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Samstag, 6. Mai 2023

Benin-Zweifel

Die Ethnologin Brigitta Hauser-Schäublin sieht, wie immer von ihr befürchtet, die Rückgabe der Benin-Bronzen an Nigeria in einem Fiasko enden: Nigerianischen Medien zufolge hat der Staatspräsident Muhammadu Buhari kurz vor Amtsende die Eigentumsrechte sämtlicher Benin-Artefakte dem Oba von Benin übertragen. "Dies gelte für alle bereits zurückgegebenen und alle weiteren zu erwartenden Restitutionen von Benin-Objekten weltweit: "Was von deutschen Politikern und Politikerinnen als ein Zurückgeben des kulturellen Erbes an das 'nigerianische Volk' gedacht war und 'die Wunden der Vergangenheit heilen' sollte (Claudia Roth), ist stattdessen nun zu einem Geschenk an ein einziges Königshaus - eines unter vielen Königshäusern und Sultanaten in der Republik Nigeria - geworden. Ein Königshaus, das zudem, aus heutiger Sicht, bis zu seiner Unterwerfung durch die Briten schlimmste Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat: Notorische Angriffskriege über Jahrhunderte hinweg mit Plünderungen, Zerstörungen, Massakern, Versklavung von Kriegsgefangenen, Menschenopfern zu Ehren der in den Gedenkköpfen repräsentierten Ahnen sowie Sklavenjagd und -handel in großem Stil." (Quelle: Perlentaucher, 6.5.2023)


Samstag, 6. November 2021

Zu mir oder zu dir? (Sokratische Frage 70)




 „Zu mir oder zu dir?“ fragt die Süddeutsche Zeitung, gemeint ist der Parthenon-Fries. Und der Anlass für die Frage ist die Unterstützung der UNESCO für die Rückgabeforderung Griechenlands. Also fragen wir uns auch hier sokratische: Zu dir oder zu mir?

Dienstag, 15. Juni 2021

Nur ein Boot. Kolonialer Kulturraub an einem Beispiel (Eine Mikroausstellung)

Für "Nur ein Boot" greife ich ich auf eine schon lange nicht mehr verwendete Darstellungsform zurück, die (zweidimensionale) Ausstellung. Texte, Zitate und Abbildungen werden in "Vitrinen" gezeigt und erzählen dem "Besucher" eine Geschichte. Diesmal von einem Boot, das bis vor kurzem, wenn man das so sagen mag, "in aller Unschuld" im Humboldt-Forum in Berlin zu sehen war und - nun weniger unschuldig - zu sehen ist. Denn nun hat sich Götz Aly dieses Objekts angenommen und die Geschichte des Bootes in einem Buch rekonstruiert. Diese Geschichte ist die militanter Kolonisierung, verschleierter Überlieferungsgeschichte, verweigerter Recherche. Auf einen eigenen Kommentar wird in der "Mikroausstellung" verzichtet. 




Nur ein Boot 

Vitrine 1 „Ausgestorben“ 

 „In meiner Kindheit bin auch ich regelmäßig in Dahlem gewesen. An Winterwochenenden machte mein Vater mit meinem knapp zwei Jahre älteren Bruder und mir Touren durch die West-Berliner Museen. Von allen Ausstellungsstücken, ob im Musikinstrumenten-Museum, dem Museum für Vor- und Frühgeschichte oder im Museum für Verkehr und Technik, sind mir die ozeanischen Boote im Ethnologischen Museum am besten in Erinnerung geblieben. Weil sie nicht hinter Glas versteckt sind, sondern zum Anfassen, Klettern und Spielen einladen. (…)“ 

Ich war „seit ungefähr 30 Jahren nicht mehr im Ethnologischen Museum. Die Boote stehen aber noch genau so da, wie ich es aus meiner Kindheit in Erinnerung habe: auf einem Teppichpodest mit schrägem Boden, als würden sie eine Welle hinabsurfen. (…) Im Humboldt-Forum sollen die Boote ganz anders präsentiert werden, in den Mittelpunkt der Ausstellung soll das Meer rücken – als geschäftiger Verkehrsweg, identitätsstiftender Kommunikationsweg und überlebenswichtiger Nahrungslieferant. In Dahlem sind die Boote vor allen Dingen: Boote. Lediglich kleine Schilder erklären in leicht angestaubter Museumssprache, was das Auge sieht. Zum Beispiel das Fischerboot zum Bonito-Angeln aus Samoa, um 1870 gebaut und „mit Brotfruchtbaumharz kalfatert“. 

Über das Segelboot aus Luf, Para-Mikronesien, erfährt man, dass es Anfang dieses Jahrhunderts – gemeint ist das Jahr 1904 – nach Berlin überführt wurde. Es ist das letzte seiner Art, „die Bevölkerung von Luf ist um 1940 ausgestorben“. (5) 

 „Für die Südsee kann man generell sagen, dass sehr viele Objekte auf gewaltsame Weise beschafft wurden. Daneben war der unredliche Tausch gegen Glasperlen und miserablen Tabak der Sorte »Niggerhead« gang und gäbe. Es handelt sich um systematisches Absaugen, Abgrasen und Ausrauben. Die Kolonie Deutsch-Neuguinea bestand von 1884 bis 1914. Spätestens um 1900 war auf diesen Inseln kaum mehr etwas zu holen. Berlin schickte dann seine Ethnologen auf die Kriegsschiffe mit der Aufforderung: Holt die Reste, bevor es zu spät ist! Die Museumsleiter betrachteten die »untergehenden Kulturen der Naturvölker« bald selber als ein abgeschlossenes Sammlungsgebiet. Ihnen war klar, dass die Ureinwohner der Inseln die Konfrontation mit dem Kolonialismus nicht überleben würden.“ (9) 




Vitrine 2  „Ahoi, liebes Luf-Boot!“ 

 „In der Nacht vom 28. Mai 2018 fuhr ein Schwertransport über den Potsdamer Platz. Auf der Ladefläche, verpackt in einer 20 Meter langen Kiste, ein einmaliges Wunderwerk der Menschheitsgeschichte: das reich verzierte Auslegerboot von der Insel Luf im heutigen Papua-Neuguinea. Generationen von Schulkindern haben es im Ethnologischen Museum in Dahlem bewundert. Nun war es auf dem Weg ins Humboldt-Forum, wo es ebenfalls eine der Hauptattraktionen sein wird. Mit 16 Metern ist das Boot so riesig, dass es nur durch ein frei gehaltenes Loch in der Fassade ins Stadtschloss passte. "Ahoi, liebes Luf-Boot!", grüßte die Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) auf ihrem Blog.“ (2) 

 „Im Humboldt-Forum sollen die Südseeboote des Ethnologischen Museums Dahlem einmal einen prominenten Platz einnehmen. Dort sollten sie auf die Bedeutung des Meeres verweisen, sagte die Kuratorin der Südsee-Sammlung, Dorothea Deterts, im DLF. (Deutschlandfunk) Es gehe um das Meer als Identitätsstifter, Verkehrs- und Kommunikationsweg.“ (4) 

Vitrine 3 „Reise“ „Die Reise des Südseebootes aus dem Ethnologischen Museum (gemeint ist die Übersiedlung des Bootes ins Humboldt-Forum; GF) begann auf der Insel Luf in Papua-Neuguinea. Aus einem Baumstamm und vielen Planken ließ der Häuptling Labenan den Rumpf des Bootes bauen. Offiziell kam es jedoch nie zum Einsatz, bis Max Thiel, ein Geschäftsführer der deutschen Handelsgesellschaft Hernsheim & Co das Boot 1903 erwarb und es zu einer Niederlassung der Firma auf der Insel Matupi transportieren ließ. Noch im selben Jahr wurde es vom Museum für Völkerkunde in Berlin angekauft und zunächst nach Hamburg verschifft. Von hier kam es dann im Februar 1904 ins Museum für Völkerkunde in die heutige Stresemannstraße in Berlin. (…) 

1970 wurde unser Luf-Boot schließlich aus dem Dornröschenschlaf geweckt und kam in die Dauerausstellung des Ethnologischen Museums, in der es bis 2017 verweilte. Dann schloss das Museum in Dahlem seine Pforten und die Vorbereitungen für den großen Umzug in das Humboldt Forum in Berlin-Mitte begannen.“ (3) 




Vitrine 4 „Erworben“ 

„Der Historiker Götz Aly erzählt in seinem (eben) erschienen Buch "Das Prachtboot" die erschreckende Geschichte eines der spektakulärsten Objekte, das im Humboldt-Forum gezeigt werden wird: des "Luf-Boots", das, so Aly, 1903 in der damaligen Kolonie Deutsch-Guinea geraubt wurde.“ (2) 

„Das Luf-Boot, zeigt Alys ebenso schmissig geschriebene wie umfassend recherchierte Studie, ist keineswegs auf faire und gerechte Weise vom Deutschen Reich erworben worden, wie es die Staatlichen Museen suggerieren. Vielmehr gelangte es am Ende eines jahrzehntelangen Prozesses der Ausrottung und Verdrängung der Ureinwohner Ozeaniens ohne nachweisbare Bezahlung in den Besitz eines „weithin bekannten Kunsträubers und Kulturschänders“ (Aly). Das Prachtboot der Südsee-Sammlung im Humboldt Forum ist, anders gesagt, ein Stück koloniales Raubgut.“ (7)

„Ellmenreich: Wie sind die nach Berlin gekommen ins Ethnologische Museum? Deterts: Auch ganz unterschiedlich. Die meisten wurden angekauft. Ein Boot, das größte unserer Boote, von der Insel Luf. Das ist eine Insel, die heute zum Staat Papua-Neuguinea zählt. Das ist angekauft worden und 1899 wurde es auf Luf gesehen in einem Bootshaus, konnte dort aber, weil es nur noch wenige Männer vor Ort gab, nicht mehr fortbewegt, geschweige denn gesegelt werden, und ist dann von einer deutschen Handelsgesellschaft, Hernsheim & Co, angekauft worden, dem Ethnologischen Museum in Berlin angeboten worden und dann 1904 nach Berlin gekommen.“ (4) 

„Der Hamburger Unternehmer Eduard Hernsheim, einer der größten Player im Pazifik, hörte von einem angeblichen Überfall auf seine Handelsstation auf Luf. Untertänigst bat er Bismarck deshalb um "häufigeren Besuch" deutscher Kriegsschiffe. Bismarcks Strafexpedition erreichte die Insel an Weihnachten. Obwohl die rund 400 Bewohner keine Gegenwehr leisteten, töteten die Soldaten etwa die Hälfte von ihnen und brannten alle Häuser und Schiffe nieder. 20 Jahre später besuchte der damalige Direktor von Hernsheim & Co, Max Thiel, die Insel. Die überlebenden Lufiten hatten ein neues Bootshaus und ein neues, großes Boot gebaut. Für Hernsheim war der Handel mit geplünderten "Kuriositäten" von den Inseln ein wichtiger Geschäftszweig neben den Plantagen. Er wusste, dass Luschan, inzwischen Leiter der Ozeanien-Abteilung im Berliner Völkerkundemuseum, außer Schädeln nichts so liebte wie Schiffe. Er schaffte das Boot von der Insel und verkaufte es ihm für 6000 Mark.“ (2)


 

Vitrine 5 „Gesammelt“ 

 „Über eine weitere von den Marinesoldaten des Kanonenboots Möwe exekutierte Strafexpedition berichtete der Südseereisende Wilda, den Dr. Schnee zur Teilnahme eingeladen hatte. Diesmal zielte die »Züchtigung« auf die »verhältnismäßig sehr wohlhabende« Bevölkerung von Buka, der nördlichsten Insel der Salomonen-Gruppe. Wie üblich sicherten sich die deutschen Herren »die ethnographisch wertvollen Sachen«, bevor sie alle erreichbaren Hütten in Flammen aufgehen ließen. In diesem Fall wurde die Aneignung musealer Herrlichkeiten dokumentiert und als strafweise »Fortnahme des Besitzes« umschrieben. Dr. Schnee kümmerte sich persönlich darum, dass zwar die Kanus wie üblich zerschlagen oder angezündet, aber »die guten Fischernetze aus Brotfruchtfaser sorgfältig« verpackt und nach Berlin verfrachtet wurden.“ (1) 

„Die Museumsleute kauften im großen Stil bei skrupellosen Plünderern ein. Sie wirkten an den "Völkerschauen" mit. Sie hatten teils Karrieren wie Franz Emil Hellwig, der sich als "Wildschweinjäger, Fabrikbesitzer, Hausierer, Uhrmacher" versucht hatte, bevor er - aus der Südsee zurückgekehrt - Kurator im Hamburger Völkerkundemuseum wurde. Schon damals mokierten sich Wissenschaftler über den "methodisch unfertigen Zustand der Ethnologie" und die "sinnlose Anhäufung von Gegenständen, besonders ... aus unseren Kolonien“. Und dann ist da noch die Vorarbeit, die Ethnologen und Anthropologen für die Rassenlehre leisteten: Überschwänglich dankte der Freiburger Anatom Eugen Fischer etwa für die "Liebenswürdigkeit", dass ihm, gleich nach der Hinrichtung ihrer Besitzer, zwei "Papuaköpfe" in "Formol" geschickt wurden. Bernhard Meyer vom Ethnographischen Museum in Dresden bettelte um "Menschenschädel" und "ganze Skelette", auch "aus Gräbern“.“ (2) 

„Georg Thilenius, Direktor des Hamburger Völkerkundemuseums, (gab) den Teilnehmern der Südsee-Expedition von 1908 den Auftrag, bestimmte Gebiete „leerzuforschen“.“ (7) 

„Von November 1902 bis Januar 1903 war (Franz Emil) Hellwig als Sammler ethnographischer Gegenstände im Auftrag der Firma Hernsheim an Bord der Gazelle. U. a. zusammen mit dem Regierungsarzt Otto Dempwolff und dem Kaufmann Heinrich Rudolph Wahlen besuchte er verschiedene Inseln. Auf der Insel Luf (1° 31' 60" S, 145° 4' 6" O) nahe den Admiralitäts-Inseln blieb er alleine zurück, um Sitten und Sprache der Einheimischen zu studieren. Im Jahre 1904 begab er sich wieder nach Deutschland. Die auf diese Expedition gesammelten Gegenstände wurden von Max Thiel, Direktor von Hernsheim an Georg Thilenius, den Direktor des Völkerkundemuseums Hamburg für 20000 M verkauft. Aus den Erlösen seiner privaten Sammlertätigkeit konnte Hellwig 1907 in Halle ein Kolonialwarengeschäft erwerben. In den Jahren 1908 bis 1910 nahm er an der Hamburger Südsee-Expedition, die im ersten Jahr von Friedrich Fülleborn geleitet wurde, als Sammler und Photograph teil. Nach Ende der Expedition wurde Hellwig am Völkerkundemuseum in Hamburg beschäftigt.“ (6) 

 „Aly: Um ihr Gewissen zu beruhigen, behaupteten die vielfach räuberisch vorgehenden Sammler gern, sie würden die Zeugnisse untergehender Kulturen retten. Diese Form der Rechtfertigung hält sich bis heute. Aber die sogenannten Retter gehörten selbst zu den europäischen Stoßtruppen kultureller Verwüstung.“ (8) 

 Vitrine 6 "Weltweit einmalig“ 

„Aly: Das Reiseboot ist wunderschön und ein höchst wichtiges, ja strahlendes Weltkulturerbe. Aber warum existiert von diesem Bootstyp nur noch ein einziges Exemplar auf der Welt? Die Antwort darauf führt in ein düsteres Kapitel deutscher Kolonialgeschichte.“ (8) 

„Weltweit einmalig“ (Stiftung Preussischer Kulturbesitz. „Wie man sich das »Kaufen« der Agenten Hernsheims beziehungsweise die fließenden Übergänge zwischen Abpressen, Übervorteilen, Betrügen und Rauben vorstellen muss, schilderte Richard Parkinson 1904 in einem Brief an das Berliner Völkerkundemuseum: »Die Firma Hernsheim & Co. hat [die Inseln] Maty [Wuvulu] und Durour [Aua] rattenkahl absammeln lassen; es ist ein ethnographischer Raubzug, wie ich ihn noch nicht gesehen [habe].« Allerdings hatte Parkinson knapp vier Jahre zuvor selbst von Luschan gefordert, »einen ständigen Agenten« für die Südsee zu ernennen, der dort möglichst viele »größere wertvolle Sammlungen« erwerben solle, bevor überhaupt nichts mehr zu haben sei: »Es ist erstaunlich, wie schnell jetzt alle Sachen verschwinden, auch das Allergewöhnlichste wird allmählich zu einer Seltenheit.«“ (1) 

„Im Sommer 1882 erfuhr Eduard Hernsheim, der gerade in Deutschland weilte, dass seine Station auf einer Nachbarinsel von Luf von Eingeborenen niedergebrannt und eines seiner Schiffe zerstört worden war. Daraufhin erwirkte er beim Reichskanzler Bismarck eine militärische Strafaktion, die vom 26. Dezember 1882 bis zum 5. Januar 1883 durch das Kanonenboot „Hyäne“ und die Korvette „Carola“ vollzogen wurde. In diesen elf Tagen zerstörten die Mannschaften der beiden deutschen Schiffe sechs Dörfer, zahlreiche Hausgeräte und Pflanzungen und mehr als fünfzig „Kanoes“, darunter zahlreiche Exemplare von der Größe und Qualität des Luf-Boots. Die Bevölkerung, deren Lebensgrundlage vernichtet war, sollte sich von diesem Schlag nicht mehr erholen. Hatten vor der Aktion bis zu vierhundert Menschen auf Luf gelebt, so waren es wenige Monate später nur noch etwa sechzig.“ (7) 




Vitrine 7 „Mahnmal des Schreckens“ 

 „In den 1880er Jahren unterwarf die deutsche Kaiserliche Kriegsmarine einen Teil von Neuguinea und umliegender Inseln, den hinfort so bezeichneten Bismarck-Archipel.“ (1) „Mit (Götz) Alys Buch ist das "liebe Luf-Boot" nun ein ebenso unmögliches Exponat geworden. Die Leute, die es nach Berlin brachten, sind verantwortlich für den Untergang eines Volks und seiner Kultur.“ (2) „In einer ersten Reaktion erklärte eine Sprecherin der SPK gegenüber der SZ, man werde das Boot weiterhin zeigen - nur jetzt als "Mahnmal der Schrecken der deutschen Kolonialzeit". 

Auf die Herkunft des Boots und die Strafexpedition, in deren Zuge etwa die Hälfte der Bewohner getötet wurde, soll in der Ausstellung eingegangen werden.“ (2) 

„Das heutige Papua-Neuguinea ist eines der ärmsten Länder der Welt.“ (8) 

Vitrine 8 „Auktionsbewertung 160 000 bis 200 000 Euro“ 

„Einzelne Stücke aus Hellwigs Raubgut werden bis heute gehandelt. So konnte man 2014 die Ankündigung »Museale Neuguinea-Figur unterm Hammer« lesen. Das hochvornehme Wiener Auktionshaus Dorotheum, 1938 bis 1944 führend an der Versteigerung des Eigentums entrechteter, geflohener und ermordeter Juden beteiligt, veranstaltete die Auktion, zu der mit folgendem Text eingeladen wurde: »Spitzen-Objekt der Dorotheum-Auktion ›Stammeskunst / Tribal Art‹ vom 24. März 2014 ist eine sehr seltene, alte Aufsatz-Figur einer ›Heiligen Flöte‹ der Biwat ( ... ) von vorgelagerten Inseln im Nordosten Neuguineas. Gesammelt im Jahr 1904 von dem deutschen Abenteurer und Kaufmann Franz Emil Hellwig. ( ... )“ 



Vitrine 9 „Nur ein Boot“ 

„Die originalen Eingangsbücher und Inventare enthalten wesentlich deutlichere und zahlreichere Hinweise auf das Sammeln wertvoller Ethnographica mit Hilfe von Kanonenbooten und im Kontext ungezählter sogenannter Strafexpeditionen. Genau deshalb weigern sich die meisten Direktoren ethnologischer Museen bis heute, die großen handgeschriebenen ursprünglichen Verzeichnisse, also die dokumentarischen Grundlagen ihrer Bestände, der interessierten Öffentlichkeit in digitaler Form zugänglich zu machen.“ 

 „Aly: Ich habe die Inventare des Berliner Ethnologischen Museums zur Südsee durchgelesen, insgesamt sieben handgeschriebene Folianten. Das geht sehr schnell. Vieles wiederholt sich. Dabei fällt auf, dass in der öffentlich zugänglichen Datenbank der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, die längst nicht alle Stücke enthält, eine »Strafexpedition« zur »Expedition« verniedlicht wird, da wird ein Max Braun als Sammler geführt und nicht mitgeteilt, dass er Unterzahlmeister des Kanonenboots »Möwe« war, der Sammler Jakob Weisser diente in ähnlicher Funktion auf dem Kanonenboot »Hyäne«, da wird ein Auktionshaus in London, das regelmäßig koloniales Raubgut unter den Hammer brachte, zur »Sammlerin Webster«.“ (8) 

 „Aly selbst schlägt vor, der Republik Papua-Neuguinea, auf deren Territorium die Insel Luf liegt, das Auslegerboot zunächst rechtsgültig zu übereignen. Über eine Rückführung könne man später immer noch reden.“ (7) 

 „Aly: Angemessen erklärt führt dieses zum Museumsobjekt gemachte Boot mitten hinein in die deutsche Kolonialpolitik, zu den Bestrafungsbefehlen des Reichskanzlers Otto von Bismarck und zur grausamen Behandlung der Menschen in den deutschen »Schutzgebieten«. Außerdem ist dieses Boot das letzte Zeugnis einer großen Kultur. Es kann 50 Menschen tragen, gegen Wind kreuzen, ist hochseetüchtig. Es gibt eine Vorstellung davon, mit welchen Fahrzeugen die entlegensten Südseeinseln vor vielen 1000 Jahren besiedelt wurden – zu einer Zeit, als man im heutigen Deutschland noch in Höhlen hauste.“ (8) 

 „Zunächst sollten wir uns – konkret die Stiftung Preußischer Kulturbesitz – als Treuhänder und Bewahrer dieser Kulturschätze verstehen. Ich bin unbedingt dafür, dass sie öffentlich gezeigt werden. Ich plädiere aber auch dafür, in den Museen endlich damit zu beginnen, die kolonialen Gewaltgeschichten zu erzählen. Der Betrachter soll mit dem Zwiespalt zwischen jahrtausendealter Hochkultur und moderner Brutalkultur konfrontiert werden. Wie der Staat Papua-Neuguinea auf die Dauer reagiert, das werden wir sehen, aber ich bin dafür, dass wir diesen Staat rückwirkend als Treugeber betrachten und uns nicht als Eigentümer sehen. Wie es dann weitergeht, das ist eine Aufgabe für die nächste Generation. Es sollte nichts übereilt geschehen.“ (9) 

Literatur 

(1) Götz Aly: Das Prachtboot. Frankfurt/M. 2021 Leseprobe daraus in: Perlentaucher 11.5.2021 https://www.perlentaucher.de/vorgeblaettert/goetz-aly-das-prachtboot-leseprobe.html 

(2)Jörg Häntzschel: Raubkunst:"Mahnmal der Schrecken". Das Luf-Boot soll auch weiterhin im Humboldt-Forum gezeigt werden, erklären die Verantwortlichen in ersten Reaktionen auf das neue Buch von Götz Aly. In: Süddeutsche Zeitung, 10. Mai 2021 https://www.sueddeutsche.de/kultur/humboldt-forum-restitutionsdebatte-raubkunst-kolonialismus-goetz-aly-1.5290781 (2) Jörg Häntzschel: Koloniale Raubkunst: Das neue Buch von Götz Aly: Unmögliches Exponat. In: Süddeutsche Zeitung 10. Mai 2021 https://www.sueddeutsche.de/kultur/luf-boot-humboldt-forum-goetz-aly-1.5289074 

(3) Von der Insel Luf ins Humboldt Forum: Die Geschichte eines Südseebootes. Blog Staatliche Museen zu Berlin. Stiftung Preussischer Kulturbesitz, 25.Mai 2018 

(4) Südseeboote in BerlinTeil der Identität der Kulturen im Pazifik. Dorothea Deterts im Gespräch mit Maja Ellmenreich: Im Humboldt-Forum sollen die Südseeboote des Ethnologischen Museums Dahlem einmal einen prominenten Platz einnehmen. Deutschlandfunk 13.8.2015 https://www.deutschlandfunk.de/suedseeboote-in-berlin-teil-der-identitaet-der-kulturen-im.691.de.html?dram:article_id=328255 

(5) Lars Spannagel: Museen Dahlem Ein letzter Besuch vor dem Umzug ins Humboldt-Forum, in: Der Tagesspiegel 2.1.2016 https://www.tagesspiegel.de/kultur/museen-dahlem-ein-letzter-besuch-vor-dem-umzug-ins-humboldt-forum/12781932.html 

(6) Franz Emil Hellwig; Wikipedia https://de.wikipedia.org/wiki/Franz_Emil_Hellwig 

(7) Andreas Kilb: Pazifizierung im Schutzgebiet Kein fairer Erwerb: Der Historiker Götz Aly führt den Nachweis, dass ein ethnologisches Vorzeigestück des Humboldt-Forums koloniales Raubgut ist. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 8.6.2021 https://zeitung.faz.net/faz/feuilleton/2021-05-08/118d3dc17f5203176d36b866db6b36f5/?GEPC=s2&fbclid=IwAR3fH3SitprFBKeo6UJE09a8XoPQDw6dje-u8RWpPZVyEUh0_G_Extt373U 

(8) »Die Deutschen zerstörten ein Paradies – und behaupten bis heute das Gegenteil« Ein Segelboot von der Südseeinsel Luf soll ein Highlight der Ausstellung im Berliner Stadtschloss werden. Der Historiker Götz Aly sagt: Das Exponat steht für ein düsteres Kapitel deutscher Geschichte. Ein Interview von Felix Bohr und Ulrike Knöfel in: Der Spiegel 8.5.2021 https://www.spiegel.de/kultur/deutscher-kolonialismus-in-der-suedsee-historiker-goetz-aly-ueber-die-zerstoerung-eines-paradieses-a-a4e4c3b8-b142-4b88-a5dd-749a1a9465fa 

(9) »Schuld und Sühne sind keine historischen Kategorien«. Ein geraubtes Boot aus der Südsee und seine Folgen: Ein Gespräch mit dem Historiker Götz Aly über das Erbe des deutschen Kolonialismus. Ijoma Mangold im Gespräch mit Götz Aly, in: Die Zeit, 11.5.2021 https://epaper.zeit.de/article/6c5134ed9e7a2946129495850675efc8ea48e6bc252cd6cef0bcadc033c827ab?fbclid=IwAR1y-9k7dng85KUHiHv2RgIeafO6yJiYVQKluMUAZOjfK14pjoGZ_eIetRQ

Dienstag, 1. Dezember 2020

Der Schatz der Frau Antonowa

1945 wurden Kunstschätze aus dem eben besiegten Deutschland als Kriegsbeute in die Sowjetunion gebracht,. Darunter auch der sogenannte Schatz des Priamos. Die Spuren dieses Raubs wurden so gut verwischt, daß der berühmteste aller archäologischen Funde als verschollen wenn nicht zerstört galt.

In den 80er-Jahren wurden innerhalb der sowjetischen Bürokratie Spuren in Akten des Kunstraubes aufgefunden und es berichteten auch westliche Zeitschriften darüber. Dennoch wurde die Verbringung des Schatzes nach Moskau weiter abgestritten und als sich Hinweise verdichteten, er könnte sich im Puschkin-Museum befinden, bestritt das deren Direktorin, Irinia Antonowa vehement.

Sie war 1945 in das Museum eingetreten und auch mit der Übernahme von Kunstwerken aus Deutschland, etwa aus der Dresdner Galerie, betraut. 1961 wurde sie Leiterin des Museums. Im Oktober 1994 zeigte sie völlig überraschten deutschen Museumsvertretern in ihrem Büro Artefakte aus dem Schatz - eine Sensation, die rasch um die Welt ging und Irina Antonowa berühmt machte. Einer der großen Rätsel der Kunstwelt war gelöst. Einer der deutschen Experten berichtete: „Man brachte uns den Schatz nacheinander auf einem Tablett, und wenn wir ein Tablett untersucht hatten, wurde es wieder weggeschleppt.“ 


Anschließend wurde der „Troja-Schatz“ im Puschkin-Museum ausgestellt. Irina Antonowa beharrte jedoch militant weiter auf dem Standpunkt, daß es sich um Reparation handle, die die enormen Schäden, die die deutsche Armee und die Zeit der Besatzung in der Sowjetunion hinterlassen habe kompensieren soll und daß die Artefakte nicht an Deutschland zurückgegeben würden. Der Schatz befindet sich weiter im Puschkin-Museum. Am 30.11.2020 ist Irina Antonowa im Alter von 98 Jahren gestorben.

Freitag, 29. November 2019

Dresdner Juwelenraub. Unschätzbare Werte. Geglückte Ausbeutung

Am 25.November wurden aus dem Grünen Gewölbe in Dresden Kunstwerke gestohlen. Inzwischen weiss man, welche und wie viele. Ueber den Wert liess man sich in Zahlen nur unklar aus. Denn was meinte man mit den veröffentlichten zahlen? Den Versicherungswert? Den Verkaufswert im Falle einer Veräusserung? Da ist es schon besser von "unschätzbar" zu reden.
Um so sicherer schienen in ersten Reaktionen die Journalisten zum symbolischen Wert, der da eben verloren gegangen war. Andreas Platthaus sah in der Frankfurter Allgemeinen das "Sieges- und Heimatgefühl" der Sachsen "zerstört". Das Siegesgefühl? Das Heimatgefühl? Zerstört? Ja, denn: "Es gibt anderswo auf der Welt größere Diamanten als in Dresden, aber die Besonderheit etwa der sogenannten Brillantgarnitur als bedeutendste der drei liegt darin, dass hier ein Generationenprojekt zu besichtigen war: August der Starke kaufte den Großteil der Diamanten, sein Sohn August III. ergänzte weitere höchst bedeutende Steine, darunter den legendären 'Dresdner Grünen', und sein Urenkel Friedrich August III. schließlich ließ aus Juwelen seiner beiden Vorfahren die jetzige Brillantgarnitur anfertigen - als 'Brücke zwischen den Fürstengenerationen', wie Dirk Syndram, der Direktor des Grünen Gewölbes, das Schmuckensemble charakterisiert hat." Ja dann! Wenn daran bis jetzt die sächsische Identität hing!
Aber es geht auch ins andere Extrem, und das scheint mir interessanter, weil hier Abschied von einer genuin bürgerlichen Affirmation kultureller Tradition genommen wird: "Wer von uns hat sich je dafür interessiert, welchen Manschettenknopf August der Starke, zu welchem Fingerring trug?" Fragt sich und uns Arno Widmann in der Berliner Zeitung und spottet über die Anbetung der Tradition. "Wer von uns interessiert sich für die Veränderungen in der Kunst der Diamantenschleiferei in den vergangenen dreihundert Jahren?" Und: "Ganz sicher haben die Sachsen weniger hart an diesen Gegenständen gearbeitet, als sie vielmehr geschröpft wurden, damit die Majestäten sie erwerben konnten. Das gehört auch zur Wahrheit des Grünen Gewölbes: Hier zeigte der Herrscher, was er sich alles leisten konnte. Es ist ein Dokument rundum geglückter - verwenden wir das alte Wort - Ausbeutung. Deren Opfer zu sein, gehört ganz sicher zur sächsischen Identität."
Wenn der Regierungschef des Landes sagt, "Nicht nur die Staatlichen Kunstsammlungen wurden bestohlen, sondern wir Sachsen", dann meint er das natürlich etwas anders.

Dienstag, 29. Januar 2019

Parthenon-Fries. Ein wiederholtes "Ätsch" vom British Museum

Stilsicher hat der deutsche Direktor des British Museum, Hartwig Fischer, ausgerechnet in einer griechischen Zeitung die Verfrachtung des Parthenon-Frieses durch Lord Elgin als "kreativen Akt" bezeichnet. Er stützte sich dabei auf eine etwas abstruse Argumentation. Jede Musealisierung sei nun mal eine Entfremdung eines Werkes von seinem Kontext und verglich die Inbesitznahme des Frieses durch das British Museum mit - ausgerechnet - dem Akropolismuseum, wo ja derselbe "transformative" Vorgang stattgefunden habe.
Auf die paar Kleinigekiten kommts da nicht so drauf an, etwa auf die Unterscheidung von gewaltförmigen und gewaltlosem Handeln.
Schon einer seiner Vorgänger Neil MacGregor, ein Hardliner der Sonderklasse in Sachen Restitution, zeichnete sich durch eine Haltung in Sachen Elgin Marbles aus, die nahe an der Verhöhnung lag. Entgegen der Schutzbehauptung, die Skulpturen seien nicht mehr transportfähig, lieh er welche an die Eremitage aus, während er sich hartnäckig weigerte, auch nur über befristete Leihgaben an Griechenland nachzudenken.
Ein Museumssprecher schob nach: "We believe there is a great public benefit in being able to see these wonderful objects in the context of a world collection." Also: Restitutionskonflikte und -debatten gibt es nicht nur zwischen Europa und Afrika.
Übrigens: Der Chef der Labour-Party, Jeremy Corbin, verspricht im Falle eines Sieges seiner Partei bei Parlamentswahlen die athenischen Skulpturen und Reliefs zu restituieren. Da sollte man vorsichtig sein. Der hatte auch einen Vorgänger im Amt, Tony Blair, der das schon mal aus der Opposition heraus gleichlautend ankündigte. Und das Versprechen dann schnell vergaß, als er Premierminister war.

Montag, 15. Dezember 2014

Kunstraubland Deutschland?

Na das ist ja mal eine Neuigkeit! Jedenfalls für mich. Deutschland hat einen Spitzenplatz als Drehscheibe internationalen Handels mit geraubtem Kulturgut. Sagt DIE WELT in einem Artikel, in dem sich schriller Alarmismus breitmacht. Aber auch Fakten geliefert werden. 2016 soll es ein neues einschlägiges Gesetz geben. Der Kunsthandel ist eher untröstlich. Aber: Nach Waffen und Drogen gilt Kunst als der drittgrößte illegale Markt. Mit derzeit Irak und Syrien als hauptsächlich betroffene Länder. Und Deutschland ist ganz vorne mit dabei.

Werner Bloch: Kampf um die DNA der Menschheitsgeschichte, In: Die Welt. 15.12.2014