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Sonntag, 6. November 2016

Das Zeppelin-Museum in Friedrichshafen

Sparbüchse in Zeppelinform (Foto: GF 2016)
Er war zwar nicht der Erfinder des Starrluftschiffes, aber er hat etwas geschafft, was Erfindern nicht so leicht zufällt: sein Name wurde zum Synonym für das volatile Gefährt - Ferdinand von Zeppelin (1838 - 1917). Wer ein eigentümlich ovaloid geformtes Objekt über seinem Kopf lautlos schweben erspäht sieht einen "Zeppelin".
Nach einer langen militärischen Karriere, zu der eine Beobachterposition im Amerikanischen Bürgerkrieg gehörte und eine Teilnahme am Deutsch-Französischen Krieg, widmete er sich nach seiner Verabschiedung aus der Armee, im Alter von über 50 Jahren, mit der Ballonluftfahrt, die er in militärischer Verwendung kennengelernt hatte und versuchte Armeeführer und Könige von der "Notwendigkeit der Lenkballone" (der Titel einer seiner Denkschriften) zu überzeugen. Ermutigend waren die Reaktionen auf seine Vorschläge ganz und gar nicht.
Auch der Beginn des Baues eines Starrluftschiffes wurde bespöttelt, obwohl schon ein Jahr später erste Aufstiege über dem Bodensee erfolgten. Die Wende brachte ausgerechnet die Havarie eines seiner Luftschiffe auf die mit Spenden und Interesse reagiert wurde.
Zeppelin, in Konstanz geboren, siedelte die Produktion der Luftschiffe in Friedrichshafen an und legte so den Grundstein zur rasanten Industrialisierung der Stadt am Bodensee.
Doch die Technik eines Starrluftschiffes erwies sich als schwierig beherrschbar und der Nutzen hielt sich in Grenzen. Zunächst wurden kurze Passagierflüge damit möglich und Aufklärung und Bombenabwürfe im militärischen Einsatz. Ab den 1920er-Jahren wurden so große und relativ zuverlässige Schiffe gebaut, daß sogar Transatlantikflüge möglich waren. Dennoch blieb der finanzielle und personelle Aufwand enorm - bei vielen Flügen mußte es ebenso viel Besatzung wie Fluggäste geben- daß die Weiterentwicklung zu riesigen Zeppelinen erst in der NS-Zeit mit massiver Unterstützung auch in Hinblick auf Kriegstauglichkeit möglich wurde. Der Betrieb der Schiffe blieb unsicher - man schätzt daß bis dahin bei allen Flügen zusammen etwa 45% der Besatzung umkamen. Das endgültige aus für den Zeppelin kam mit dem katastrophalen Brand und Absturz der "Hindenburg" in den USA (Lakehurst) 1937, das übrigens auch als erstes life übertragene Großunglück der Mediengeschichte gilt.
Damit kam die Entwicklung der Starrluftschiffe zum Erliegen. Aber es gibt eine List der Geschichte. 1945, als es der Bundesrepublik noch verboten war, eine eigene Luftfahrt aufzubauen, gingt die von Zeppelin vorsorglich eingerichtete Stiftung wegen Erlöschens des Stiftungszwecks an die Stadt Friedrichshafen über, die in der Nachkriegs- und Wiederaufbauzeit zahlreiche Bau- und Sozialprojekte finanzieren konnte und bis heute von der Stiftung profitiert.
Seit den 90er-Jahren erfolgte eine von vielen Rückschlägen begleitete Wiederaufnahme des Luftschiffbaues in Friedrichshafen. Die Einsatzmöglichkeiten sind bescheiden, aber es gibt wieder eine Personenschifffahrt v.a. im Bodenseeraum. Der Betrieb solcher moderner und relativ sicherer Schiffe kann annähernd rentabel sein, die Produktion aber bei weitem nicht. Auch auf Grund der Entwicklung von Großflugzeugen wird der "Zeppelin" ein Nischenprodukt bleiben.

Museumsfoyer (Foto: GF 2016)
Bereits 1913 hatte das Bodenseemuseum in Friedrichshafen einen Zeppelin-Raum erhalten. In den 20er-Jahren wurde daraus ein städtisches Museum. Nach dem Krieg wurde die Zeppelinsammlung nach Frankreich gebracht und in den 60er-Jahren zurückerstattet und kam im 1956 wiedereröffneten Bodenseemuseum unter. Heute ist das gesamte Museum im von der DB aufgelassenen und unmittelbar am Bodensee gelegenen Bahnhof untergebracht (seit 1996), trägt den Namen "Zeppelinmuseum" und hat etwa 250.000 Besucher im Jahr.
Der 1933 entstandene Bau bietet einen architektonisch interessanten, sehr sachlichen Rahmen für die beiden Schwerpunkte des Museums: Entwicklung und Technik des Zeppelins einerseits und Kunst andrerseits.

Rumpfteil der "Hindenburg" in Originalgröße und begehbar (Foto: GF)
Um die Rekonstruktion eines Rumpfteils der Hindenburg gruppiert sich die Geschichte und Katastrophe dieses besonderen Luftschiffes, eine genau Dokumentation mit weiteren Nachbauten von Räumen und wie Reliquien ausgebreiteten "letzten Dingen" der Hindenburg, ihrer Besatzung und ihrer Gäste. Die Katastrophe selbst, das Schicksal von Passagieren und Fahrgästen, die nachfolgende Untersuchung zum Unglück, die mediale Resonanz, das alles wird akribisch geschildert.
Ein weiterer großer Ausstellungsteil, übersichtlich in Vitrinen gegliedert, gilt der Entwicklung des Ballon- und Starrluftschiffbaues mit einer Unzahl von Objekten. Texte und Objekte vermittelten auch mir als Laien eine gut nachvollziehbare Entwicklungsgeschichte dieser speziellen Form der Luftfahrt mit ihren technischen und kulturellen Implikationen.
Anfänge der Ballon- und Starrluftschifffahrt

Saal mit der geschichtlichen Entwicklung der Zeppelin-Luftfahrt
In weiteren Flügeln des verzweigten Baues findet man technische Informationen und vor allem dann Informationen zum kultur- und stadtgeschichtlichen Kontext. Mit bescheidenen Mitteln aber eindrucksvoll wird die eigentliche, wenige Jahre nach dem Hindenburg-Brand eintretende zweite, größere und folgenreichere Katastrophe visualisiert: die verheerende Bombardierung Friedrichhafens, das durch die Zeppelin-Produktionsstätten zum wichtigen Industriestandort und damit zum Ziel alliierter Bombardements geworden war.

Fotos des bombardierten Friedrichshafen
Hier erweist sich das Museum als besonders eindrucksvoll, weil sein Narrativ nicht als lineare Fortschritts- und Erfolgsgeschichte erzählt wird, sondern die Geschichte von Erfindung und Erfinder, und triumphalistisch auftretender Technik - die letzten Zeppeline hatten gigantische Ausmaße - und Prosperität der Stadt jäh gebrochen wird in den Fotografien und Zeugnissen der Verheerung und Verwüstung.
Eine ähnliche kritische "Pointe", die die Entfesselung des militärisch-industriellen Komplexes derart beredt implodieren läßt, habe ich bisher nur in der (so nicht mehr existierenden) Dauerausstellung des Stadtmuseums Rüsselsheim gesehen. Dieser Abschnitt der Ausstellung zum Kriegsende in Friedrichshafen verhindert, daß man die Geschichte des Zeppelins als konsequente Erfindungs- und Erfolgsgeschichte lesen kann.

Die Kunstsammlung
Die Kunstabteilung des Zeppelinmuseums gilt als bemerkenswert, weil dort in Ausstellungen versucht wird, die beiden Sammlungsbestände thematisch zusammenzuführen. Leider war eine einschlägige Ausstellung gerade in Vorbereitung also unzugänglich. Und an der Dauerausstellung überraschte mich eher nur der Otto-Dix-Sammlungsschwerpunkt, weniger die sehr heterogene Sammlung in nicht besonders ansprechenden Räumen.

Donnerstag, 27. Oktober 2016

Relikte einer Katastrophe

Relikte der in Lakehurst verunglückten Hindenburg. Die Katastrophe beendete für Jahrzehnte die Entwicklung des Zeppelins. Zeppelin-Museum Friedrichshafen (GF 2016)

Mittwoch, 31. August 2016

"Hat nicht der Mediamarkt mit seiner Frauenabteilung schon mal was in der Richtung versucht?". Gendergerechtigkeit im Spiegel der Intelligenzzeitungs-Postings

Vor einigen Tagen hat die Redakteurin der Tageszeitung DER STANDARD, Tanja Paar, das Buch von Ann Döpfner "Frauen im Technikmuseum" sachkundig rezensiert. Na mehr hat die Zeitung und die Journalistin und die Buchautorin nicht gebraucht. In über 200 (!) Postings alberten Männer rum und machten das - anzunehmen allen unbekannte Buch - verächtlich. "Na das wird die Mädels zu den toten Dampfmaschinen treiben!!!". "In Museen zur Kriegsgeschichte sind Frauen wenig thematisch vertreten. Echt jetzt? Und DARAN sollte 'geforscht' werden? Was sollte daran GEFORSCHT werden an 'Krieg und Gender'?" "Wer verlangt denn dass alle Facetten der Geschichte auf einmal behandelt werden?" "Krieg und Gender - was soll das sein? Soldaten die sich als Frau fühlen an der Isonzo-Front?"  "Es ist nicht Aufgabe eines technischen Museums alle diese Aspekte zu beleuchten. Dafür gibt es eigene Einrichtungen." "Man schaue sich nur mal die heutigen Patentanmeldungen an. Über 90% der Erfindungen gehen auf den Kopf von Männern." "Es gibt auch ausnahmsweise Themen, in denen Frauen eben nicht oder nur 'unterrepräsentiert' vorkommen. Eine Vater-Sohn-Beziehung zum Beispiel. Und was das mit dem technischen Fortschritt zu tun hat, verstehen offensichtlich nur sie alleine." "Anscheinend will man nun auch schon bei Museums-Besuchern eine 50%-Frauenquote." "In einem Technikmuseum steht Technik ... entweder man mag das, oder nicht." "Warum keine Kampagne: Mehr Frauen auf die Südtribüne, mehr Frauen auf den Hirschenkogel, mehr Frauen in die Karthallen ...". "Die Wissenschaft ist geschlechtsagnostisch und das ist gut so." "In der Technik und Wissenschaft möchte ich doch bitte keine Ideologie u.Ä. sondern nur Hard-Facts." "Ganz ehrlich: In einem technischen Museum will ich Technik sehen und nicht mit Gender, Race & Class berieselt werden."

Sonntag, 19. Juni 2016

Cosmos Caixa und eine Kritik am Science Center

Cosmos Caixa, Barcelona. Hauptgeschoss mit Ausstellungen
Sogenannte Wissenschaftsmuseen sind ein - nicht mehr ganz neuer - Typ von Museum, der zwei ältere beerbt hat - das Naturmuseum und das Technikmuseum. Wissenschaftsmuseen haben es mit der Popularisierung jener naturwissenschaftlichen Erkenntnisse zu tun, die einerseits tief in unsere Lebenswelt eingedrungen sind, andrerseits in den genannten älteren Museumstypen nicht mehr repräsentiert wurden und konnten. Dabei gibt es ein breites Feld von stark popularisierenden, auf spielerisches Probehandeln und Hands-on-Installationen setzende Häuser auf der einen Seite und harte Wissenschaftsfakten in allgemeines Bildungswissen umsetzend Institutionen.
Dass dabei die Bezeichnung Museum abhanden kommt, ist nachvollziehbar, zumal dieser Typ von Museum meist mit der historischen Dimension von Wissen nichts oder kaum mehr was zu schaffen hat und die Bevorzugung der Interaktion, des Erlebnisses, das Probieren und Experimentieren als Modi der Erfahrung auch nicht zum herkömmlichen Verständnis von Museum passen.

Wissenschaftsmuseum, oder Science Center sind ausnahmslos affirmativ. Ich habe noch keins gesehen, das auch nur ansatzweise gesellschaftskritisches Potential hatte. Sie vermitteln mechanistisch Funktionsweisen, aber ganz unter Ausklammerung der Anwendung, das heißt unter Ausklammerung von Nutzen und Nachteil von (Natur)Wissenschaft. Sie setzen auf Staunen und Überraschung, und selbst wo in sich stimmige Erläuterungen gegeben werden, bleiben diese innerhalb der fachlichen Logik der Beschreibung. Wissenschaftsmuseen sind Agenturen des Vertrautmachens mit dem Fortschritt des naturwissenschaftlichen und technischen Wissens unter Ausklammerung problematischer Fragen etwa der Ressourcen erschöpfenden Energiegewinnung, der Reproduktionsmedizin, der Waffentechnik, des Verkehrswesens, der Kommunikationstechnologien usw.

Cosmos Caixa, Barcelona. Über das Großartige von "Research"
Wissenschaftsmuseen bedienen einen unendlich sich dehnenden Erwartungshorizont einander ablösender Problemlösungskompetenz: was immer sich uns in den Weg stellen könnte, es gibt oder es wird eine Lösung geben. Der medizinische Fortschritt etwa ist ein Fortschritt in der Bekämpfung von Krankheiten. Unerwähnt und nicht dargestellt bleibt, dass er neue, sozial unerwünschte Kollateralschäden nach sich zieht. Mit anderen Worten, wie das Casino gewinnt der naturwissenschaftlich-technische Fortschritt immer. Wo, was meiner Beobachtung selten geschieht, vergangene Technologien thematisiert werden, bestätigen sie ebenfalls diesen Befund. Die Dampfmaschine hat uns die Lokomotive gebracht - aber auch das Schlachtschiff? Der erfüllte Traum vom Fliegen hat uns die Welt erschlossen, aber auch die Bombardements von Coventry, Guernica oder Dresden?
Wer also in ein Wissenschaftsmuseums geht, kann das mit gutem Gewissen tun, in dem er bestätigt werden wird.

Noch nie habe ich ein „technisches“ Museum gesehen, das nur annähernd, wenigstens in einem Teilbereich der verdichteten Formulierung Walter Benjamins (aus: Bucklige Männlein) gerecht zu werden versucht. „Weil aber die Profitgier der herrschenden Klasse an ihr [der Technik] ihren Willen zu büßen gedachte,“ schreibt Benjamin, „hat die Technik die Menschheit verraten und das Brautlager in ein Blutmeer verwandelt. Naturbeherrschung, so lehren die Imperialisten, ist Sinn aller Technik. Wer möchte aber einem Prügelmeister trauen, der Beherrschung der Kinder durch die Erwachsenen für den Sinn der Erziehung erklären würde? Ist nicht Erziehung vor allem die unerläßliche Ordnung des Verhältnisses zwischen den Generationen und also, wenn man von Beherrschung reden will, Beherrschung der Generationsverhältnisse und nicht der Kinder? Und so auch Technik nicht Naturbeherrschung: Beherrschung vom Verhältnis von Natur und Menschheit.“
Stattdessen im Verkehrsmuseum kein Verkehr, aber Fahrzeuge und andere boys toys. Gerätekunde und Gebrauchsanweisungen statt Analyse von sozialer wie kultureller Funktion und Nachhaltigkeit. Statt Problematisieren Heroisieren. Statt Dialektik der Entwicklung Fortschrittsglaube bis zum Abwinken.

Wenn eine riesige Bank, wie die spanische Caixa, die sich massiv im kulturellen Bereich angagiert und einige spektakuläre Museen und Ausstellungszentren errichtet hat, ein Wissenschaftsmuseum einrichtet und dabei sichtlich nicht knauserig vorgeht, wird man nicht erwarten, dass sie vom ideologischen Mantra des Museumstyps „Wissenschaftsmuseum“ abweichen wird. Ohne darüber jetzt weiter zu tüfteln, als zu vermuten, daß das Schmiermittel des gewaltigen Fortschritts ebenso gewaltige kreditfinanzierte Investitionen sind, sage ich mal, das passt also dann schon zusammen, das Interesse der Bank und die Botschaft des "Museums".

"Evolution" im Cosmos Caixa, Barcelona
Caixa Kosmos in Barcelona war aber trotzdem - was heißt hier trotzdem - eine Enttäuschung. Denn der Anspruch ist hoch und die Vermittlung schaffte es, jedenfalls bei mir nicht, mir die diversen Infostationen schmackhaft zu machen. Das Entrée soll nicht mehr und nicht weniger als die Evolution anschaulich machen. Das wird mit einer aufwendigem architektonischen Inszenierung versucht, die einem einen spiralförmig sich nach oben windenden Weg (Fortschritt!) aufzwingt. Irgendwo beim die Spirale nach oben trotten habe ich die Ursuppe passiert. Eine Box mit Sichtfenster. Ursuppe! Schon das Wort wäre einiger Überlegungen Wert. Die Flüssigkeit, aus der alles entstand, auch wir, die Menschen und ich, der Besucher 809.355... Die Ursuppe hatte in etwa die Konsistenz jener Tümpel, die zwar durch das Grundwasser der Donau gespeist wurden aber durch Schlamm, Laub, Samenflug, Sonnenöl, faulendes Holz usw. reichlich trüb geworden war. Na so könnte es ja gewesen sein. Vielleicht bin ich ja aus dem Tümpel entstanden, in dem ich als Kind schwimmen gelernt habe.

Aber ansonst? So viel Aufwand, so viel architektonische Kubatur, so wenig Effekt, nicht mal ein so wenig Schaulust. Das Hauptgeschoß der Information wurde überwiegend durch in sich geschlossen Info-Einheiten bestritten, die wie Inseln im flutenden rum schwammen, verankert in einem ordnenden Rastersystem. Hier hatte ich die größten Schwierigkeiten. Viele der Infos ermüdeten mich oder waren derart unsinnlich und kompliziert, daß ich wenig Lust verspürte, mich wirklich einzulassen. Also wirklich, ich war da so gar nicht das Ideal des forschenden, neugierig, eigenständig sich verhaltenden Besuchers.

Der "Regenwald" im Museum
Die Bank, ihr Logo und ihre Guten Werke - "Obra Social"
Dann gabs aber dann doch noch was. Einen Regenwald. Jetzt mal aber: sensationell! Man stelle sich eine Vitrine in der Größe eines kleinen Häuserblocks vor, vier, fünf Meter hoch, der Grund mit reichlich Wasser bedeckt, jedenfalls so viel, daß da Pflanzen, ganze Bäume wurzeln konnten und allerlei Getier schwimmen konnte - groß, fremd, unheimlich. Periodisch rauschte Wasser auf das ganze Museumsbiotop runter, als hätten sich grade fünf Schlechtwetterprognosen zu einer Protestveranstaltung zusammengefunden.
Man darf um den Regenwald rundrumgehen und ein paar Strandstellen unterirdisch erkunden, wo auch Landtiere hausen. Gleichmütig ziehen die Wassertiere ihre Bahn und die Kinder pressen ihre Hände ans Glas und die Nasen und die Erwachsenen möglicherweise auch.
Die mitgebrachte vierjährige Testperson war nach den diversen komplett überfordernden Wissensstationen von Fischen, Wald, Regen durchaus angetan, letztlich aber von allem Übrigen schon so ermüdet, dass sie nach etwa einer Stunde in Richtung Eisbecher oder Spielplatz geleitet werden musste. Größtes Erlebnis war für sie die historische Straßenbahn, die vor dem Museum, mit der man aus der Stadt zum Museum hochgeliftet wird.

Eigentlich sind Wissenschaftsmuseen eher für Kinder und Jugendliche gedacht. Im Wolfsburger Phaeno habe ich Erwachsene allenfalls als Lehrer und Museumspädagogen getroffen, kaum als Publikum. Das gehört wohl auch zu diesem Typ von Museum. Denn Kinder und Jugendliche eignen sich die avanciertesten Technologien schnell und spielerisch an und Nutzen sie gleichsam unschuldig. Sie wollen nicht behelligt werden mit den sozialen oder ökologischen Implikationen von Wissenschaft und Technik, sie konsumieren deren kurzweilige, Spaß machende Resultate. Und sie sind die Verbraucher, Käufer und Anwender der Zukunft, der Zukunftsmarkt.

Und genau so funktionieren diese Häuser auch. Ich habe die Jugendlichen dort überwiegend als zerstreute, rasch die Stationen wechselnde, am Spiel und Probieren interessierte Nutzer kennengelernt und ich habe mich genauso verhalten. Phaeno bedient das - Caixa Cosmos ist paradoxerweise, so schien mir, zu ernst, zu penibel, zu umständlich. Es muss ja möglichst alles einfach gehen, unterhaltsam ablaufen und schnell Bestätigung bringen. Falsch machen kann man eigentlich nie etwas. Die Experimente funktionieren, nur wenn man sich ganz patschert stellt, funktioniert etwas nicht. Und das Resultat darf nicht 0,74 lauten, es darf keine abstrakten Resultate geben sondern Erlebnisse: ein sich kräuselndes Wasser sein, eine fliegende Metallkugel, eine aufsteigende Wolke, ein heller Blitz…

Caixa scheint für ihre Projekte historische Industrie-Bauten zu bevorzugen, und macht sich dadurch auch Verdienste um die historische Architektur. Der Aufwand, der getrieben wird, ist enorm. Das Caixa Forum, ebenfalls in Barcelona, am Fuße des Hausberges gelegen, von dem das gewaltige Nationalmuseum Katalanischer Kunst herab einschüchtert, nutz eine aufgelassene Textilfabrik, die eine für Barcelona typische historistisch-synkretistische Architektur hat mit eigenem Reiz. Hier geht es nur um Kunst, von avantgardistischen Ausstellungsexperimenten bis zu kunst- und kulturhistorischen Ausstellungen in Kooperation mit großen Museen. Hier gibt es entsprechende und ansprechende Räume für unterschiedlichste Ausstellungsformate und für Veranstaltungen. Ich habe hier eindrucksvolle, interessant gestaltete Ausstellungen gesehen und die neue Erschliessung des Komplexes mit direktem Zugang zur Metro, neue Räume für Empfang, Gastronomie usw. machen diesen Komplex zu einem angenehmen Aufenthaltsort.

Auf der Webseite der Caixa ist den Namen der Institutionen wie ein Namensteil „Obra social“ vorangestellt, wörtlich „soziales/gesellschaftliches Werk“. Die unübersehbar breite und diversifizierte Aktivität der Caixa geht weit in den Sozialbereich hinein oder verbindet Sozialpolitisches mit Kulturellem. Mit ihrer Stiftung, der weltweit größten im Kulturbereich, agiert die Caixa wie ein Sozialstaat. New brave world, Zukunft kapitalistischen Politikersatzes und oder eine beachtliche private Verantwortung?

Mittwoch, 30. Januar 2013