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Sonntag, 20. Oktober 2019

Kontroverse (Texte im Museum 956)

Als Bill Cosby sexueller Übergriffe beschuldigt wurde, verlangten vIele, daß sein Porträt aus dem national Museum of African American entfernt würde. Hier die auf der Webseite des Museums veröffentlichte Begründung, warum man diesem Verlangen nicht nachkommen werde. - In den USA werden Museen wegen ihrer Texte des öfteren angegriffen, es wird deren Entfernung oder Änderung verlangt. Siehe Anna Landis in ArtNews: Wall Talk: Do We Even Need Museum Wall Labels.

Samstag, 30. September 2017

Ach! Ist das schön!

"Gerade am Beispiel seiner Madonnenfiguren, denen ein langweiliges Grundmuster nachgesagt wird, lässt sich eine Fülle feinster psychologischer Kontaktnahmen zwischen Mutter, Kind und den beigesellten Figuren beobachten. Mal wird der Granatapfel, dieses Symbol der Passion, aber auch der Herrschaft, das die Mutter in der Hand hält, vom Kind nachdenklich betastet; mal hängt sich der Knabe mit einer Hand frech in den Halsausschnitt der Mutter; mal greift er übermütig nach einem Stab oder streckt den Arm neugierig nach einem Buch aus; mal blickt er, auf einem Lamm reitend, beifallhungrig zu Josef hin. All diese genau beobachteten kindlichen Gesten machen aus den Andachtsbildern Werke von anrührender Besonderheit und überzeitlicher humaner Schönheit." (Aus einer Ausstellungsbesprechung, "Raffael", Albertina Wien. Die HErvorhebungen stammen nicht von mir.)

Dienstag, 20. Dezember 2016

Kritikersprech

"Von jeher war ihr Anliegen die Überführung der amerikanischen Landschaft, des Naturerlebens in die Abstraktion. Diese genuin amerikanischen Solitäre sollten den Fokus von der Dominanz europäischer Ismen auf das Potenzial der im besten Wortsinn nationalen Schaffenskraft samt dazugehörigen motivischen Eigenheiten lenken. Gleichzeitig lotete sie die Grenzen der minimalistischen Hard-Edge-Malerei aus, suchte nach einem malerischen Weg das Bild hinter dem Bild, den Raum hinter der Tür aufscheinen zu lassen." 

Frage: Wer ist gemeint? Antwort: Giorgia O'Keefe

Freitag, 2. Januar 2015

How to critisize

Daniel Dennett: "How to compose a successful critical commentary."

"1. You should attempt to re-express your target’s position so clearly, vividly, and fairly that your target says, “Thanks, I wish I’d thought of putting it that way.
2. You should list any points of agreement (especially if they are not matters of general or widespread agreement).
3. You should mention anything you have learned from your target.
4. Only then are you permitted to say so much as a word of rebuttal or criticism.
This will "transform your opponent into a more receptive audience for your criticism or dissent, which in turn helps advance the discussion."


Gefunden via Facebook bei Barbar Kirshenblatt-Gimblett, die noch hinzufügte: "One must be committed to solving the problem rather than winning the argument!"

Freitag, 15. März 2013

Werner Hofmann. Ohne Nachruf

In den letzten Wochen hatte ich den Eindruck, daß die - zumal Wiener - Kunst- und Kulturkritik völlig am Abdanken ist. Die Lust-, Interesse- und Kompetenzlosigkeit angesichts der Eröffnung der Kunstkammer im Kunsthistorischen Museums bildete einen gespenstischen Kontrast zum Medienhype, den das Museum um die Eröffnung gemacht hatte. Matthias Dusini, der mehrfach versucht hatte, kritische Auseiandersetzungen mit Grundfragen der Wiener Museen, etwa zum Völkerkundemuseum, zu initiieren, lieferte zu Albertina-Schröder eine Art Home-Story, die man kaum anders als völlige Resignation vor der selbstgestellten Aufgabe verstehen kann.
Und nun druckt das bürgerliche Intelligenzblatt Die Presse zu Werner Hofmanns Tod die APA-Meldung nach und der Standard auch, gezeichnet aber mit Thomas Trenkler, und macht Hofmann zum Gründunsdirektor des MUMOK, was Missverständnisse stiftender blanker Unsinn gleich in mehrfacher Hinsicht ist.
Ach was! Hofmann lag quer zu allem was in Wien kunsthistorisch und museologisch so zugange war und ist und so blieb er ab und zu höflich geladener Gast, als Akteur oder Berater wollteihn hier niemand. "Wienerisch-verbindlich im Tonfall, französisch in der Clarté seiner Gedanken, deutsch – wenn man so will – in der unbedingten Disziplin seiner Arbeit" nennt ihn der Tagesspiegel, und möglicherweise ist das der Grund, warum ihn die Wiener Presse mit Instant-Texten lieber totschlägt, als sich mit ihm auseinanderzusetzen.

Zu den in Deutschland und der Schweiz erschienenen Würdigungen siehe den Post "Nachrufe, nachbarlich" hier.

Mittwoch, 14. März 2012

Kräftiger Bursche mit Strichmädchen. Das Wiener Feuilleton in Klimt-Extase

Das von einem halben Dutzend Wiener Museen bestrittene 'Klimtjahr' wird möglicherweise einen einzigen Effekt haben. Den der kompletten Abdankung der Kunst- und Ausstellungskritik.
Klimt, seine Biografie und seine Werke, haben schon seit jeher, auch schon zu seinen Lebzeiten, zu Sprach- und Assoziationsentgleisungen der Sonderklasse verführt. Warum jetzt alles wiedergekäut werden muß, warum sich Kuratoren nicht zu blöde sind, auf Pressekonferenzen mit der Zahl der unehelichen Kinder wettzueifern, warum noch immer vom Erotischen des Werks auf einen Erotischen Mann und Maler kurzgeschlossen werden muß, wer weiß das schon.

Es geht ins Bodenlose. Niemanden mehr scheint zu interessieren, was Sache sein könnte, welche Fragen man entwickeln könnte, was Forschungsstand ist. Stattdessen: freie Fahrt fürs frei flottierende Assoziieren inklusive Stilblüten.

Hier einige Kostproben der letzten Zeit:
 
"Man sieht Klimt beinahe, wie er sich, gehüllt in seine alttestamentarisch anmutende Reform-Zeichenkutte, mit dem Zeichenpult in die richtige Position rollte, während auf dem Bett die Modelle seinen Anweisungen folgten. Und die dürften keine zimperlichen gewesen sein. Hier wurden Tabus gebrochen, hier posierten arme Wiener Wäschermädeln als Femmes fatales, als nackte Schwangere, als Lesbierinnen, als Masturbierende. Und Klimt hielt sie erst mit Kohle, später mit Bleistift fest. Täglich, nach einem bestimmten Zeitplan, wie seine Kalender zeigen."

"Oder wie sich im Spätwerk ein liegendes Modell im zittrigen Moment der größten Ekstase in elektrische Linien aufzulösen scheint. Dazwischen liegt eine künstlerische Revolution, die sich andeutet, wenn man auf Geheiß der Kuratorin in die halb geschlossenen Augen der ersten von Klimts stilbildenden Femmes fatales blickt, die Studie einer von orgiastischer Erschöpfung dahingeworfenen Mänade für den Dionysos-Altar der Ausstattung des südlichen Stiegenhaus des Burgtheaters (1886/87)."

"Bei Klimt ist alles Symbol für etwas Übergeordnetes, vielleicht ja die Ästhetik gewordene Sehnsucht nach einem Ausweg aus dieser Welt, den er, der kräftige Bursche aus einfachem Haus nur beobachten, aber nicht selbst wählen konnte: Diese damals so moderne melancholische Entrücktheit, die er bei den Bürgerdamen beobachtete, die er porträtierte."

Das war alles aus einer Rezension des Intelligenzblattes des besseren Wiener Bürgertums zur Ausstellung mit Klimt-Zeichnungen in der Albertina.

Der 'Standard' hat mit derselben Ausstellung der Albertina ein anderes Problem, nämlich daß eine Ausstellung von Zeichnungen eine von Zeichnungen ist.

"Trotzdem bleibt die Schau Gustav Klimt. Die Zeichnungen blass. Nicht allein, weil die zarten Bleistift- und Kreidestriche, die den Betrachter nahe heranzwingen, oft mit dem Papier zu verschwimmen drohen. Sondern weil man nicht von der Kraft der Linie ablenken wollte. Daher entschloss man sich, die Studien und Skizzen alleine zu präsentieren - also ohne Abbildung der finalen Gemälde für die sie gemacht wurden."

"Alle anderen (Besucher, die nicht Kenner sind. Anm.GF) tun sich mit solchen Gedächtnisvergleichen erheblich schwerer (oder kaufen den Katalog um € 29,-) und hängen daher, so wie mancher von Klimts Strichen, in der Luft."

"Dort, wo die Zeichnungen jedoch für sich stehen, liegt das Potenzial der Ausstellung. Da kann auch ohne Vergleichsbeispiele Interessantes entdeckt werden: etwa in Klimts expliziteren Aktzeichnungen. Darin entwickelt die Zartheit der Linie sogar eine inhaltliche Komponente. Denn seine in exquisiten Posen festgehaltenen Strichweibchen erhalten so etwas Entrücktes, Verschwindendes. Die von der Kraft der Vorstellung lebende Erotik steigert das."

Dienstag, 5. Juli 2011

Kritik

Der Mistkäfer, habe ich bei Jean-Henri Fabre gelesen, versteckt seine Mistkugel unterirdisch, an der er zwei Wochen ununterbrochen frisst, während er das Verdaute als Humus ununterbrochen auskackt. Das ist die Rolle des Kritikers - er produziert den Nährboden dessen, was wachsen wird. Indem er in rasendem Tempo sortiert - die guten ins Kröpfchen -, beweist er, dass es doch geht, dass man kunstkritisch fressen kann, was man kulturkritisch für unverdaubar erklärt hatte. Wir Mistkäfer widerlegen uns selbst bis zur Erschöpfung. Das naheliegende Ziel wäre, Kunst zu finden, die den Interpreten braucht, und das fernere, Kunst zu finden, die sich selbst genügt. Sagen wir, ein Kabinett der Reflexion: memento mori; Brunnen des Lebens; der Zyklus des Jahres. Miniaturen als Allegorien in der platonischen Höhle. Ein weißer Raum als Themenpark. Alltag und Universum als polare Gewichte.

Ulf Erdmann Ziegler, in die taz 25.6.2011