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Donnerstag, 12. Januar 2023

Museum of Brands (Ein Museum)

Welcome to the Museum of Brands

A nostalgic journey through 200 years of consumer culture

Our collection takes visitors on a nostalgic journey through 200 years of social change, culture and lifestyle. It is an exciting new way of looking at history through the things that generations of families have thrown away. It’s a journey back through the memories of your childhood, all brought back to life again by our Time Tunnel – a fascinating insight into how we have lived since Victorian times. Explore the remarkable story of how our consumer society has evolved since Victorian times! In this journey of discovery that puts our favourite brands into their historical context, you’ll see royal coronations, two world wars, man landing on the moon and right up to the digital age! (Webseite https://museumofbrands.com/)

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The museum showcases over 12,000 items from the Robert Opie Collection which were housed in the Museum of Advertising and Packaging at Gloucester Docks from 1984 until its closure in October 2001. The collection moved to Notting Hill in 2005. Another display of the Robert Opie Collection at Opie's Museum of Memories formed part of the now-defunct Wigan Pier Experience. The museum receives over 40,000 visitors annually.



The museum features over 12,000 original items including domestic "everyday" products, packaging, posters, toys and games.

Set out in chronological order in the form of a "Time Tunnel" the museum takes visitors on a nostalgic journey through 200 years of consumer culture, and shows how the brands around us have evolved from the naïve charm of Victorian times to the greater sophistication of today. It also reflects the change in shopping habits, the impact of transportation, media, the effects of two world wars and the gradual emancipation of women.

Throughout the year, the museum presents temporary exhibitions, talks and workshops to create debate and examine the role of brands in history and the modern world. In 2020, the Museum opened 'When Brands Take a Stand' exploring how brands engage with social issues such as gender, sexuality, wellbeing, human rights and social justice.

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Robert Opie ist der unumstrittene Sammlerkönig historischer Kaufwaren. Seit Jahrzehnten widmet er sich dem Archivieren der Alltagskultur der vergangenen 200 Jahre: Süßigkeitenverpackungen, Seifenschachteln, Werbefiguren, Parfümfläschchen, Zigarettendosen und unzählige weitere Zeitgeisterscheinungen sind Teil davon.

Ausgang nahm seine Leidenschaft 1963 am Bahnhof im schottischen Inverness. Der 16-Jährige bekam Hunger, doch es war ein Sonntag, kein Geschäft hatte offen. Er drückte sich also einen Munchies-Schokoriegel aus dem Automaten und entschied, das Papier nicht in den Mistkübel zu werfen, sondern mit Inventarnummer 1 als Gründung seines zukünftigen Archivs aufzuheben. (...)

Robert bezeichnet seine Tätigkeit selbst als ‚modern day archeology‘." Auf sein Konto gehen mittlerweile etwa 20 Bücher und unzählige Radio- und Fernsehauftritte, wo er seine Forschungsergebnisse erläutert. Im Museum sind 12.000 seiner 500.000 Sammlungsobjekte ausgestellt, chronologisch arrangiert im kurvigen "Time Tunnel", dem Hauptbestandteil des Museums, durch den man in eigener Geschwindigkeit flaniert.

Aus: Marschall, Clemens: Archäologie der Alltagskultur. Zu Besuch im Londoner Museum of Brands, das Zeitgeschichte anhand von Verpackungen und Konsumartikeln erzählt. In: Wiener Zeitung, 11.1.2023 https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/kultur/kunst/2174016-Archaeologie-der-Alltagskultur.html




Montag, 9. Januar 2023

Neue Kapitel in der langen Geschichte der Restitution des Parthenonfrieses

 


Ein Oxforder Archäologieprofessor ist gerade dabei mit dem Kopieren des Parthenonfrieses zu experimentieren. Mit modernster Technik verwandeln Maschinen, auf Fotografien gestützt, pentelischen Marmor in exakte Nachbildungen der antiken Skulpturen um. Das British Museum verweigerte ein scannen der Originale, aber es genügten dann Schnappschüsse von iPhones und iPads. Großzügiger zeigte sich die griechische Regierung, die eine Ausnahme vom Ausfuhrverbot des Marmors machte. 

Der Professor scheint streitbar zu sein und plädiert für eine Rückgabe des Frieses an Griechenland. Das British Museum sollte dann (s)eine Kopien zeigen, aber in der ursprünglichen farbigen Fassung.

Im ältesten Restitutionsstreit gibt es widersprüchliche Entwicklungen. Das British Museum bot Athen Leihgaben an, was zurückgewiesen wurde: England könne nicht etwas verleihen, was es unrechtmäßig besitzt. Dann heißt es, daß es Verhandlungen gäbe zwischen London und Athen. Aber worüber? Ist es denkbar, daß man tatsächlich den Fries zurückerstattet?

Der Druck auf das British Museum wächst angesichts der nun seit jähren anhaltenden Restitutionsdebatten.

Und nun hat der Vatikan die Rückgabe von drei Fragmenten des Athener Parthenon-Tempels an Griechenland angekündigt. Papst Franziskus werde die Fragmente dem orthodoxen Athener Erzbischof Hieronymos II. Als „konkretes Zeichen des Wunsches, auf dem ökumenischen Weg weiter voranzuschreiten“ übergeben.  


Montag, 3. Januar 2022

Museumsdebatte. Viel Platz für keine Ideen. Die Süddeutsche Zeitung eröffnet uns zum Jahresbeginn ihre Zukunftsvision der Museen


Die Süddeutsche Zeitung reserviert heute, am 3.1., eine ganze Seite für - wie es im Untertitel heißt -, „Ideen für das Museum der Zukunft“. Ich lese nicht nur den Text, ich überlege, was thematisiert wird und was nicht und wie diese Seite ausgemacht wird. 

Da ist zunächst einmal die Überschrift, „Portikus und Punktbelastung“. Das ist mal unverständlich und schrumpelt im elendslangen Untertitel auf ein Bündel von durcheinendergewürfelten Aspekten: „Museen sollen Mensch und Kunst zusammenbringen. Das Stadtmarketing setzt auf spektakuläre Fassade und teure Gastronomie. Dabei braucht die Kunst etwas ganz anderes“.

Damit noch nicht genug. Es gibt am Kopf der Seite noch eine Überschrift: „Welche Orte braucht die Kunst? Hier einige ganz besondere Museumsbauten - und Ideen für das Museum der Zukunft“.

Es geht also um DIE Kunst und IHREN ORT, um das MUSEUM und das MUSEUM DER ZUKUNFT, um DEN MENSCHEN aber auch ums STADTMARKETING, die MuseumsARCHITEKTUR, also auch den PORTIKUS, als ein typologisches Element von Museumsarchitektur (Aber was ist mit „Punktbelastung“ gemeint?)

So viel Überschrift, die so viele Fragen aufwirft für ganze vier Spalten Text, die bloß ein Drittel der Höhe Seite einnehmen. Eine Glosse, kaum mehr. Die restlichen Drittel der Seite gehören oben einer Zeichnung vom Portikus des Kasselerer Fridericianums und unten Miniporträts von wenigen Zeilen von sechs Museen, jeweils begleitet von einer Zeichnung.

„Museen sollen Menschen und Kunst zusammenbringen“. Der Teil des Überschriftendschungels enthält bereits mehr unaufgeklärte Fragen, als der kurz geratene Artikel beantworten kann. „Menschen“? Alle? Welche? Alle sollen? Ohne Unterschied? Warum? Kunst? Die Kunst oder welche? Alle Kunst für alle Menschen? Sind Museen per Definitionen nun Kunstmuseen oder kommt’s darauf nicht an? Das ist jetzt etwas haarspalterisch argumentiert, denn ist ja offensichtlich, daß dieAutorinnen des Artikels, Catrin Lorch und Laura Weissmüller, Kunstmuseen im Auge haben. Aber die notorische Gleichsetzung von Museum und Kunst/Kunstmuseum nervt.

Der Text beginnt mit einem kurzen Abschnitt zum Fridericianum in Kassel (deswegen die Grafik mit dessen Portikus), das Landgraf Friedrich II. „Als ein Zeichen … für Aufklärung und betont städtische Öffentlichkeit“ errichten ließ „als erstes Museum überhaupt auf dem europäischen Kontinent“.

Das Fridericianum gehört zu einer Reihe deutscher Fürstensammlungen, die eine für sie gebaute Architektur erhielten, wobei die reichen Quellen zur praktischen Nutzung des Museums wenig hergeben, als es im frühbürgerlichen Sinn als öffentlich zu bezeichnen. Die Nutzung unterlag diversen, sozial einschränkenden Regelungen. Diese Museen hatten indes nicht nur mehr fürstliche Repräsentation zum Zweck, sondern schon ein - vom Fürsten definiertes -Staatswohl. Das ist das Fortschrittliche an ihnen. Erst so an die zwanzig Jahre später entstand das, was wir bis heute „Museum“ nennen: die von der öffentlichen Hand getragene, steuerfinanzierte, dem Anspruch nach allen (in Realität bis heute eher wenigen) zugängliche Bildungseinrichtung mit „indirektem Staatznutzen“ (Hermann Lübbe). 

Insofern ist die Bezeichnung als „erstes Museum“ irreführend, der Zusatz vom „ersten Museum überhaupt auf dem Kontinent“ schlicht unsinnig, weil die Institution Museum in Europa entsteht und von dort aus, 1810ff. rasch auf alle Kontinente, z.T. als ein Effekt von Kolonialisierung, „exportiert“wird.

Noch im selben Aufsatz lenken die Autorinnen die Aufmerksamkeit der Leser auf die Architektur des Fridericianum, genauer gesagt auf den Portikus, der die antike Tempelfassade zitiert, mit Giebel, Säulen, Treppe. Diese Typologie mache das Fridericianum „zum Vorbild schlechthin für Museen in der westlichen Welt“. Allerdings gehört dieser architektonische Topos auch zum fürstlichen Schlossbau. Eine Überlegung, warum ausgerechnet der antike Sakralbau zum Vorbild der frühen Museumsarchitektur wird, folgt hier nicht. Ich beckmessere jetzt kein zweites Mal und vertiefe mich daher nicht in die etwas komplexere Geschichte der sich entwickelnden Museumsarchitektur, und die diversen architektonischen Lösungen, die für diese Zeit entwickelt wurden, sondern mache mit den Autorinnen den Kopfsprung in den zweiten Absatz mit, der vom Tempel (als bauliches Zitat) zur Metapher des Kunsttempels überleitet. Halsbrecherisch.

Denn: „Die Kulturwelt“ hat „den Kunsttempeln den Kampf angesagt, gelten sie doch als zu elitär“. Ist das so? Hat sich der „Tempel“ nicht wie von selbst im von Museen selbst vorangetrieben Konsumationen Selbstverständnis aufgelöst. Bedurfte es da noch der Kritik? Die Kritik gibt es, ja - aber es gibt auch das Festhalten an einem elitistischen Selbstverständnis von Museen und ihre Verteidiger. Als elitär und als faktisch abweisend erweise sich sowohl die Architektur als auch, etwas überraschend, die hochpreisige Gastronomie in den Museen, „die seit einigen Jahren zum festen Bestandteil jedes neu eröffneten Museum gehört“. Der Elitismus der Museen gründet aber wohl kaum in abweisender Architektur oder hohen Konsumationskosten. Sondern in der sozialen Zugehörigkeit von Menschen. Sie entscheidet über den formalen Bildungsgrad und der wiederum über die Nutzung oder eben Nichtnutzung hoch-kultureller Einrichtungen wie sie auch Museen nun mal sind.

Das Verschweigen dieses Umstandes ist ein „interessiertes Schweigen“ (Pierre Bourdieu) und eines, das nicht nur verschweigt, daß materielle Bedingungen über den Genuss und Bildungswerte in Museen entscheiden, sondern daß diese Werte selbst (der Kanon der Kunstwerke, der Kanon der wertbesetzten kulturellen Güter…) sich elitistischer Wahl verdanken, aber als allgemeine gültig und verbindlich gelten. Deshalb läßt sich ganz in diesem Sinne von den Autorinnen in ihrem Text sagen: „MENSCH und KUNST“ sollen zusammengebracht werden.

Warum? „Wem muß das Museum dienen?“ fragen uns die Autorinnen. Die Antwort ist ein Ausweichen auf eine ganz spezielle, wenn auch wirklich nicht unwichtige Frage. An Gehrys Museum in Bilbao wird das Scheitern einer vom Stadtmarketing gesteuerten Entwicklung dargestellt. Es sei zur Gentrifizierung gekommen und es seien keine neuen Jobs entstanden. Und was wenn das Stadtmarketing solches gar nie im Sinn gehabt hätte. Wenn die Gentrifierung auch anderswo durch Museumsbauten vorangetrieben worden wäre, etwa in London mit der Tate Modern, die dann unter den sechs vorbildlichen Museen genannt wird? Das Stadtmarketing ist ja nicht die Ursache einer Entwicklung sondern ein Werkszeug und Symptom städtebaulicher Entwicklung, die von - in der Regel - anonymen Investoren gesteuert und getrieben wird.

Hier wird schon wieder das Thema gewechselt. Was denn nun mit dem Publikum ist, oder wohin denn die durch Gentrifizierung vertriebenen Menschen gehen, ist weniger interessant, als die Sorge um die Kunst, die in den „gebauten Spektakeln“ schlecht untergebracht sind. „Wie viel Schutz die Kunst braucht“ fragen sich und uns die Autorinnen, „Wie viel Licht?“ oder „welche Grundrisse?“ „Wäre nicht viel mehr die technische Ausstattung in Zeiten von Installations- und Medienkunst wichtig? Die CO2-Bilanz oder eine hauseigene Cloud?“ Und das senkt die zitierte „Schwellenangst“, das macht die Zukunft des Museums aus?

Was macht denn nun ein Museum aus, das auf seine Zukunft weist? Dazu gibt es sechs Beispiele, die „ nicht als Kunst-Kulissen geplant“ wurden und wo die „Räume“ ihre „Wirkung im Wechselspiel mit der Kunst - und ihrer Zeit - entfalten.“

Am Kunstmuseum in São Paulo sind es nicht die Ausstellungsräume, die interessieren, sondern der Platz unter dem Museum, wo Märkte, Konzerte, Demonstrationen stattfinden. An der Tate Modern interessiert allein die gigantische Halle, für die jährlich ein Werk konzipiert wird. Ist das nicht gerade der Spektakel, den die Autorinnen kritisieren? Die zum Museum umgebaute Brauerei Wiels in Brüssel überzeugt durch den „Charme der unprätentiösen Ausstellungsräume“, wo, leider bloß als Behauptung und nicht weiter erläutert gerühmt wird. dort „dürfe“ sich „eines der spannendsten Programme der zeitgenössischen Kunst überhaupt“ entfalten. Das zu beurteilen (mit welchen Argumenten?) ist den „Eingeborenen der Bildungselite“ (noch einmal Pierre Bourdieu) vorbehalten. Der Louvre Lens hat wiederum eine zentrale Eigenschaft, die die Autorinnen doch eben kritisiert hatten: „Etwas Spektakuläres“ habe die stützendes Halle. Doch die eigentliche Qualität liegt in der Galerie der Zeit, einer Sammlung von zweihundert Objekten aus 5000 Jahren, der „vergleichendes Sehen“ ermögliche, das „die Kunst der Stunde“ sei. 

Ist das vergleichende Sehen eine allen gegebene optische Ausstattung oder nicht doch eine höchst ungleich verteilte kulturell vermittelte Begabung? Das eben eröffnete, zugängliche Depot des Boymans-Museums in Rotterdam hat viel Aufmerksamkeit in den Medien auf sich gezogen. Aber etwas anderes als ein zugängliches Depot ist es eben nicht - mit der Möglichkeit, Techniken der Konservierung, Deponierung und auch Restaurierung kennenzulernen. Warum nicht? Aber welchen anderen Zugang zur Sammlung bietet so ein Schaudepot? (Als das es nicht neu ist). Angesichts fehlender Deutung und Kontextualisierung bietet sich als Veredelung des Ortes der schlichten Aufbewahrung die Metapher des Schatzes an. Nein, mehr als das, der „Schätze der Welt“, vom „Bruegel-Gemälde über Keramik aus Asien bis zum Alu-Rennrad“. Muß sich diese Metaphorik vom Museum als Schatzhaus - noch dazu „der Welt“ -, nicht langsam auflösen unter dem Druck postkolonialen Debatten, wo die Praktiken der „Schatzbildung“ mehr und mehr fragwürdig werden? 

Beim letzten genannten Museum, dem New Yorker Guggenheim, wird noch einmal das „Spektakuläre“, das uns doch weiter oben als Fehlentwicklung verleidet werden sollte, gerühmt und selbst das im Argumentationsgang der Autorinnen eigentlich als verheerend einzustufende Urteil der Künstler, der „aufregende Bau“ stehle „der Kunst die Schau“, wird erwähnt. „Allerdings“ - 2011 hat Maurizio Cattelan alle seine Skulpturen unter die Kuppel gehängt. Als frei schwebendes Mobile.

Ja dann! 






Sonntag, 27. Dezember 2020

Meine Lieblingsmuseen. Die ersten elf


John Soane's Museum
London

Der "Dome" in der Darstellung desSoane-Schülers Joseph Gandy
Der heute immer noch hoachangesehene englische Architekt John Soane (1753-1837) konnte sich von seinen Einkünften aus Architekturprojekten wie der Bank of England, den Ankauf dreier nebeneinander liegender Häuser an Lincoln's Inn Fields leisten. Nach und nach erwarb er seit 1792 die Häuser und gestaltete sie im Inneren tiefgreifend um.
Hinter den schlichten Fassaden verbirgt sich ein labyrinthisches Puppenhaus, das Wohnung, Bildergalerie, Atelier, Studio und Sammlungsgebäude zugleich ist. Sonne bestimmte testamentarisch die Umwandlung in eine Museum, was 1830 auch erfolgte. Sehr zum Unwillen seines Sohnes, der, erfolglos, das Testament anfocht. Seither ist der Häuserkomplex bis auf wenige Eingriffe im Originalzustand erhalten und  - wegen der Enge der Räume jeweils in begrenztem Umfang - öffentlich zugänglich.
Einzigartig ist die Verschachtelung und visuelle Verbindung der unterschiedlichen Räume durch Schaffung raffiniert konzipierter Durchsichten, Anlegen vertikaler Räume, auch in Form von Binnenhöfen, der Verwendung von Verspiegelungen u.a. mit Vexierspiegeln, die Verwendung von mit farbigem Glas bestücktem Oberlicht in manchen Räumen und der exzessiven Ausstattung mit Kunstwerken, Fragmenten, Modellen, Spolien, Kopien.
John Sonne war nicht nur ein bedeutender Architekt und Lehrer, er muß auch den den Engländern zugeschriebenen Spleen im Übermaß besessen haben. Die diversen historisierenden und romantizistischen Räume nutzte er für uns heute verschroben wirkende Geselligkeit und die Philosophie des ganzen lief auf eine Art von Leben in einer durch Ausgrabung wieder teilweise sichtbar und nutzbar gemachte archäologische Stätte hin. So jedenfalls hat es Sonne selbst als Lesart in einer seiner Schriften erläutert.
Das hinderte ihn aber nicht daran, die Wohnräume in elegantem und behaglichem Stil einzurichten, wiewohl auch hier raffinierte Lichtsituationen, exzentrische Lösungen für gewölbte Decken, raffiniert inszenierte Durchblicke, präzise platzierte antike oder zeitgenössische Kunstwerke weit über den bloßen Wohnzweck hinausweisen.
Kernstück des komplexen Inneren ist der sogenannte "Dome", ein vertikaler, von Galerien gesäumter, durch alle Geschosse bis in den Keller reichender Raum der mit zahllosen Antiken und Fragmenten buchstäblich übersät ist. Am Grund des Schachts steht ein ägyptischen Sarkophag, den das British Museum nicht erwerben wollte. Blickfang ist eine Kopie des Apoll von Belvedere. Genau gegenüber hat der Hausherr sich selbst platziert - in Form einer antizipierenden Büste.
Für den Freimaurer Soane waren Haus und Ausstattung eine individuell identitätsverbürgende historisch-archäologische Szenerie, deren metaphorische Ruinosität eine künftige Erfahrbarkeit als archäologische Stätte und Zeugnis vergangenen Lebens evozieren sollte.
Für mich ist es ein einzigartiges Museumskuriosum mit nahezu unerschöpflicher Komplexität und mit dem Charme einer versunkenen exzentrischen englischen Lebensweise.

Musei Capitolini in der Cantrale Montemartini
Rom
























In Hinblick auf das "Heilig Jahr" 2000 wurde die Kapitolinische Antikensammlung, eine der ältesten der Welt, umfassend und beeindruckend renoviert. Im Zuge dieser Renovierung der Museen am Kapitol wurde eine Dependance in einem ehemaligen E-Werk an der Ausfallstraße nach Ostia eingerichtet. Das 1912 eröffnete erste kommunale E-Werk wurde nicht entkernt und zum white cube, sondern man beließ die energieerzeugenden riesigen Anlagen in den Hallen im Zustand eines Industriedenkmals und arrangierte an die vierhundert Antiken mit Hilfe einiger moderner Einbauten um die Anlagen herum.
Zunächst war das als Provisorium während der Renovierung des Museums am Kapitol gedacht, doch 2005 wurde die Centrale in ein dauerhaftes Museum umgewandelt. Als solches beherbergt es keineswegs Werke "zweiter Wahl", sondern ästhetisch, ikonografisch und historisch herausragende Objekte, die einen ziemlich überraschenden Dialog mit den Maschinen, Kesselanlagen und Öfen eingehen. Der historisch und ästhetisch unerwartete Rahmen schärft im Dialog mit ihrer Umgebung - klassische Archäologie trifft auf Industriearchäologie -, den Blick auf völlig ungewohnte Weise. Ich kenne kein anderes Museum, wo ein so schroffer Gegensatz erzeugt wird, allerdings auf einer ausschließlich ästhetischen Ebene.

Musée de la chasse er de la nature
Paris

Das kleine private Museum hält viele Überraschungen für den Besucher bereit. In die Rokoko-Architektur subtil eingefügte Flora und Fauna gleicht eher einer Märchenerzählung, als einem Museum. Es mangelt aber nicht an didaktischer Absicht. Mit nicht wenig Text, der aber den Zauber der Rauminstallationen nicht stört, wird eine Sichtweise auf Natur gepflegt, die ich von keinem anderen Naturmuseum kenne. 
Natur ist keine hier selbstverständliche Größe, die der menschlichen Sphäre erratisch gegenübergestellt wird. Natur ist hier ein von Menschen beeinflußte und von Menschen gesehene und interpretierte Sphäre. Natur im Museum ist immer eine vermittelte, interpretierte.
Die subtile und kluge Ästhetisieren, die das Museum kennzeichnet, ist kein Selbstzweck, sondern bricht mit einem zu naiven Blick auf das herkömmliche Naturverständnis. Das Zusammenspiel von Räumen, Möbeln und Objekten ist bezaubernd, aber es hält uns immer beim Thema - unserem Blick auf Natur die Reflexion über unser Verhältnis zu Natur hinzuzufügen. Das Museum ist ausgesprochen witzig, etwa wenn sich auf eine flüchtigen Blick als in einem Gang installierte Überwachungskamera auf den zweiten Blick als Vogelhäuschen herausstellt. Und nirgendwo wird der Besucher mit einer Serie von Animationen auf eine derart witzige und liebevolle Weise aus dem Museum verabschiedet, wie hier. "Traumhäuser der Vernunft" hat mal jemand, war es Walter Benjamin?, Museen genannt. Hier ist eins davon.

Museo civico di Castelvecchio
Verona
























Das Museum ist in einer hochmittelalterlichen Burganlage untergebracht und wurde vom Ende der 1950er-Jahre bis in die beginnenden 70er-Jahre von Carlo Scarpa in enger Zusammenarbeit mit dem damaligen Museumsleiter umgebaut und eingerichtet. Im Untergeshoß befinden sich Skulpturen, im oberen Geschoss eine Gemäldegalerie. 
Das Museum einschließlich des vorgelagerten gärtnerisch gestalten Hofes wurden von Scarpa bis in die kleinsten Details durchgestaltet. Fensterrahmungen, der Übergang vom Fußboden zur Mauer, die Türen, Leuchtkörper, die Gestaltung der Fußböden, die Material- und Farbwahl, Aus- und Durchblicke - alles wurde gründlichsten Überlegungen unterworfen. 
Scarpa konzipierte einen abwechslungsreichen Parcours durch die vielfältigen Raumsituationen. Höhepunkt des Rundgangs ist eine frei in den Hof ragende Reiterfigur (aus dem 14. Jahrhundert), die auf einer wie ein Origami gefalteter Betonplattform ruht und hoch über dem Erdboden frei in die Luft ragt. Vom Hof aus sieht man zu ihr empor, da ist der Reiter ein Denkmal, aber sie ist im Rundgang so integriert, daß man sie auch aus der Nähe betrachten kann, dann ist das Standbild ein museales Kunstwerk und Exponat.
Ausgeklügelt ist nicht nur die Platzierung der Werke im Raum, ausgeklügelt sind auch die Zeigemöbel, die die Gemälde tragen. Jedes der Gestelle ist eine individuelle Lösung, die einem bestimmten Bild die beste Präsentation verleihen soll.
Selbst das Verlassen des Museums ist inszeniert. Zwei nebeneinanderliegende, aber innen voneinander getrennte Türen dienen einmal dem Betreten, einmal dem Verlassen. Scarpa muß sich den Museumsbesuch wohl als Passageritus gedacht haben, als "Bildungsweg" durch streng inszenierte Kunstwerke und gesteuert mit einer ebenso strengen Blickregie.
Die Kehrseite dieses Konzepts liegt auf der Hand. Das durchkomponierte Gesamtkunstwerk kann man nur erhalten, wie es ist. Jeder Eingriff käme einer Zerstörung gleich.
Scarpa hat, was man vielleicht als Museumsbesucher gar nicht wahrnimmt, bedeutende italienische Museen gestaltet, etwa die Uffizien aber auch die Accademia in Venedig. Man kann in vielen italienischen Museen und historischen Gebäuden auf jene subtilen, zurückhaltenden Intervention treffen, mit denen moderne Interventionen in den Dialog mit historischer Bausubstanz treffen. Scarpas Ausstellungs- und Museumsdesign war dabei bahnbrechend.

Bundesbriefmuseum
Schwyz

Kann man einem einzigen historischen Schriftstück ein Museum errichten? Einen Denkmalbau für ein einziges Pergament? Man kann, wenn man glaubt, daß dieses Schriftstück die Nation symbolisiert. Mann kann, wenn man glaubt, daß dieses Schriftstück in politisch und sozial schwierigen Zeiten den Zusammenhalt der Gesellschaft stärkt. Dann baut man in Zeiten innerer sozialer Unruhen und heraufziehender äußeren Bedrohungen (Machtübernahme des Nationalsozialismus in der Schweiz) 1936 ein Museum. Als "geistige Landesverteidigung". In der Stadt Schwyz, also in einem der Urkantone, nicht in Bern oder Zürich.
Das Dokument galt zu diesem Zeitpunkt als ältestes Indiz für jene zwischen Kantonen ausgehandelte Bündniskultur, die dem politischen und wirtschaftlichen Frieden dienen sollte, und die in gewisser Weise die Schweiz bis heute prägt. Aber lange Zeit war diese erste "Bundesbrief" völlig unbekannt und als er am Beginn der Neuzeit Eingang in die frühe Geschichtsschreibung fand, war er kaum mehr als eine Quelle unter anderen. 
Im späten 19.Jahrhundert "entdeckte" man das Schriftstück als nationales Gründungsdokument und einige Jahrzehnte später zog es in "sein" Museum ein. Nach 1945 verlor es rasant an Bedeutung. Echtheit (zu unrecht) und Datierung (umstritten) wurden angezweifelt und die Bedeutung als einzigartige Gründungsurkunde wurde nicht mehr benötigt. Das Museum änderte mehrmals sein Konzept, aber der Bau, seine Innenausstattung, die Bespielung des Außenraums mit diversen Objekten, die Wegführung von Außen ins Gebäude hinein und durch es durch, lassen noch immer das patriotische, teilweise mehr mythische als historische Selbstverständnis des Landes in den Dreißiger Jahren erkennen. Und der Bundesbrief liegt, zwar flankiert von vielen ähnlichen Dokumenten, immer noch in der "Apsis" dieses "nationalen Tempels" unter einem - ziemlich viril geratenen - Rütlischwur (ein rein mythologisches Ereignis). So kann man das Museum heute vor allem als Palimpsest lesen, das über die Geschichte der Schweiz auf Umwegen über die Gestaltungsgeschichte des Museums Auskunft über die wechselnden identitären Phantasmen des Landes Auskunft gibt.  

Het Dolhuys
Haarlem

Wie kann man die Geschichte der sogenannten Geisteskrankheiten und den medizinischen Umgang mit ihr in einem Museum darstellen? Indem man sachliche aufklärende Information in eine ziemlich erfindungsreiche und kategorial Unsichtbares visuell transportierende Szenografie umsetzt. Und dabei die vielfältige Räume eines mittelalterlichen "Spitals", eines frühen "Dolhuys" nutzt.
Es war das erste Mal, daß ich eine Ausstellungsgestaltung von Kossma/deJong gesehen habe, einer niederländischen Firma, die inzwischen erfolgreich und europaweit agiert. Ihre Szenografie zeichnet sich durch hohe Originalität aus und das bis ins Detail. Nie wieder habe ich z.B. derart witzige Möbel für Videostationen gesehen, wie hier. Lösungen für die schwierige Integration von "Fernsehern/Screens" in Ausstellungen. Statt des öden Plastiks oder Metalls gab es hier aus Altmöbeln zusammengebastelte Gerätschaften. 
Unglaublich interessant waren die in einem zum Hof hin geöffneten Raum platzierten "Models", die die diversen Krankheitsbilder auch wirklich als Bilder und kaum über Texte veranschaulichten. Statt des Kopfs saß auf jeder Figur deren "Krankheitsbild", eine Obsession. Aber es war nicht nur die Gestaltung, die so überaus ansprechend war, es war der Grundton - ein Konzept, das Ängste und Tabus, die unseren Umgang mit psychischen Erkrankungen kontaminieren, aufgriff und sie geschickt, gleich vom Eingang konterkarierte. 

Biologiska Museet
Stockholm

"
Das Biologische Museum (schwedisch Biologiska Museet) liegt auf Djurgården in Stockholm und zeigt skandinavische Säugetiere und Vögel in ihrer natürlichen Umwelt. Alle Tiere sind ausgestopft." So stellt Wikipedia das Museum vor. Das wichtigste wird nicht erwähnt: daß diese ausgestopften Tiere in großen Dioramen gezeigt werden, die auf zwei Ebenen angeordnet sind. Und das in einem Bau, der von außen einer typischen regionalen Stabkirche ähnelt. Ende des 19.Jahrhunderts wurde dieses Museum gegründet und der Bau errichtet und hier zeigt man eben nicht nur schwedische Fauna, sondern die ganz Skandinaviens. Es ist sehr bewußt nicht als nationales Museum ausgelegt, sondern eines, das die Einheit der skandinavischen Länder naturräumlich visualisiert. Dioramen sind dazu natürlich weit besser geeignet, als einzelne Tiere oder kleine Gruppen ohne jedes Environment. Dioramen sind ein effektives und beliebtes Illusionsmittel, das geeignet ist, den Eindruck ganzer realer Landschaften zu erzeugen. Der Rundgang durch das Biologisk Museet wird so zum Rundgang durch Fauna und Flora Skandinaviens in signifikanten Ausschnitten und tut so, als könnte es einem weite Reisen durch den Norden Europas ersparen. 

Smithsonian Institution Building
Washington

Als der reiche Engländer James Smithson seine erhebliches Erbe vermachte, widmete er es den Vereinigten Staaten mit dem Auftrag "to found in Washington, under the name of the Smithsonian Institution, an establishment for the increase and diffusion of knowledge among men". Auf Umwegen über einen früh verstorbenen Erben gelangte das Vermögen schließlich an seinen Bestimmungsort. Der US-Kongreß grübelte ungefähr zehn Jahre, ehe er diesen Auftrag in ein Projekt umsetzte, das von Anfang an museale und wissenschaftliche Aufgaben in sich vereinte. 1847 konnte man das erste Gebäude an der National Mail errichten, ein von europäischer Gotik inspiriertes "Castle", wie das Gebäude auch genannt wird.
Heute ist das "Smithsonian" einer der größten Museumskomplexe der Welt und das "Castle" ist der Sitz der Verwaltung und das Informationszentrum des gesamten an der Wall gelegenen Museumskomplex.
Im Erdgeschoß befinden sich zwei museale Trakte. In einem wird ausführlich ud anschaulich die hochinteressant Geschichte der Smithsonian Institutionen erzählt, im anderen befindet sich eine Art Preview. Hier geben alle Museen die zum Smithsonian-Verbund gehören eine Visitenkarte ab. In jeweils einer raumhohen Vitrine werden signifikante und interessante Objekte gezeigt, Appetizer, die einem die Wahl schwer machen, welches der Museen man denn nun besuchen soll. Insgesamt bieten die dicht an dicht gereihten Vitrinen eine Atmosphäre einer Kunst- und Wunderkammer.
Ganz auffallend gepflegt und einladend ist übrigens das gärtnerische Umfeld des Bauwerks. Hier sitzt man entschieden besser, als in der wenig einladend und karg instrumentierten Cafeteria im Inneren.
Ach ja. Mister Smithson begegnet man hier auch. 1904 hat man ihn exhumiert und per Schiff in die USA gebracht. 1905 wurde er in einem Seitenraum des Eingangsbereichs in einem führ ihn gestalteten Grabmal beigesetzt. Es ist nicht das einzige Gebäude, das die aufschlussreiche Doppelfunktion von Museum und Mausoleum hat, zwei Begriffe, die, wie man bei Adorno lesen kann, nicht nur phonetisch leicht zu verwechseln sind.

Museo Gypsotheca Antonio Canova
Possagno


Possagno ist ein kleiner Ort mit nur etwas mehr als 2000 Bewohnern in der Provinz Treviso, gelegen in den Hügeln, mit denen die Alpen gegen Süden hin in die Ebene auslaufen. Hier wurde der berühmteste italienische Bildhauer des Klassizismus geboren, Antonio Canova.
Und hierher kehrte er zu Ende seines Lebens und seiner Karriere zurück, um im Garten seines bescheidenen Eltern- und Geburtshauses ein Museum zu errichten. Einen klassizistischen Tempel, in dem er Entwürfe seiner Werke ausstellte. Auch solche in originaler und monumentaler Größe aber auch kleine Skizzen in Ton oder Gips. 
Die Ästhetik diese vollkommen weißen Raums mit seine zahllosen weißen, z.T. riesigen Gipsen ist einzigartig, auch ästhetisch, zumal diese Modelle und Entwürfe Male ihres Entstehung- und Reproduktionsprozesses enthalten - winzige schwarze Löcher, die wie ein Grid über die Objekte gelegt erscheinen und das gesamte Ensemble zusätzlich verfremden.
Schriftlich erhält man Informationen zur Zuordnung der Objekte zu den großen ausgeführten und nie realisierten Projekten Canova.
Kleinere Objekte sind in einem kleinen Zubau des ingeniösen Ausstellungsarchitekten Carlo Scarpa untergebracht und im Wohnhaus ist ein Canova gewidmetes Museum untergebracht, wo man weitere kleinere Werke findet und die für Künstlermuseen typischen persönlichen Reliquien.
Doch Canova genügten Tempel und Museum nicht. Er ließ eine lange Achse mit aufsteigender Treppe quer durchs Dorf errichten, die von seinem Geburtshaus auf einen Hügel ansteigt,. Dort steht die im Inneren dem Römischen Pantheon nachempfundene klassizistische Kirche, die man durch eine Vorhalle betritt, die genau der Architektur des Parthenon folgt. Und hier liegt er begraben. Schön selbstbewußt, der Herr Canova. Man sollte nicht versäumen, auf die Kuppel zu steigen um die Aussicht zu genießen.

Staatsgalerie
Stuttgart 

Nirgendwo sonst kann man ein Museum sehen, das sich architektonisch derart selbstironisch geriert. Der Architekt James Sterling läßt Wasserspeier über den Köpfen der Flaneure kreisen, er entwirft Handläufe, die keine menschliche Hand je umfassen kann, er zertrümmert die Wand, sozusagen ruinenästhetisch, zur Tiefgarage und wenn wir das Museum über eine Rampe betreten, passieren wir einen bis aufs Skelett abgemagerten Tempel. Im Inneren sind die Räume überdeutlich durchnummeriert und verheißen so einen ewig gültigen Kanon, der in immer gleicher Ordnung gezeigt werden kann und die Türen sind wie aus dem Anker-Baukasten antikisch dekoriert. Auch farblich wird uns einiges zugemutet, rosarot trifft auf grasgrün, die Farbe, die meiner Erinnerung nach auch genoppte Kunststoffböden im Foyer haben. Alles ist aus schwerstem überdeutlich sichtbar gehaltenem Quadermauerwerk errichtet, als wären wir in einer Burg, einem Wehrbau.
Den Höhe- und Mittelpunkt des Bauwerks bildet der Hof. Das Schema des Grundrisses läßt hier eigentlich eine Rotunde erwarten, etwa wie bei Schinkels Berliner Museum, also einem mit künstlerisch herausragenden Statuen besiedelten überrkuppelten Raum, aber Sterling sprengt die Kuppel weg und macht aus dem Innenraum einen öffentlichen Platz, der auch tatsächlich öffentlich nutzbar ist. Er wird, ohne daß man das Museum betreten muß, mit einer Passage durchquert, der den Stadtraum durchs Museum hindurch erschließt.
Hier stehen bloß ein paar Sessel, keine maßstabsetzenden Antiken mehr, wie bei Schinkel. Der Bewuchs wird nach und nach vom Bau Besitz ergreifen und ihm die Anmutung einer antiken Ruine geben und wenn wir den Lift betreten, durch ein revolutionsklassizistisch gestaltetes Portal, das halb in der Erde versunken ist, haben wir die Wahl uns entweder nach oben oder nach unten zu begeben, in die Zukunft oder in die Vergangenheit...
Sterlings Zubau zur Staatsgalerie und Hans Holleins Museum am Abteiberg in Mönchengladbach markieren übrigens den Beginn einer sehr folgenreichen, oder wenn man will erfolgreichen Entwicklung: die der Bauaufgabe Museum, die Architekten als letzte nicht von Bauträgern völlig abhängige Architekturaufgabe ansehen, die Kunst sein darf und soll. Die unübersehbare Zahl seither weltweit entstandener Museumsbauten in allen nur erdenklichen Variationen und von berühmtesten Architekten geplant - hier hat sie ihren Ausgangspunkt. Und später mal muß ich zur Liste selbstverständlich Holleins Museumsbau hinzufügen.
  
Pitt-Rivers-Museum 
Oxford


























In Oxford findet man eine Reihe sehr alter und interessanter Museen. Das kurioseste ist das Pitt-Rivera-Museum. Sein Gründer war als Militär in Ländern des Commonwealth unterwegs und brachte Objekte nach England, vieles erwarb er auf Auktionen. Seine hunderttausende Objekte umfassende Sammlung wird als ethnologische und archäologische beschrieben, aber erst wenn man das Museum kennenlernt, ermißt man dessen Einzigartigkeit, von der diese Adjektive nicht wirklich eine Vorstellung geben. 
Die Sammlung hat weder eine topografische noch eine chronologische Ordnung, sondern immer noch (und wohlkonserviert) die von Pitt Rivera entwickelte. Er war an Vergleichen und Entwicklungen interessiert und so findet man in Vitrinen Objekte, die in der Luft Geräusche erzeugen, oder Objekte, die dazu benutzt wurden, um den Regen von sich abzuhalten oder Dinge, mit denen man das Vieh des Nachbarn verhexen konnte.
Das Museum ist in einer einzigen riesigen Halle mit Emporen untergebracht und man könnte hier Tage zubringen, um zu stöbern und die mit winziger Schrift verfassten Zettel lesen, die noch von Rivers und den ersten Mitarbeitern des Museums stammen.
Das Museum geht sorgfältig mit der historischen Substanz um - es ist ein Museum im Museum oder als Museum -, das ab und an nur sehr vorsichtig um neuere Objekte und Informationen erweitert wird. Und es ist kein totes Museum, an dem man nur aus museumsgeschichtlicher Perspektive interessiert sein kann. Seine Sammlung dienst bis heute der Forschung.










Dienstag, 26. März 2019

Die Drogenabhängigkeit der Museen

Die National Portrait Gallery in London hat eine Zuwendung der Familie Sackler zurückgewiesen. Sie ist die erste derartige und gewichtige kulturelle Einrichtungen, die dies tut.

Die Familie Sackler wurde mit dem Verkauf von abhängig machenden Schmerzmitteln über ihre Firma Purdue Pharma zu einer der reichsten Familien der USA. Das Ausmaß des Konsums der Droge und der Folgen mit zigtausenden Toten allein in den USA jährlich - Tendenz stetig steigend -, wird inzwischen offiziell als Epidemie oder Opiodkrise bezeichnet. Inzwischen laufen mehrere Gerichtsverfahren gegen die Familien, sehr spät, ist doch das Suchtpotential von Oxycontin, einem der umsatzstärksten Medikamente der Welt, seit Jahrzehnten bekannt. Das Medikament, ursprünglich nur für Schwerstkranke gedacht, wurde mit aggressiver Werbung und gezielten Strategien als allgemeines Schmerzmittel durchgesetzt. Dabei gelang es der Firma den gesamten Prozeß - von der Erzeugung über die Erporobung und Begutachtung, den praktischen Test in Krankenanstalten, die Werbung und den Vertrieb bis hin zur manipulativen Bericterstattung - in seinem Interesse zu kontrollieren und zu beeinflussen. Mittlerweilen wurde in Gerichtsverfahren die rücksichtslose Politik der Sacklers sehr weit aufgeklärt und es kam zu ersten Verurteilungen.

Aus ihrem Vermögen schöpfend trat die Familie Sackler als Sponsor vieler großer Kulturinstitutionen auf: Metropolitan Museum New York, Smithsonian Museum Washington, Victora & Albert Museum London, Guggenheim Museum New York, Louvre Paris, Tate Gallery Lonson, Harvard University, Princeton University, University of Oxford u.v.a.m. Zahlreiche Einrichtungen tragen den Familiennamen Sackler, wie etwa die Sackler Library der Universität Oxford für wissenschaftliche Literatur auf den Gebieten der Altertumswissenschaften, Archäologie und Kunstgeschichte oder die Serpentine Sackler Gallery in London. das Arthur M. Sackler Museum of Art and Archaeology der Harvard University, der Arthur M. Sackler Wing of Galleries at the Royal Academy of Arts. In Peking eröffnete 1993 The Arthur M. Sackler Museum of Art and Archaeology. Die Aufzählung ist bei weitem nicht vollständig.
Ein Mitglied der Familie, Mortimer Sackler ist übrigens Ehrensenator der Universität Salzburg, eine Ehre, die er mit einem anderen Kultur- und Museumsmäzen teilt: Herbert Batliner.


Die vielelicht berühmteste Sackler-Galerie in einem Museum, die im Metropolitan-Museum New York. Im Sackler-Wing ist unter anderem der Tempel von Dendur zu sehen, den die USA von Ägypten geschenkt bekamen, als der gewaltige Nilstaudamm, den man seit den 60er-Jahren erichtete, viele altägyptische Bauten und Kunstwerke überflutet hätte.
Carsten Probst hat im Deutschlandfunk die Motive von Konzernen gerade mit moralisch fragwürdiger Geschäftspolitik klar umrissen: "Spätestens seit der Finanzkrise von 2008 entdecken immer mehr Investoren ihre vermeintliche Liebe zur Kunst und sehen darin doch eigentlich nur einen alternativen Markt für Geldanlagen. Und wenn Großkonzerne oder von ihnen abhängige Stiftungen Museen und Universitäten in aller Welt fördern, hat auch dies in der Regel weniger mit rein philanthropischen Motiven zu tun, als mit Öffentlichkeitsarbeit. Auto- oder Zigarettenhersteller, Banken, Rüstungskonzerne oder Pharmafirmen, sie alle haben Imageprobleme, denen man am besten mit der öffentlichen Demonstration edler Gesinnungen begegnet. Volkswagen fördert mit Vorliebe Ausstellungen mit dem Thema Natur und Umwelt. Banken gerieren sich als Wohltäter am Gemeinwesen, Rüstungskonzerne wie Rheinmetall fördern die Völkerverständigung wie etwa durch Sponsoring einer Großausstellung mit europäischer Gegenwartskunst in Peking. Und die private Stiftung der Familie Sackler, die der Pharmabranche nahesteht, fördert großzügig Kunst und Wissenschaft in aller Welt, um den medizinischen Fortschritt in die Nähe anderer kultureller Errungenschaften zu rücken."

Der Entschluß der National Portrait Gallery, eine Spende der Familie Sackler anzunehmen fiel, als die Künstlerin Nan Goldin damit drohte, eine geplante Retrospektive ihres Werkes abzusagen, wenn das Museum nicht die finanzielle Zuwendung der Sacklers abweisen sollte. Nan Goldin, zeitweilig selbst opioidabhängig, hatte zuvor an mehreren Museen, Metropolitan Museum, National Gallery London und Guggenheim Museum Proteste gegen die Drogenpolitik der Sacklers organisiert. Ihre Aktivitäten scheinen mittlerweile zusammen mit den Gerichtsverfahren, Verurteilungen und der kritischen Berichterstattung in großen US-Medien, dazu zu führen, daß auch andere Museen sich gegen Sackler abgrenzen oder versprechen, ihre Sponsoring-Regeln zu überdenken. Eine Debatte, die die Tiefe der gegenwärtigen Restitutionsdebatte kolonialen Raubgutes hat, ist das noch nicht. Aber vielleicht ein Anfang dazu.

P.S.: Lange hat es gedauert, aber jetzt hat dann doch auch einen österreichische Zeitung das Thema entdeckt, und sich gefragt, wie es in dieser Frage um die Praxis österreichischer Museen steht. Michael Wurmitzer:  Glock, Novomatic, OMV: Von wem sollen Museen Sponsoringgeld nehmen?, in: Der Standard, 6.Juni 2019. https://derstandard.at/2000104411620/Glock-Novomatic-oder-OMV-Von-wem-sollen-Museen-Sponsoringgeld-nehmen


Dienstag, 29. Januar 2019

Parthenon-Fries. Ein wiederholtes "Ätsch" vom British Museum

Stilsicher hat der deutsche Direktor des British Museum, Hartwig Fischer, ausgerechnet in einer griechischen Zeitung die Verfrachtung des Parthenon-Frieses durch Lord Elgin als "kreativen Akt" bezeichnet. Er stützte sich dabei auf eine etwas abstruse Argumentation. Jede Musealisierung sei nun mal eine Entfremdung eines Werkes von seinem Kontext und verglich die Inbesitznahme des Frieses durch das British Museum mit - ausgerechnet - dem Akropolismuseum, wo ja derselbe "transformative" Vorgang stattgefunden habe.
Auf die paar Kleinigekiten kommts da nicht so drauf an, etwa auf die Unterscheidung von gewaltförmigen und gewaltlosem Handeln.
Schon einer seiner Vorgänger Neil MacGregor, ein Hardliner der Sonderklasse in Sachen Restitution, zeichnete sich durch eine Haltung in Sachen Elgin Marbles aus, die nahe an der Verhöhnung lag. Entgegen der Schutzbehauptung, die Skulpturen seien nicht mehr transportfähig, lieh er welche an die Eremitage aus, während er sich hartnäckig weigerte, auch nur über befristete Leihgaben an Griechenland nachzudenken.
Ein Museumssprecher schob nach: "We believe there is a great public benefit in being able to see these wonderful objects in the context of a world collection." Also: Restitutionskonflikte und -debatten gibt es nicht nur zwischen Europa und Afrika.
Übrigens: Der Chef der Labour-Party, Jeremy Corbin, verspricht im Falle eines Sieges seiner Partei bei Parlamentswahlen die athenischen Skulpturen und Reliefs zu restituieren. Da sollte man vorsichtig sein. Der hatte auch einen Vorgänger im Amt, Tony Blair, der das schon mal aus der Opposition heraus gleichlautend ankündigte. Und das Versprechen dann schnell vergaß, als er Premierminister war.

Sonntag, 5. Februar 2017

Dienstag, 8. November 2016

Mittwoch, 2. November 2016

Understanding objects (Texte im Museum 591)

Victoria & Albert Museum. British Gallery


Ein Leckerbissen von Text, weil er Einblick in das kuratorische Denken gibt, in die Einschätzung sowohl des Publikums wie der hermeneutischen Arbeit durch einen Kurator. Zuerst, sagt uns der Kurator durch den Text, muß man es lernen, kritisch Objekte anzusehen und sich nicht mit dem Augenschein zu begnügen. Kuratoren würden sich ständig damit beschäftigen (also können sie es schon), aber jedermann könne das erlernen.
Wie, das sagt uns der Text nicht. Er sagt uns auch nicht, was dem Verstehen von Objekten in Museen entgegenwirken könnte, wie der Mangel an Information, eine schwer auflösliche Unvertrautheit mit Dingen (etwa aus fernen Zeiten, Regionen oder Gebrauchsweisen) oder gar mißverständliche Information durch Museumstexte.
Durch genau Betrachtung könne man das Material oder gar die Verarbeitungsweise an einem Objekt erkennen. Wirklich? Echtes Silber, echter Bernstein, Bakelit, Holzarten, Papiere - alles kein Problem? Dieser genaue Blick könne darüber hinaus aber auch Geschichte "enthüllen". Doch dieses großartige Versprechen wird gleich gewaltig ermäßigt durch die Einschränkung, daß man an Dingen Reparaturen, Beschädigungen oder Veränderungen erkennen könne.
Das war der Stand an Einsicht vor über hundert Jahren in Alois Riegls Denkmaltheorie. Mehr als das ist nicht.
Und dann macht der Text aus dem Besucher potentielle Fachleute, die sich diverser Hilfsmittel bedienten, um, ja um was eigentlich zu tun? Um die Möglichkeiten ihrer Einsichten zu erweitern? Aber um mehr als Identifikation gehts da kaum oder beim ihm vorbehaltenen ultravioletten Licht um ein technisch vertieftes Sehen, das kaum die Erfahrung vertiefen wird ohne zusätzliches spezialisiertes Wissen.
Der Autor dieses Textes begibt sich auf gefährliches Terrain, denn er will die Frage anpacken, wie Besucher eigentlich zur Erfahrung der Dinge in einem Museum kommen. Und er kapituliert früh, muß er uach. Denn selten lassen sich Dinge ohne (Kon)Text auch nur annähernd deuten, erst recht nicht auf individuelle Deutungsbedürfnisse hin.

Dienstag, 13. September 2016

Das Wort zum Tag

"Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendein Museum weltweit besser dasteht als unseres. Wenn ich jetzt bliebe, müsste ich meine Kraft darin investieren, diesen Zustand zu halten. Besser, als ich es gemacht habe, kann ich es nicht machen."

Martin Roth, Noch-Direktor des Victoria & Albert-Museum

Mittwoch, 7. September 2016

Abschied mit Begleitmusik

Martin Roth, von Dresden nach London geholt, um das Victoria and Albert Museum zu leiten, nimmt seinen Abschied. Interssant daran sind die Vermutungen über die Motive. Er hätte sich nicht mit der britischen Mentalität anfreunden können, munkelt DIE WELT in Berufung auf nicht näher genannte Quellen. Es sei sein Rücktritt eine Folge des Brexit. Andere Medien bezeichnen das als Ente. Ich erinnere mich aber an ein Interview mit Martin Roth, vor der Abstimmung, wo er sich durchaus kritisch und mäßig angetan von den Austrittsbewegungen zeigte.
Die dritte Begründung ist die interessanteste und hat zudem den Vorteil, von Roth selbst zu kommen. Sein Posten sei ein Zuschussbetrieb gewesen, die Bezahlung mäßig, jedenfalls nicht zum Leben in London geeignet. Kurz zuvor hatte ich gelesen, daß in London nun auch für die Teile der Eliten das Leben, vor allem das Wohnen zu teuer wird. Sagt was über die Segnungen des geballten Kapitalismus in dieser Metropole.
IIn Österreich wäre das Roth nicht passiert. Da hätte er von fürstlichem Gehalt sein Museum auch von Pörtschach aus regieren können. Aber nach Österreich geht so jemand nicht und wird auch von niemandem dafür interessiert.