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Samstag, 12. Dezember 2009

Ein Tollhaus als Museum

Das Nationaal Museum van de Psychiatrie in Haarlem ist in einem Gebäudekomplex untergebracht, der 1320 nach und nach entstanden ist, und Lepra- und Pestranke sowie ‚Geisteskranke’ aufnahm. Das erst 2005 eröffnete Museum, das kurz Het Dolhuys genannt wird, besticht durch sein Konzept und seine Gestaltung.

Der labyrinthische Gebäudekomplex wurde, ohne große bauliche Eingriffe, geschickt genutzt, um die unterschiedlichen Aspekte von ‚Geisteskrankheit’ zu thematisieren. Ihre Geschichte, ihre Wissenschaft, die Formen der Therapie. Im Zentrum steht die Frage der gesellschaftlichen Definition des ‚Abweichenden’, mithin der – sich permanent wandelnden – Grenzziehung zwischen Normalität und Wahn.

Den Auftakt bildet deshalb eine einfache aber sehr wirkungsvolle Installation, die den Besucher buchstäblich in den (niederländischen) Statistiken diverser Krankheitsbilder spiegelt, und animiert, sich zu fragen, wer denn überhaupt ausgenommen werden kann aus den Zuschreibungen einer (Geistes)krankheit und damit, wo ich mich situiere.

Eine von fünf Personen in den Niederlanden hat ein psychisches Problem. Damit sind wir übrigens nicht verrückter als der Rest der Welt. Fast alle kennen wohl eine Person, die an Depressionen, Burn-out oder Alzheimer leidet, heißt es auf der Webseite des Museums.

Der Kunstgriff des ersten Museumsraumes ist, den Besucher des Museums als fragendes und mit schwankender, unsicherer Identität ausgestattetes Subjekt auf den Museumsrundgang zu schicken. So wird er in den gleich folgenden Räumen, wo ihm aus altem Mobiliar Stimmen von Betroffenen entgegentönen, nicht unbedingt zu einem Voyeur, sondern zu einem sich selbst befragenden Gegenüber. Das gilt auch für den gestalterisch auffallendsten Raum, in dem Figurinen versammelt sind, deren Köpfe durch bestimmte Leiden symbolisierende Objekte ersetzt ist. So wird auf zugleich witzige, anschauliche aber auch Empathie ermöglichende Weise über Formen der Depersonalisierung erzählt.

Die Gestaltung durch shooting stars des niederländischen Ausstellungsdesigns Kossmann-deJong ist ausgesprochen erfrischend, klug mit den Fragestellungen und Themen kooperierend und im Detail sehr originell: Besonders in Erinnerung geblieben sind mir die reichliche Verwendung alten Mobiliars und die hybriden Kreuzungen unterschiedlichster Sessel, Tische und Lampen, sowie Bricollagen aus antiquierten Möbeln, in die moderenste Technik gepackt wurde. Noch nie habe ich eine so annehmbare und amüsante Verpackung für die leidigen Computer-Monitore gesehen.
Das Museum ist modellhaft in der unangestrengten Verknüpfung von Information und Unterhaltung, Wissenschaft und Visualisierung.