeitigen Bewahrung, Erforschung und Idealisierung andrerseits wird im Auftreten Sitting Bulls in „Buffalo Bill’s Wild West Show“ erfahrbar. Während er nach dem vergeblichem Versuch nach Kanada ins Exil zu gehen, zurückkehrte und sofort als Kriegsgefangener interniert wurde, bediente er als Darsteller seiner selbst die eben im Entstehen begriffenen Klischees.
Genau dies, Sitting Bull als ‚Kippfigur’ zwischen Abwehr und Abspaltung des ‚Anderen’ und der Integration des ‚Fremden’ in Form von Exotisierung, Klischeebildung oder Idealisierung war wohl das zentrale Motiv für den Kurator (und Direktor des Völkerkundemuseums) Christian Feest, die Ausstellung zu machen.
Sitting Bull ist sowohl als historische Figur als auch Projektion vielfältiger Zuschreibungen (und das eine läßt sich wohl vom anderen nie sauber trennen) ein bemerkenswertes Studienobjekt für den Grenzverkehr zwischen Eigenem und Fremden. Wie kaum ein anderer verkörpert Sitting Bull bis heute die in sich widersprüchlichen westlichen Anschauungen vom „Indianer“ heißt es dazu auf der Museumswebseite. Und die Ausstellung bietet reichlich Anschauungsmaterial zur ‚westlichen Anschauung’.

Ein Beispiel: Nicht weit entfernt vom Familienfoto Sitting Bulls findet sich ein Foto seiner Frau und seiner Töchter, das nach seinem gewaltsamen Tod – wohl von Militärs? aufgenommen worden war. Vor einem Zelt aufgereiht, auf dem jemand ein Schild mit dem Schriftzug Sitting Bull befestigt hat, stehen die Frauen. Zur Schau gestellt, ‚ausgestellt’, in einem Zwangsarragement, das genausogut polizeiliches Verbrechensfoto oder fotografische Dokumentation einer zeitgenössischen ‚Völkerschau’ sein könnte.
Die Fotografien dokumentieren nicht nur Gewalt, sie sind selbst ein gewaltförmiges Medium. Deutlich wird dies zum Beispiel an an einer anderen Fotografie, die in der Ausstellung zu sehen war. Eine des im Massaker von Wounded Knee getöteten Indianerhäuptlings Big Foot, der wie in einer Geste der Erschöpfung oder des Zusammenbruchs am Boden liegend fotografiert wurde und wo ein kurzer, triumphalistischer Text den Mann zum Ding und zur Trophäe macht – nämlich durch das Copyright der NorthWestern Foto Co(mpany), das direkt auf den Körper des Fotografierten geschrieben wurde.
Hier hat dann die Ausstellung eine spürbare Grenze.
Die verdienstvolle und aspektereiche Thematisierung des Problems der Sicht auf den ‚Anderen’ - am Beispiel einer einzigen, berühmten Person – macht den konsequenten Schritt nicht, die Gewaltförmigkeit der Beziehung von Subjekt und Objekt nicht nur in der Ereignisgeschichte aufzusuchen, sondern auch in den Medien selbst und sie als Werkzeuge eines hegemonialen Blickregimes zu analysieren. Zwar gibt es bei einzelnen Objekten und manchen Fotografien das Medium und seine manifeste Botschaft relativierende Kommentare. Aber Herkunft der Fotos, Zweck und Verwendung, Interesse dessen oder derer, die fotografierten, bleiben ausgeklammert.
Die ökonomischen Interessen an der Verwertung der Bilder, auf die etwa das Copyright hindeutet, wer konnte sie durchsetzen und wozu? So bleibt unthematisiert, daß die Fotografie (wie auch die populären Shows, die Zeitungsberichte und –illustrationen, die diversen anderen Bilddokumente, die wissenschaftliche und populäre Literatur) per se Medien ‚der Weissen waren’, also nahezu ausnahmslos deren Blick auf den Anderen spiegeln, somit Gewalt hier strukturell im Medium selbst angesiedelt ist. Das gilt auch für das Sammeln und die Musealisierung all dessen, was in einschlägigen Ausstellungen zu sehen ist. Deren gewaltförmige Grundlagen werden, soll man sagen: selbstverständlich? (weil das praktisch nie in Museen und Ausstellungen geschieht) nicht thematisiert.

Der Zusammenhang von militärischer Vertreibung und Vernichtung, Sammeln von ‚Survivals’ (so ein Schlüsselbegriff der jungen nordamerikanischen Ethnologie) und wissenschaftlicher Forschung ist gerade für diesen Zeitraum gut erforscht. Den Truppen folgten ebenfalls zu den militärischen Einheiten gehörige Gruppen von Spezialisten, die auf den Schlachtfeldern nach ‚Überresten’ (auch menschlichen) suchten, um sie in Forschungseinrichtungen oder Museen (wie dem Smithsonian Institute) zu bringen.
Die weitere Konsequenz aus all dem wäre dann freilich, nicht nur die Medialität der Objekte anzuerkennen, also der sogenannten authentischen Exponate, der Fotos, der Grafiken oder Plakate, sondern die der Ausstellung selbst. Sie kann kein neutrales, gleichsam liberal die diversen Facetten der Geschichte Sittung Bulls referierende, bloß berichtende Instanz sein. Sie selbst eine neuer, weiterer Versuch, sich dem ‚Anderen’ zu nähern, ein Versuch, in der es keinen Standpunkt 'außerhalb' geben kann und der unausweichlich in die Dialektik und Asymetrie einer solchen Beziehung selbst tief verstrickt ist.

Dienstag, 29. Dezember 2009

Hausgreuel und weithergeholte Phantasiegestaltungen. Das Berliner Museum der Dinge informiert, warnt und - amüsiert mit Bösen Dingen

In einer seiner Geschichten läßt Bohumil Hrabal einen seiner Protagonisten endlos und kreuz und quer durch den schier unermesslichen Wald von Kersko wandern. Die bemitleidenswerte Ruhelosigkeit findet gegen Ende der Geschichte eine Erklärung. Er, erklärt der Wanderer dem Autor, habe es zu Hause nie ausgehalten, und zwar der Dinge wegen, die ihn immer unverzüglich aus dem Haus getrieben hätten.
Gut möglich, daß es sich um Dinge handelte, die Gustav Pazaurek sammelte, um in seinem Museum eine Schreckenskammer der Bösen Dinge einzurichten.
1909 eröffnete der Direktor des Stuttgarter Landesgewerbemuseums, Gustav E. Pazaurek, eine "Abteilung der Geschmacksverirrungen", der eine Theorie und Systematik zugrundelag, die er 1912 unter dem Titel "Guter und schlechter Geschmack im Kunstgewerbe" veröffentlichte. Dem pädagogischen Impetus auf die Spur setzt sich ein Museum, das als Werkbunbdarchiv immer schon einer pädagogischen Aufgabe verpflichtet war und das als Museum der Dinge über Jahre hinweg, in Ausstellungen und Publikationen, eine hohe und originelle Ding-Kompetenz erarbeitet hat.
Die - nur noch bis 11.1.2010 laufende - Ausstellung ist ein wunderbares Beispiel für die Arbeit des Museums. Sie knüpft an die Tradition des Werkbundes an (wie schon gesagt), recherchiert, historisiert und rekonstruiert - aber das nicht affirmativ, sondern als Rekurs, der neue Fragen und Themen aufzufinden hilft. Denn Pazaureks Schreckenskatalog der Hausgreuel und anderer Geschmacksgemeinheiten ist überholt, von der Entwicklung des Designs ebenso, wie vom veränderten Dinggebrauch und selbstverständlich aufgrund des gegenüber der Jahrhundertwende verschobenen sozialen und ästhetischen Kontextes.
Das Museum der Dinge erweitert die Kategorisierungen, ergänzt aus seiner Sammlung, generiert neue Fragen, regt zur Diskussion an - über Geschmack, Gestaltung, Gebrauch, Zweckmäßigkeit und Schönheit, individuelle wie kollektive Anmutungen an Dinge im Alltag. Pazaureks Ernst wird mit Ironie wohltuend etwas entschärft.
Überdies ermutigt das Museum seine Besucher, seine Community, selbst etwas beizusteuern, Dinge wie Thesen, Beobachtungen wie Geschichten, und das ergibt eine kleine Trabantenausstellung, die ihrerseits die Debatte revidiert, weiterführt, erweitert.
So einfach kann gute, inspirierende Museumsarbeit sein.

Museum der Dinge - Ausstellung Böse Dinge - Nina Gorgus zur Ausstellung Böse Dinge

Warum "Museologien"?

Sammlung und Museum waren und sind begleitet von Wissen, das sich nicht bloß auf Gegenstände, Objekte, Exponate, sondern auf das Sammeln und auf das Museum selbst bezieht: Das Sachwissen, das die Praxis anleitet, z.B. das Ordnen, Ausstellen, Konservieren, Kommunizieren und das Reflexionswissen, das z.B. die kulturelle Bedeutungen oder die sozialen Funktionen betrifft.
Für dieses Wissen setzt sich mehr denn je das Wort Museologie durch. Doch die Einzahl ist irreführend. Es gibt nach Methode, Erkenntnisinteresse, Gegenstandsbereich oder Anwendung viele ‚Museologien’.

Mit dem Boom des Museums und der Konjunktur des Museums als Gegenstand vieler Wissenschaftsdisziplinen hat sich in den letzten zwei, drei Jahrzehnten eine kaum überschaubare Vielfalt der Fragestellungen, Debatten und Schwerpunkte entwickelt.

Mit der Entdeckung der Vielgestaltigkeit des Museums, seiner Hybridität - das Museum als Speicher, als Welt, als Symptom, als Schaustellung, als Wissensort, als Agentur der sozialen Distinktion, als Schule des Befremdens, als Gedächtnis, als.... - musste die Komplexität der Museumsdiskurse zwangsläfig zunehmen.

Das Museum ist zu einem Schlüsselphänomen der Moderne geworden und zum Gegenstand sehr vieler und sehr unterschiedlicher Befragungen, Interessen und Forschungen. Unter einem einzigen Dach ‚Museologie’ lässt sich all das nicht mehr unterbringen.

Mit diesem Blog möchte ich etwas von dieser mich faszinierenden Vielgestaltigkeit des "Museumswissens" spiegeln - und konsequenterweise ist er offen für Beiträge von 'Gästen', die möglicherweise eine weitere Museologie repräsentieren...

Museo della Civiltà Romana

Das Museo della Civiltà Romana gehört zum Kuriosesten, was ich unter Museen kenne. Das riesige Museum besteht fast ausschließlich aus Repliken, Modellen, Abgüssen und veranschaulicht mit ihrer Hilfe das, was in Museen eher selten zu sehen ist: die zivilisatorische Seite der geschichtlichen Entwicklung. Das Römische Reich war bekanntlich gerade in dieser Hinsicht sehr nachhaltig wirksam. Rechtssprechung, Straßenbau, Verwaltung uvam. bilden bis heute wirkende Grundlagen der europäischen Geschichte. Davon erzählt das Museum.
Wir finden in den weiten Sälen daher kaum etwas zur politischen Geschichte und wenig zu Kunst und Literatur – es sei denn, sie taugen als Zeugnisse für materielle Verhältnisse, Organisation des Handels und einschlägige Bauten, militärische Bauwerke, Häfen, Brücken, Straßen, Bäder, Aquädukte, Hausbau, Tempelbau, Medizin, Pharmazie und so weiter. Ein Highlight ist ein riesiges Modell des antiken Rom, das zwischen 1933 und 1937 hergestellt wurde.
Das Museum steht in einer langen Tradition der Instrumentalisierung des Römischen Reiches für jeweils aktuelle politische Zwecke: 1911 wurde eine archäologische Ausstellung in den Diocletians-Thermen veranstaltet. Der Anlaß war der 50. Jahrestag der Italienischen Einheit. 1929 wurde das aus unter anderem für diese Ausstellung hergestellten Modellen und Repliken geschaffene Museo dell'Impero Romano eröffnet, als ein Archiv und Studienzentrum der Römischen Welt. Daß sich der Italienische Faschismus der Geschichte des Römischen Reiches bemächtigte, ist nicht überraschend. Im zu diesem Zweck umgebauten, aus dem 19. Jahrhundert stammenden Palazzo delle Esposizioni wurde 1937 eine Augustus-Ausstellung, Mostra Augustea della romanità, ausgerichtet.
Für 1942, zur Feier von zwanzig Jahren Faschismus in Italien, sollte endlich ein permanentes Museum die diversen Sammlungen zusammenfassen. Die Errichtung eines Museumsbaues (Architekt: Pietro Aschieri) war im Komplex der Esposizione Universale di Roma (der von Mussolini geplanten Weltausstellung) vorgesehen, stockte wegen des Krieges und wurde nach 1945 mit finanzieller Unterstützung des FIAT-Konzerns fertig gebaut und eingerichtet. 1952 gab es eine Teileröffnung, das gesamte Museum war ab 1955 zugänglich.
Über den historischen, politischen und städtebaulichen Kontext schweigt sich das Museum weitgehend aus. Die heutige Benennung des auf den faschistischen Stadtplan zurückgehenden Bebauung, Quartiere XXXII. Europa, tilgt ebenfalls die Geschichte. Dabei ist das Umfeld, die modernen Nachkriegsbauten und die bis 1942 realisierten Bauten der EUR, interessant, allen voran der Bau, der dann die Zivilisationsgeschichte bis zum Faschismus zeigen sollte, der Palazzo della Civiltà Italiana.

Freitag, 18. Dezember 2009

Zeitreise in die Frühgeschichte des Museums

Wer das John Soane Museum in London kennt – eines der exorbitantesten und merkwürdigsten Museen – wird verstehen, warum ich hier auf die vom selben Architekten geplante Dulwich Picture Gallery hinweise.

Die kleine Galerie besticht durch ihre Architektur und ihre kleine aber feine Sammlung von Gemälden des 17. Und 18. Jahrhunderts, u.a. von Rembrandt, Van Dyck, Murillo, Poussin, Watteau, Gainsborough, Rubens, Tiepolo oder Canaletto.

Ursprünglich als in ein größeres bauliches Ensemble eingebettet, entstand durch Aufgabe dieses Plans ein selbständiger Museumsbau, einer der ältesten überhaupt (1817 eröffnet). Der schlicht anmutende Ziegelbau birgt im Inneren ingeniös belichtete Galerieräume und – als eine Merkwürdigkeit, die es aber gelegentlich auch anderswo in Museen gibt – eine Grablege, ein ‚Mausoleum‘. Hier sind die Gründer des Museums, Francis Bourgeois sowie Noël und Margaret Desenfans bestattet.

Das Museum hat nicht nur eine interessante und bahnbrechende Architektur, die bis in die Gegenwart für Museumsarchitekten inspirierend war, es hat auch eine merkwürdige Geschichte. Noël Desenfans and Sir Francis Bourgeois wurden ursprünglich durch König Stanislaus Augustus von Polen mit der Konzeption für eine Königliche Polnische Galerie beauftragt. Durch die Teilung Polens fiel die Sammlung in die Hände der beiden Kunsthändler, die 1811 die Errichtung einer eigenen Galerie ‘for inspection of the public’ beschlossen.

Museumskonsum für alle. Eine Zukunft des Museums

Für ihren (für mich vorbildlichen) Blog liest Nina Gorgus heute denselben Text in der Neuen Zürcher Zeitung, der mir heute Morgen auch aufgefallen ist. Ihr gefällt an dem Artikel die von Marktforschung und kostenlosem Zutritt unterstützte Offenheit des Konzepts des Victoria & Albert Museum, zum Beispiel die Öffnung für ganz bestimmte Besucherschichten, die mit maßgeschneiderten Angeboten angesprochen werden: Chinesische Besucher mit dem Event 'Chinesisches Neujahr', junge Leute mit Design-Ausstellungen über Pop-Stars wie Kylie Minogue.
Mir fällt auf, daß der Artikel von Marketing, Event und dem Bemühen spricht, mit der Konsumgesellschaft Schritt zu halten. Die Renovierung ganzer Galerien, architektonische Erweiterungen und Umbauten, die Erweiterung und Erneuerung all jener Bereiche, die dem Wohlgefühl der Besucher dienen  - man will jung, chic und innovativ sein - wie Eingangsbereich, Café, Garten, Shop signalisieren Aufbruchstimmung.
Diese Schlagseite bei der Vorstellung des Museums mag ausschließlich dem Artikel geschuldet sein, somit auch das Fehlen fast jeden Hinweises darauf, was sich denn inhaltlich am Museum verändert hat. Daß es solche konzeptuelle Änderungen geben muß, darauf weist Nina Gorgus mit Hinweis auf die Webseite des Museums hin.
Die Überschrift des Berichts in der NZZ lautet Kultur für alle. Museumsmarketing am Beispiel des auf internationales Kunsthandwerk spezialisierten Victoria & Albert Museum in London. Das impliziert eine weitreichende Schlußfolgerungen. Nämlich, daß all die genannten, unter dem Begriff des Marketing fassbaren Maßnahmen ein kulturpolitisches Ziel haben: Die Beteiligung aller an Kultur, an Museumskultur.
Dem widerspricht selbst der Artikel schon. An der Zusammensetzung des Publikums - Mittelklassenpublikum mittleren Alters - hat sich wahrscheinlich nichts geändert, meint der Direktor des V & A.
Kultur für alle war ein politisches Schlagwort des sozialdemokratischen Aufbruchs der 70er-Jahre. In Österreich am Beginn der Kanzlerschaft von Bruno Kreisky fassbar an soziologischen Studien zum 'Kulturverhalten' der Österreicher, denen kaum praktische kulturpolitische Konsequenzen folgten.
In Deutschland am nachhaltigsten wirksam war derselbe Imperativ im Frankfurt des Kulturdezernenten Hilmar Hoffmann, der 1979 einem Buch den Titel Kultur für alle gab. Dieser Kulturpolitik ist zum Beispiel das bedauerlich kurzlebige (und heute vom Museum selbst schamhaft verschwiegene) Experiment eines Museums zu verdanken, das sich inhaltlich, gestalterisch und didaktisch der Idee stellte, die Grenzen von Hochkultur und kleinbürgerlich-proletarischer Kultur aufzulösen. Ich spreche vom Historischen Museum, dessen Beispiel seither niemand mehr aufgegriffen hat.
Freilich war schon damals abzusehen, wie schnell diese Konjunktur der Kulturpolitik zwei nachhaltige Effekte hatte: Die Öffnung der Kultur für einen Markt, dessen einzige und fragwürdige Egalität in der Konsumierbarkeit der 'Kulturgüter' lag und - die Instrumentalisierung der Kultur für die Politik. (Vgl. auch den Post "Bildungsauftrag").
Unter diesen Bedingungen konfiguriert sich eine strukturelle Funktion von Museen neu: die der Weitergabe kultureller Werte. Wenn man Diskussionen und Maßnahmen einseitig nur auf die Kommunikation solcher Werte legt (wie es Museumsmarketing impliziert) und sich mit abstrakten Leerformeln begnügt (für alle...), dann bleibt die Frage nach den Werten und dem, was zu welchem Zweck vermittelt werden soll selbst ungestellt. Werte und Bedeutungen werden als museale wie gleichsam immerwährend und ewiggültig vorgestellt und es unterbleibt der Prozess der Prüfung, ob das 'Erbe' angenommen oder zurückgewiesen und kann und wie und zu welchem Zweck es bewahrt und ausgestellt werden soll.
Es bleibt in der Folge auch die Geltung der Werte innerhalb einer hegemonialen Kultur- und Museumspolitik vollkommen ausgeklammert. Also die Frage, wer in wessen Namen für wen und mit welchen Absichten eigentlich welche Werte propagiert und als herrschend deklariert. In westlichen Industriegesellschaften, in denen der stärkste gesellschaftliche Zusammenhalt durch den universal-egalitären Konsum garantiert wird, ist eine politisch wichtige Frage, wie zusätzlich stabilisierende kulturelle Werte und Normen aufrecht erhalten werden können. Die Erzeugung und Zirkulation von common objects war immer eine Aufgabe von Museen, aber eingebettet in ein demokratisch-zivilgesellschaftliches Verständnis vom Projekt Museum.  Das heißt, daß diese 'Allen', die angesprochen werden sollen, dort eben nicht nur als Konsumenten verstanden wurden, sondern als Produzenten ihrer kulturellen Umwelt als Teil bürgerlicher Öffentlichkeit.
In der Orientierung an Marketing, Dienstleistungen und Kunden geht der im Kern demokratische, diskursive und partizipatorische Imperativ des Museums allmählich verloren und verschwindet auch aus dem museologischen Alltagsdiskurs.
Mit dem Artikel der NZZ traue ich mir keine so weitreichende Schlußfolgerung zu, daß das Neue an der 'Philosophie' des Londoner Museums, ausschließlich in der Entwicklung einer immer raffinierteren Vermarktung liegt. Der Slogan Kultur für alle läßt sich mit Sicherheit nicht auf die britische Museumssituation anwenden. Der Text spiegelt möglicherweise eine Haltung der medialen Wahrnehmung von Museen wieder, die sich leider an der Ökonomisierung der Kultur und ihrem speziellen wording mehr und mehr orientiert.
Aber an der Frage sollte man festhalten und daran das reale Victoria & Albert Museum messen (und andere, die solche Wege wie das Museum als Marke gehen auch). Etwa so: Warum sollen Museen mit der Konsumgesellschaft Schritt halten und was bedeutet das für den Wandel des Museums?

Samstag, 12. Dezember 2009

Ein Tollhaus als Museum

Das Nationaal Museum van de Psychiatrie in Haarlem ist in einem Gebäudekomplex untergebracht, der 1320 nach und nach entstanden ist, und Lepra- und Pestranke sowie ‚Geisteskranke’ aufnahm. Das erst 2005 eröffnete Museum, das kurz Het Dolhuys genannt wird, besticht durch sein Konzept und seine Gestaltung.

Der labyrinthische Gebäudekomplex wurde, ohne große bauliche Eingriffe, geschickt genutzt, um die unterschiedlichen Aspekte von ‚Geisteskrankheit’ zu thematisieren. Ihre Geschichte, ihre Wissenschaft, die Formen der Therapie. Im Zentrum steht die Frage der gesellschaftlichen Definition des ‚Abweichenden’, mithin der – sich permanent wandelnden – Grenzziehung zwischen Normalität und Wahn.

Den Auftakt bildet deshalb eine einfache aber sehr wirkungsvolle Installation, die den Besucher buchstäblich in den (niederländischen) Statistiken diverser Krankheitsbilder spiegelt, und animiert, sich zu fragen, wer denn überhaupt ausgenommen werden kann aus den Zuschreibungen einer (Geistes)krankheit und damit, wo ich mich situiere.

Eine von fünf Personen in den Niederlanden hat ein psychisches Problem. Damit sind wir übrigens nicht verrückter als der Rest der Welt. Fast alle kennen wohl eine Person, die an Depressionen, Burn-out oder Alzheimer leidet, heißt es auf der Webseite des Museums.

Der Kunstgriff des ersten Museumsraumes ist, den Besucher des Museums als fragendes und mit schwankender, unsicherer Identität ausgestattetes Subjekt auf den Museumsrundgang zu schicken. So wird er in den gleich folgenden Räumen, wo ihm aus altem Mobiliar Stimmen von Betroffenen entgegentönen, nicht unbedingt zu einem Voyeur, sondern zu einem sich selbst befragenden Gegenüber. Das gilt auch für den gestalterisch auffallendsten Raum, in dem Figurinen versammelt sind, deren Köpfe durch bestimmte Leiden symbolisierende Objekte ersetzt ist. So wird auf zugleich witzige, anschauliche aber auch Empathie ermöglichende Weise über Formen der Depersonalisierung erzählt.

Die Gestaltung durch shooting stars des niederländischen Ausstellungsdesigns Kossmann-deJong ist ausgesprochen erfrischend, klug mit den Fragestellungen und Themen kooperierend und im Detail sehr originell: Besonders in Erinnerung geblieben sind mir die reichliche Verwendung alten Mobiliars und die hybriden Kreuzungen unterschiedlichster Sessel, Tische und Lampen, sowie Bricollagen aus antiquierten Möbeln, in die moderenste Technik gepackt wurde. Noch nie habe ich eine so annehmbare und amüsante Verpackung für die leidigen Computer-Monitore gesehen.
Das Museum ist modellhaft in der unangestrengten Verknüpfung von Information und Unterhaltung, Wissenschaft und Visualisierung.

Donnerstag, 10. Dezember 2009

Die Eingeborenen der Bildungselite werden immer weniger

In den Museumsdiskussionen der deutschsprachigen Länder ist ein Thema nahezu verschwunden, das in den 70er-Jahren – recht kurz – theoretisch wie praktisch präsent war: Die sozialen Barrieren des Museums und damit die Frage nach der Hegemonie einer Elitenkultur. Eine französische Untersuchung bringt dazu einige interessante Einsichten, auch für das Museum. Der Soziologe Olivier Donnat hat im Auftrag des französischen Kulturministeriums eine Studie erstellt, die in einem Satz zusammengefasst ergeben hat: Die Bürger interessieren sich immer weniger für Kultur. Daß bildungsbürgerliche Aktivitäten langsam im Schwinden begriffen sind, ist nicht neu, und auch nicht, wenn ich an in Österreich oder Deutschland schon vor Jahrzehnten gemachte Studien denke, daß große Teile der Bevölkerung vom kulturellen Leben und daher auch von der Arbeit der Museen abgeschnitten sind.
Neu in der französischen Studie ist, daß an Kultur Interessierte immer stärker aus einer einzigen und relativ homogenen Gruppe kommen, den gebildeten, gut verdienenden Großstädtern. Auch das scheint nicht ganz so neu, wenn man sich an Pierre Bourdieus Analyse der Rekrutierungsmechanismen der Eingeborenen der Bildungselite erinnert. Neu dagegen ist, daß sich abzeichnet, wie die sozialen Auseinandersetzungen unter diesen Voraussetzungen auch zu einem Kulturkampf werden könnte.
Sascha Lehnartz, der in DIE WELT über die Studie berichtet, nennt Le Pen, die Affäre um die Verhaftung Roman Polanskis und Sarah Palins Wahlkampf als Beispiele der Mobilisierung kultureller Ressentiments. Neu ist auch der klare Befund, daß die Kluft zwischen den sozialen Gruppen immer größer wird. Die Bildungsferne großer Schichten wird immer größer.
Das gilt auch für Museen, die – so die Studie – in Frankreich nahezu zum Monopol der Wohlhabenden geworden sind. Die Besucherzahl großer Kunstmuseen wächst zwar, aber zuungunsten kleinerer Museen und Museen außerhalb von Paris.
Die grundlegendste Schlussfolgerung, Lehnartz zieht ist: Kultur als Medium zur demokratischen Teilhabe für alle (scheint) immer weniger zu funktionieren.

Sascha Lehnartz: Niedergang einer Kulturnation, in: DIE WELT ONLINE, 20. Oktober 2009
Olivier Donnat, Les Pratiques culturelles des Français à l'ère numérique, ed. La Découverte, 284p, 20 Euro
Pierre Bourdieu: Zur Soziologie der symbolischen Formen. Suhrkamp, Frankfurt a. M. 1974 (franz. 1970)

Dienstag, 8. Dezember 2009

Wann ist Museum? - Das Felder-Museum in Schoppernau

Die über den Begriff Museum wachende Grenzpolizei würde dieses Museum sicher nicht durchgehen lassen. So wenig ‚Museum’ war nie. Ein einziger schmaler Raum, einige wenige unspektakuläre Objekte und zu einer einzigen Flachwaren-Wand zusammengefasste Texte und Illustrationen.

Das soll ein Museum sein? Dieses Felder-Museum in Schoppernau?
Franz Michael Felder war ein sozial und politisch äußerst engagierter Schriftsteller, der Zeit seines kurzen Lebens (er starb mit 29) von Konservativen und Klerikalen massiv angegriffen wurde. Sein Kampf gegen die destruktiven und existenzbedrohenden Tendenzen der Industrialisierung und wirtschaftlichen Konzentration wird bis heute durch einen Verein und ein  Archiv (innerhalb des Vorarlberger Landesarchivs) in Erinnerung gehalten.

Die Qualität des kleinen Museums im Geburtsort Felders, Schoppernau (Bregenzerwald; Vorarlberg), liegt in der exzellenten Information.

Ja sicher, das widerspricht allen Regeln: im Stehen muß man an einer meterlangen Wand entlang lesen und lesen... Aber der Text ist vorzüglich und bahnt einem rasch und präzise eine Vorstellung von Biografie, Politik, Lebensweisen und verknüpft das Regionale mit den großen sozialpolitischen Fragen des 19.Jahrhunderts. Das Lesevergnügen und die Informativität werden von einer selten so durchdachten grafischen Gestaltung unterstützt. Die Gliederung der Texte, die Wahl der Schrifttypen, der Umgang mit den illustrativen Bildrepliken läßt einen vergessen, daß man grade dabei ist, sich entlang einer ‚Textwüste’ entlangzuarbeiten, also sich in einem eigentlich ‚unmöglichen’ Museum befindet.

Und dann: das Museum liegt im oberen Stockwerk eines für den Bregenzerwald typischen gleichermaßen traditionsbewußten wie modernen, unprätentiösen Baues mit gemischter Funktion. Zu einer Art Ortszentrum wird das Haus auch durch die kleine kommunale Bibliothek, die ohne jede Barriere an das Museum anschließt.

Als ich das Felder-Museum besuchte, herrschte in der Bibliothek reges Treiben, spielende Kinder und stöbernde Erwachsene kontaminierten den Einraum des Museums mit einer Lebendigkeit, die man viel ‚richtigeren’ Museen oft wünschen würde.

Ja, was ist ein Museum, und wann ist Museum?

Sigmundskron - Ein Museum als Bergwanderung

Nach der Beendigung seiner Karriere als Extrembergsteiger hat sich Reinhold Messner dem Museumsgründen zugewendet. Fünf Museen dürften es derzeit sein, die er gegründet hat, aber er hat noch weitere Pläne.
Das Land Südtirol unterstützt ihn, denn anders wäre es nicht denkbar, daß er das Schloß Sigmundskron (im Süden von Bozen gelegen, nahe der Ortschaft Firmian) – ein besonderer Gedächtnisort Südtirols - in (s)ein Museum umwandeln durfte.
Um es gleich zu sagen: das Museum ist nicht wegen der Sammlung (der privaten Messners) interessant. Dazu ist die Sammlung zu heterogen und zu wenig spektakulär. Und es ist auch nicht wegen des Austellungskonzepts sehenswert. Im Gegenteil. So etwas wie ein Narrativ, eine erkennbare Strukturierung gibt es kaum. Alles kreist um das Bergsteigen, vor allem – Messners Verständnis gemäß -, als spirituelle Grenzerfahrung.
So kommt es zu verblüffenden Nachbarschaften von Gerätschaften und religiösen Fetischen, von modernen Gemälden und Berg-Dioramen, kleinen verrätselten Interventionen und auftrumpfender Selbstdarstellung.
Unterfüttert ist das Ganze mit massenhaft ausgestreuten Zitaten, Merksätzen, Philosophischen Brosamen, die, beliebig platziert im oft unsäglich banal vergeblich Autorität durch die Nennung der Autoren erheischen.
An dieser Sammlung flaniert man mit einer Mischung aus Verwunderung, Befremden, Unverständnis und – manchmal - Neugier vorbei.
Dafür würde sich ein weiter Weg nicht lohnen.
Das Aufsehenerregende ist die Burg selbst, ihre Lage, die einen spektakulären 360-Grad Rundblick erlaubt und vor allem die die Ruine überbauende und sie durchziehende Architektur des Architekten Werner Tscholl.
Die Abstraktheit der Baukörper und das Material – rostiger Stahl – bilden einen scharfen Kontrast zur Ruine. Moderne Treppen, Stege, Plattformen, Gehäuse bilden zusammen mit der alten Architektur einen beinahe geschlossenen Rundgang an. Und dieser ist nichts weniger als eine veritable Bergwanderung, mit ausgesucht schwindelerregnden Tiefblicken, ausgesetzten Wegstellen, überraschenden Durch- und Fernblicken und einem beachtlichen Höhenunterschied, den man zu bewältigen hat, wenn man jedem möglichen Weg folgt. Wer sich in den Genuss des Gehens und den der Sammlung vertieft, der kann schon zwei, drei Stunden wandernd unterwegs sein. Der Genuß dabei liegt im durchqueren höchst unterschiedlicher Räume, Binnenräume des Burgmuseums und Außenräume, die sich immer neuen Blicklenkungen fügen, in raffiniert inszenierten Rahmungen, Durchblicken und kulissenhafter Verschränkung von Innen und Außen.
Ein Museum als Bergwanderung.

Jüdisches Museum der Stadt Wien - Ein Opfer populistischer Kulturpolitik?

Das Jüdische Museum hat eine neue Leitung. Beworben haben sich unter anderem Hanno Loewy (Korrektur vom 1.3.2011: Wie ich erst jetzt erfahre, bin ich einer "Zeitungsente" aufgesessen. Hanno Loewy hatte sich damals n i c h t beworben. Es tut mir leid, daß man der Berichterstattung der österreichischen Tagespresse so wenig trauen kann.) und Bernhard Purin, beide als Wissenschafter und Museumsleiter hervorragend qualifiziert.
Die Stadt Wien hat sich für eine Nachrichtensprecherin des ORF Fernsehens entschieden. Aus den Zeitungsberichten war nichts über eine Qualifikation für den Job einer Museumsdirektion herauszulesen. Keine Managementerfahrung, keine mit dem Ausstellen, keine einschlägige wissenschaftliche Qualifikation.
Worum es geht, wurde in den ersten Äußerungen auf der Pressekonferenz klar, in der Frau Spera vorgestellt wurde. Es geht um Popularisierung, um mediale Präsenz, um bessere 'Quoten'. Das Museum hat etwa 80.000 Besucher im Jahr und das scheint den Kommunalpolitikern zu wenig zu sein.
Das Museum hat eine der innovativsten Dauerausstellungen, die ich kenne. Es gab hier zahlreiche Ausstellungen, die nicht nur durch die Themenwahl interessant waren, sondern durch ihre Reflexivität. Was theoretisch unter diesem Schlagwort so oft gefordert wird, daß Museen sich der Bedingungen ihrer komplexen Arbeit bewußt werden sollen, ihrer 'Hybridität', um damit praktisch neue Repräsentationsformen zu entwickeln, das galt für viele der Ausstellungen des Jüdischen Museums.
Also warum mißt man Museen immer und immer wieder nur an der Zahl der Besucher und nicht an der - in diesem Fall - überragenden Qualität? Warum kann man nicht ertragen, daß es ein paar Museen gibt, es sind ohnehin so wenige, die intelligente, nachhaltige und innovative Arbeit machen? Warum respektiert man nicht die über viele Jahre hin bewährte kuratorische Professionalität und Erfahrung?

fotos: gottfried fliedl