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Samstag, 11. Oktober 2014

Tiere, Heimat und (Texte im Museum 498)

Orientierungstafel des Historischen Hauses der Natur Salzburg

Das Haus der Natur stellt sich zum ersten Mal seiner Vergangenheit. Manche Frage bleibt offen.


Das Haus der Natur in Salzburg stellt sich nun zum ersten Mal seiner Geschichte. Neunzig Jahre nach seiner Gründung durch Paul Eduard Tratz wird dessen Direktionszeit als "Ära" in Form einer Ausstellung gewürdigt. Aber man muß nicht befürchten, daß dieser eher affirmative Begriff „Ärafür eine neuerliche Würdigung von Tratz steht, die dessen vielfältigen Aktivitäten während der NS-Zeit und als SS-Funktionär im "Ahnenerbe" zudeckt.
Die AusstellungDas Haus der Natur 1924-1976 - Die Ära Tratz[1] (bis 30.Juni 2015), die nicht mehr als einen großen Raum und den vorgelagerten Gang beansprucht, listet wesentliche Aktivitäten von Tratz auf, wie sie in jüngeren Forschungen umfassend dokumentiert wurden.[2] Nun kann sich niemand mehr auf Un- oder Halbwissen zurückziehen. Die Beschlagnahmungen, die Raubzüge, die rassenideologischen Forschungen, die Plünderungen selbst katholischer Institutionen und das direkt in der Stadt Salzburg, die Vernetzung mit einschlägigen Institutionen und Personen, Trat schreckliche Schriften, das ist jetzt umfassend dokumentiert. Mit Zitaten, Publikationen, Dokumenten, Fotografien und Filmen, vieles davon noch nie veröffentlicht. Viele zusammenfassende (merkwürdig altbacken designte) Texte (auch in Englisch) verknüpfen alles zu einer ausführlichen chronologischen Darstellung.


Daß die Ausstellung vor allem dokumentiert und sich weitgehend jeden moralisierenden Kommentars enthält, sehe ich positiv.[3] Auf die Dokumentation aufbauend kann man gut seine eigenen Schlüsse ziehen und sich seine Meinung bilden. Allerdings endet die Dokumentation dort, wo es um die Verbindung zur Zeit nach Tratz langer Direktion und um die Gegenwart geht. Es gibt im Moment keinen Katalog oder eine Publikation der Arbeit der Expertenkommission (die offenbar vorgesehen ist).[4] Warum der von der US-Besatzungsmacht eingesetzte Nachkriegsdirektor mehr oder weniger weggelobt wurde, um wiederum Tratz Platz zu machen, dessen Entnazifizierungsverfahren für ihn sehr günstig "gestaltet" wurde, wirft die Frage nach den Motiven und den Förderern und Seilschaften auf. So bleibt auch die Entscheidung, als Tratz Nachfolger Eberhard Stüber, dessen Schüler, einzusetzen, im Dunkeln. Dessen Direktion, soll, wie man off records hören konnte, ausdrücklich und als Bedingung für das Zustandekommen des Forschungsprojekts zur Geschichte des Hauses ausgespart werden.
Stüber hielt aber immer am Erbe von Tratz fest, er machte selbst noch fragwürdige ethnologische Feldforschung und ich erinnere mich gut an die Dermoplastiken und die Fotografien, die ihn mit seinen "Forschungsobjeketen" zeigten. Niemand nahm daran Anstoß, auch nicht an den rassenkundlichen Figurinen aus der Direktionszeit von Tratz, die u.a. den "östlichen" und "westlichen Typ" darstellen sollten.
Stüber wusste genau, was diese Objekte bedeuteten und wie wenig harmlos sie waren. Als der Europarat eine große Tagung im Haus der Natur abhielt, führte Direktor Stüber durch das Haus, vermied es aber jene Räume zu zeigen, in denen einschlägige Objekte zu sehen waren.


Die Direktion Stüber, in der Ausstellung wie in dem zitierten begleitenden Aufsatz[5] also einfach ausgespart, gehörte aber unbedingt ebenfalls untersucht. Und zwar deshalb, weil eine der Schlüsselfragen, die nach der Entwicklung des Hauses der Natur, nach Kontinuitäten und Diskontinuitäten von museologischen und naturkundlichen Paradigmen und Ideologien, offen ist. Auch nach der Ausstellung.
Dennoch meine ich, daß die Ausstellung ohne wenn und aber verdienstvoll ist. Sie wird dem Museum bei einer Neuorientierung guttun und sie bietet der öffentlichen Meinung endlich umfassend Information, die es abgesehen von Roberts Hoffmanns Aufsatz nur bruchstückhaft gegeben hat. (Bis heute gehören die Posts zum Haus der Natur in meinem Blog zu den meistgelesenen, ich nehme an, weil sie zu den wenigen Quellen zur Direktion Tratz überhaupt zählen.)[6]
Die Ausstellung gliedert die Geschichte des Hauses der Natur in drei Teile: Da wäre die aus gleichsam laienhaften und bescheidnen Anfängen (Vogelkunde; vogelkundliche Forschungsstation) ein regional bedeutsames, pädagogisch engagiertes Naturmuseum entstanden, eine gleichsam "unschuldige" volksbildnerische Einrichtung, die auf Grund der Beziehung von Tratz zu Wissenschaft und Politik sich anschickte überregionale Resonanz zu bekommen.
Dann kommt die Zeit, in der das Museum Teil des SS-Ahnenerbes wird und sich Tratz nun "schuldig" macht, wie vielfach belegt wird. Die Ausstellung thematisiert diesen Bruch, aber als rätselhaft und nicht erklärbar.
Die dritte Phase wäre dann die der Erneuerung, der Reform und schließlich der ökologischen Neuorientierung. Wir sollen annehmen, daß mit diesem dritten Teil der Geschichte die Kontaminierung mit der Politik und Ideologie des Nationalsozialismus vorüber gewesen sei und ein neuer Abschnitt, der der Entschuldungangebrochen sei.


Das passt nun aber gar nicht zu den Tatsachen. Zunächst tritt ja Maximilian Piperek,[7] NSDAP-Mitglied, die Direktion an, von dem mir aus der knappen Darstellung seiner Biografie und seiner Vorhaben nicht klar geworden ist, ob er sich bloß um eine Modifikation Tratzscher Ideologeme bemüht hat oder ob das ein wirklicher Bruch mit der Vergangenheit war. Die beträchtlichen Aggressionen gegen ihn und die Vehemenz, mit der man Tratz wieder zurückwünschte und dann ja auch tatsächlich zurückholte, sind erklärungsbedürftig. Ist es nicht erstaunlich, daß jemand, der im erzkatholischen Salzburg katholische Institutionen plündern ließ, um sein Museum anzureichern, solche Sympathien haben konnte? Was an ihm war so wichtig, was vertrat er, was war erwünscht, daß er dort weitermachen könnte, wo er aufgehört hatte? Die Ausstellung erwähnt, daß sich Tratz nach 1945 von nichts distanzierte, keine seiner Publikationen verschwieg.
Im eben erschienenen Aufsatz im neuen museum betonen die Autoren Norbert Winding (als Direktor des Hauses der Natur und Mitarbeiter bereits unter Eberhard Stüber) und Robert Lindner (Leiter Sammlungen und Wissenschaft und Leiter des Forschungsprojekts) sowie Robert Hoffmann[8] die Einzigartigkeit des Konzeptes des Hauses der Natur und seiner Abhängigkeit von einer Person, die ohne Zweifelausschlaggebend für die Wiederbestellung von Tratz (ab 1.Juni 1949 ist er wieder Leiter des Hauses der Natur) gewesen sei. Zugleich werden aber die vehementen Forderungen nach Rückkehr durch seine früheren Mitarbeiterund von Mitgliedern des von der Besatzungsmacht aufgelösten Trägervereins erwähnt.[9] Die Autoren halten es für nachvollziehbar, daß Stadt und Land aus pragmatischen GründenTratz zurückholten. Mit solchen Formulierungen vermeidet man jede Beschäftigung mit der politisch-ideologischen Situation in Land und Stadt Salzburg nach 1945 und braucht sich daher auch nicht mit dem zähen und langen Nachleben von Seilschaften und dem Widerstand gegen Aufklärung zu beschäftigen, der bis heute noch zu spüren ist. Wenn die Salzburger Grünen kürzlich haben ausrichten lassen, daß ihr Antrag, Tratz die Ehrenbürgerschaft abzuerkennen, versandetsei, dann darf man sie fragen, was sie seit 2009 unternommen haben, um ihrem Antrag zum Erfolg zu verhelfen,[10] erst recht jetzt, wo sie an der Landesregierung beteiligt sind.[11]

Gegen die Bewertung des bislang letzten Abschnitts der Museumsgeschichte als vollzogener Bruch mit Tratz und seiner Ideologie spricht die Entwicklung des Hauses unter dessen Eberhard Stüber, der ein, wie man so sagt, Schüler von Tratz war. Er war ebenso wenig wie Tratz nach 1945 jemand, der sich der Vergangenheit des Museums und dem ihm zugrundeliegenden Naturverständnis distanzierte. Die unter ihm angebahnten ökologischen Projekte und Diskurse, die man als Indizien für den grundlegenden Wandel anführt, müssen nicht unbedingt als solche gelten. Man kann dies als Mitvollziehen eines wissenschaftlichen und gesellschaftspolitischen Paradigmenwechsels verstehen, es war aber auch, und vielleicht das oft in erster Linie, eine willkommene neue Legitimation einer Institution, die generell unter Legitimationsdruck geraten war. Das galt und gilt für Naturmuseum, die ihre taxonomische und archivierende Arbeit allein nicht mehr als Legitimation ausreichend einstuften. Was man kurzerhand als Modernisierung einschätzt oder propagiert, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als ökologische Wende in der Auffassung von Natur. Die aber beginnt lange vor dem Nationalsozialismus, und damit auch mit ihren rassistischen und inhumanen Implikationen, eine Bewegung, die gerade in Österreich auch nach 1945 sehr prominent war. Ich erinnere nur an Konrad Lorenz und den Konflikt, der um seine Verhaltensforschung ausbrach. Diese ökologische Naturauffassung kennt sehr unterschiedliche Spielarten, und einige davon gehören zum Kernbestand der Grünen Bewegung und Partei. Bernhard Lötsch etwa, der direkt aus dieser Bewegung heraus zum Museumsleiter des Wiener Naturhistorischen Museums gemacht wurde, vertrat eine ideologisch-politische, um es freundlich zu formulieren, sehr konservative Position. Er, wie Stüber ein außerordentlich engagierter Naturschützer, wehrte sich vehement gegen die Auflösung des sogenannten Rassensaales, der weder wissenschaftlich noch ausstellungsdidaktisch haltbar war und unter seiner Direktion wurden z.B. einschlägige (etwa zeitgleich zu den Salzburger Abformungen entstandene) rassenpolitische Präparate aus der NS-Zeit in der Eingangshalle als Eyecatcher zur Werbung für Blutspenden (sic) eingesetzt.
Diese Geschichte einzubeziehen scheint das Forschungs- und Ausstellungsteam nicht beabsichtigt zu haben. Hätte man das getan, wäre die 'Dreiteilung' der Geschichte des Hauses der Natur so nicht haltbar, wie sie in der jetzigen Ausstellung vorgenommen wird. Es wäre dann z.B. der scheinbar so rätselhafte Übergang vom naturkundlich engagierten Pädagogen Tratz zum Vernichtungstexte abfassenden Funktionär eines berüchtigten Forschungsinstituts weniger unverständlich gewesen.
Dies zu leisten steht also ebenso noch aus, wie endlich die Direktionszeit und Biografie von Eberhard Stüber aufzuarbeiten, nicht allein um der Aufhellung persönlicher Haltungen und Handlungen willen, sondern zur Aufklärung jener Kontinuitätsgeschichte der Ökologie- und Naturschutzbewegung, die (bis heute) den Rahmen des Hauses der Natur bildet.
Dann könnte man noch einen dritten Aspekt thematisieren, der bislang noch kaum wo gewürdigt wurde: die museologisch-didaktische Philosophievon Tratz, also seine eminent pädagogische Bemühung um Verständlichmachen und Veranschaulichen. Seine unzähligen ungemein liebevoll gebauten didaktischen Apparaturen, akkurat beschriftet, beweglich, bunt, möglichst klar, einfach, kind- und erwachsenengerecht - dieses enorme Repertoire an Didaktikverschwindet langsam aus dem Haus, sicher auch, weil es durch modernere Medien überholt wirkt. Klar, diese eminent didaktische Haltung gehört zur ökologischen Vermittlungsarbeit, bei der die Grenzen zur politisch-ideologischen Doktrinierung während der Jahre des NS nicht zu ziehen sind. Noch heute kann man in den Restbeständen der Tratzschen Veranschaulichungs-Maschinchen Objekte oder Schautafeln entdecken, die unmissverständlich sein schreckliches Menschen- und Naturbild verraten. Diese Didaktik läßt sich nicht isolieren und als Museumspädagogik an sich studieren oder bewundern. Dennoch hätte ich es für sinnvoll gehalten, diese große Besonderheit des von Tratz  geprägten Hauses der Natur im Kontext der Erneuerungsbewegungen und Museumsdidaktik seit 1900 zu untersuchen und zu bewerten. Ich bin auch nicht dafür, alle Tratschen „Überlebsel, die das Haus zeigte und z.T. noch zeigt, einfach verschwinden zu lassen. Behutsam in eine neue Ausstellung integriert und kontextualisiert könnte man ihnen ein längeres Überleben ruhig gönnen.
Daß man die Tratz-Büste aus dem Foyer und dem Museum schon vor Jahren im Zuge eines Umbauus des Foyer entfernt hat, ist richtig. Das Museum darf nicht unterm Zeichen einer solchen Person stehen. Ich bin aber nicht für eine "Entschuldung" durch Entfernen oder Entsorgen. Dadurch wird man seine unerwünschte Geschichte nicht los, eher im Gegenteil. Unter der Bedingung der Aufarbeitung, die mit der Ausstellung nun nachdrücklich eingesetzt hat, könnte so manches bleiben oder wieder gezeigt werden, wenn es in einem neuen Kontext und unter Klärung der historischen Bedingungen vielleicht ganz neue Erkenntnisse ermöglicht.
Das gilt namentlich für die Tibet-Dioramen, die aus der Ahnenerbe-Forschung stammen und zu den Attraktionen des Hauses gehören. Sie werden seit Tratzens Zeit gezeigt. In der Ausstellung wird ihre Herkunft und ihr Zustandekommen dokumentiert, im Museum nicht. Ganz im Gegenteil. Anlässlich eines Besuchs des Dalai Lama im Museum während der Direktion Stüber wurden den Dioramen zwei Textafeln vorgeschaltet, die aus dem Ensemble eine "Tibet-Schau" mit einer komplett irreführenden Jahreszahl machen. Der unbedarfte Besucher meint nun, daß diese Schau in jüngster Zeit aus Anlass des Besuches des religiösen Oberhauptes der Tibeter entstanden ist und daß dieser, so scheinen es die Fotos zu belegen, der Ausstellung außerdem Nobilität und Authentizität zuerkannt hat. Also im Akt einer Art von Imprimatur von "höchster Seite". Das kann so nicht bleiben und ich wundere mich, warum das eigentlich immer noch so gezeigt wird, wo es doch erst recht zeitgleich mit der Ausstellung extrem fragwürdig wird. Man hätte nur eineiige Texte der Ausstellung doppelt ausdrucken müssen und hätte eine provisorische Kommentierung der Tibet-Dioramen zur Hand gehabt. Gerade hier muß die Ausstellung und die umfassende Recherche zur Geschichte des Hauses praktisch werden. Die Funktion und Ideologie der Tibet-Expedition gehören benannt, die Eckdaten präzisiert, das Zustandekommen der Dioramen einschließlich der Information, daß die Figuren nach rassenkindlich behandeltenTibetern entstanden sind, die man vor Ort vermessen und denen man Masken abgenommen hat.
Das wird aber nicht reichen. Die Dioramen vermitteln das Bild eines archaischen und ursprünglichen Tibet. Lhasa liegt da wie zur Zeit Sven Hedins oder Heinrich Harrers. Tibet ist heute eine Region Chinas, was zwar in einem Text angedeutet wird, aber für Besucher, die Lhasa schon mal für Salzburg halten,[12] doch viel zu verschlüsselt und versteckt. Also müsste man - mindestens - etwas zum heutigen Tibet sagen, zur Differenz der Bilder, die man vor Augen hat, zur Gegenwart und der heutigen Lebenswirklichkeit der Tibeter.
Mit der Ausstellung hat das Museum einen großen und verdienstvollen Schritt getan. Sie wird lange gezeigt und wird vermutlich im Land und in der Stadt das Bewusstsein für das Haus verändern. Die Dokumentation, die man zeigt, ist umfangreich, behandelt sehr viele Aspekte, weit mehr, als bisher bekannt waren und bezeugt mit z.T. grotesken Fotos - Männer in Loden rauben Tierpräparate- die Ungeheuerlichkeiten, die zur NS-Zeit rund ums Haus der Natur passierten und mit dem Namen Tratz ab nun definitiv verknüpft sein werden.
Manches bleibt, wie ich gezeigt habe, offen, halb stecken. Immerhin hat man mit der Restitution von Objekten begonnen, die im Laufe des Jahres 1914 auch abgeschlossen werden sollte. Man wird sehen, wie sich das Museum weiter entwickelt und ob und wie die Aufarbeitung der Geschichte des Hauses weitergeführt werden und in seine Praxis hineinwirken wird.







[1] Norbert Winding, Robert Lindner, Robert Hoffmann:  Geschichtsaufarbeitung als Ausstellung: Das Haus der Natur 1924-1976 - Die Ära Tratz, in: neues museum, Oktober 2014, 14.Jg., Nr.4, S.62-67
[2] Robert Hoffmann: Ein Museum für Himmler. Eduard Paul Trat und die Integration des Salzburger Hauses der Natur in das Ahnenerbe der SS, in: Zeitgeschichte, 35.Jg., Mai/Juni 2008, S.154-175
[3] Das Museum schreibt sich die Initiative zur Aufarbeitung selbst zu und rühmt sie als Pioniertat im Feld der Naturmuseen. Allerdings listet ein Ausstellungstext - lückenhaft - diverse Presseartikel und wissenschaftliche Beiträge auf, die seit den 80er-Jahren die Geschichte des Hauses der Natur nach und nach aufhellten. Möglicherweise war letztlich der Auftrag des LH-Stellvertreters und Aufsichtsratsvorsitzenden des Hauses der Natur, Buchleitner, ausschlaggebend dafür, daß eine Art Historikerkommission zustandekam. Deren Arbeit liegt der jetzigen Ausstellung zugrunde.
[4] Die Arbeitsgruppe setzte sich aus dem Zeithistoriker Robert Hoffmann zusammen, Susanne Köstering, einer Potsdamer Museologin, die auf Naturmuseen spezialisiert ist. Die Kuratorin des Naturhistorischen Museums Maria Teschler-Nicola, Anthropologin und des Zoologen Alfred Goldschmied.
[5] wie Anm.1
[6] Den gemeinsam mit Sabine Schleiermacher verfassten Essay Blutgebundene Abhängigkeit habe ich 2010 im Blog noch einmal veröffentlicht. Er erschien im Standard 1992 und war die erste Beschäftigung mit der NS-Geschichte des Hauses der Natur für eine breitere Öffentlichkeit. Der Artikel blieb ohne jede messbare Reaktion. Hier der Link: http://museologien.blogspot.co.at/2010/04/blutgebundene-abhangigkeit-das-haus-der.html
Ebenfalls 2010 habe ich eine Art Kurzgeschichte des Museums zur Zeit der Tratzschen Direktion im Blog verfasst, Das Haus der Natur als Institut des SS-Ahnenerbes. Link: http://museologien.blogspot.co.at/2010/01/das-haus-der-natur-in-salzburg-als.html
2013 kam dann ein weiterer Post hinzu, Selbstverordneter Gedächtnisschwund, dessen Anlass die informationslose Webseite war, wo man nahezu nichts über die Rolle von Tratz und die des Museums in der NS-Zeit erfuhr. Darauf reagierte das Museum allerdings rasch und rüstete die Webseite mit einschlägigen Informationen nach. Link: http://museologien.blogspot.co.at/2010/01/das-haus-der-natur-in-salzburg-als.html
[7] Piperek war Gymnasiallehrer mit naturkundlicher und philosophischer Ausbildung. 1945 von der amerikanischen Besatzungsmacht eingesetzt.
[8] wie Anm.1
[9] wie Anm.1, S.66
[10] Die Landesregierung nennt den Entzug der Ehrenbürgerschaft rechtlich nicht durchführbar.
[11] Gerald Lehner berichtet über die inzwischen zweite Umbenennung einer Forschungsstation am Großglockner. Nachdem der Name Tratz vorübergehend durch eine neutrale Bezeichnung ersetzt worden war, wurde die 1989 gegründete und vom jetzigen Direktor des Hauses der Natur, Norbert Winding eingerichtete Station kürzlich in Eberhard Stüber Forschungsstation umbenannt. Lehnet: Im Fall der Tratz-Haus der Natur-Stüber-Forschungsstation in den Hohen Tauern spart nun die Salzburger Landeshauptmann-Stellvertreterin und Naturschutz-Referentin Astrid Rössler nicht mit Lob für Akteure. Die oberste Grüne spricht wörtlich von einer Pioniertat ökologischer Grundlagenforschung und einer visionären Entscheidung, als vor genau 25 Jahren die Tratz-Forschungsstation im Nationalpark Hohe Tauern gegründet wurde. In der entsprechenden Aussendung der Salzburger Landeskorrespondenz vom 19. September 2014 fehlt jeder Hinweis auf die langen Debatten um die Station, die Vergangenheit des Naturkundemuseums Haus der Natur und des SS-Naturforschers Tratz. Gerald Lehner: Neuer Personenkult, alte Geschichtslosigkeit. 20.September 2014 (Blog) http://hausdernatur.wordpress.com/
[12] Ein sicher schon mehr als volksschulpflichtiges Kind identifiziert den Potala als Salzburg und beharrt, als die Eltern rat- und ergebnislos in dem erläuternden Text lesen, ahnend, daß da was nicht stimmen kann, in Berufung auf die Autorität eines Onkels: das ist Salzburg. Er hats gesagt. Die Kleinfamilie zog ratlos ab, die Eltern blieben - aus eigener Ahnungslosigkeit oder pädagogischer Großmut? - stumm.

Montag, 9. Juni 2014

Das Haus der Natur in Salzburg zeigt eine Ausstellung seiner Geschichte und seiner Rolle in der NS-Zeit

Zum neuesten Stand der Erforschung, Diskussion und Aufarbeitung der Rolle von Eduard Paul Trat und des von ihm gegründeten naturmuseums durch das Haus der Natur selbst siehe den Post „Das Haus der Natur stellt sich zum ersten Mal seiner Gesichte. Hier: http://museologien.blogspot.co.at/2014/10/das-haus-der-natur-stellt-sich-zum.html

Das Haus der Natur in Salzburg zeigt derzeit (aus Anlass seines 90jährigen Bestehens) eine Ausstellung zu seiner Geschichte unter dem (Gründungs)Direktor Eduard Paul Tratz. "Das Haus der Natur 1924-1976. Die Ära Tratz".

Mit der Ausstellung, die auf Forschungsarbeiten der Universität Salzburg beruht, stellt sich das Museums erstmals seiner Geschichte seit 1924 und damit der Rolle von Museum und Museumsleiter in der NS-Zeit. Auch auf seiner Webseite, von der ich die Zusammenfassung diese "Ära" des Hauses wiedergebe:
Eduard Paul Tratz. Ausschnitt aus einem Foto der Webseite des Museums

"Die Ausstellung schildert die Geschichte des Museums von den Anfängen als Ornithologische Station über die Gründung des neuen Museums für Naturkunde bis zum Ende der Direktion des Museumsgründers Eduard Paul Tratz. Sie beleuchtet dabei insbesondere die Rolle des Museums während der Zeit des Nationalsozialismus, in der das Haus der Natur in die SS-Wissenschafts-organisation „Das Ahnenerbe" integriert war.
Im Jahr 1913 gründete Eduard Paul Tratz die „Ornithologische Station Salzburg“, die im Jahr 1920 als „Vogelmuseum“ im Monatsschlösschen Hellbrunn öffentlich zugänglich wurde. Zwei Jahre später präsentierte Tratz den Plan zur Gründung eines Salzburger Naturkundemuseums. Trotz schwieriger wirtschaftlicher Verhältnisse eröffnete bereits im Jahr 1924 das „Neue Museum für darstellende und angewandte Naturkunde“ in der ehemaligen Hofstallkaserne. Die Ausstellung wurde ständig erweitert, 1937 umfasste sie 23 Abteilungen auf einer Fläche von 3.000 m² und nannte sich erstmals „Haus der Natur“.
Nach dem „Anschluss“ Österreichs an das Dritte Reich vollzog Tratz eine rasche Anpassung an die neuen politischen Verhältnisse. Am 1. März 1939 erfolgte die Integration des Museums in die SS-Wissenschaftsorganisation "Ahnenerbe". Tratz beteiligte sich sowohl an der Enteignung von kirchlichem und jüdischem Besitz als auch an völkerrechtswidrigen Kulturraub-Aktionen in polnischen Museen. Er nahm Änderungen im Schaubreich vor, die der Vermittlung NS-ideologischer Inhalte dienten. Ein Saal zeigte etwa biologistisch begründet, „höher-„ und „minderwertigere“ „Menschenrassen“. Mit Raubgut aus Polen und der Ukraine schuf er einen neuen „Eiszeit-Bereich“ rund um ein Wollhaarnashorn. Mit völkerkundlichen Objekten aus der „Deutschen Tibet Expedition Ernst Schäfer“ errichtete er die „Tibetschau“.
Als Abteilungsleiter des „Ahnenerbes“ erwies sich Tratz als systemloyaler und anpassungswilliger Opportunist, der sich zu einer Ausrichtung des Museums im Geiste des nationalsozialistischen Naturverständnisses bekannte. Zwischen 1938 und 1945 veröffentlichte er einige Texte, die sich mit den Aufgaben naturwissenschaftlicher Museen im Dienste der NS-Ideologie beschäftigen. In anderen finden sich rassistisch-biologistische Textpassagen, in denen eine Rechtfertigung der Euthanasie anklingt. Tratz distanzierte sich von all diesen Äußerungen nach 1945 nicht.
Im Juni 1945 wurde Tratz verhaftet und blieb bis August 1947 in Salzburg Glasenbach interniert. Zu einer Anklageerhebung kam es nicht, auch wurde dem Ansuchen polnischer Behörden um Auslieferung nicht stattgeben. Nach der Internierung von Tratz ernannte man Maximilian Piperek zum neuen Leiter des Museums. Er versuchte das Haus auf humanistische Werte hin auszurichten und in ein Forum der Begegnung und Diskussion zu verwandeln. Rassenideologische Elemente wurden aus der Ausstellung entfernt. Im April 1949, bei der Neukonstitution des finanziellen Trägervereins, votierte die große Mehrheit der Vereinsmitglieder mit politischer Rückendeckung aller Parteien für die Rückkehr von Tratz.
Gemeinsam mit seinen langjährigen Mitarbeitern brachte Tratz das Haus sofort auf den alten Kurs und knüpfte an seine frühere Sammlungs- und Präparationstätigkeit an. Eine Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Vergangenheit fand nicht statt. Ende 1956 wurde das Museum geschlossen, weil auf dem Areal der Hofstallkaserne ein neues Festspielhaus errichtet werden sollte. 1959 eröffnete das Haus der Natur im ehemaligen Ursulinenkloster neu. Das Museum blieb in seinen Grundzügen bis zum Ende der Direktion Tratz in seinen Grundzügen das alte."

Die Ausstellung wird bis zum Sommer 2014 zu sehen sein.
Zur Webseite Haus der Natur

Donnerstag, 23. Januar 2014

Kaffee und Sinnbildung (Texte im Museum 452)

Cafeteria des Hauses der Natur in Salzburg. 2009 (Foto: GF)

Das Haus der Natur in Salzburg restituiert Raubgut und arbeitet an derErforschung seiner NS-Geschichte

Zum neuesten Stand der Erforschung, Diskussion und Aufarbeitung der Rolle von Eduard Paul Trat und des von ihm gegründeten naturmuseums durch das Haus der Natur selbst siehe den Post „Das Haus der Natur stellt sich zum ersten Mal seiner Gesichte. Hier: http://museologien.blogspot.co.at/2014/10/das-haus-der-natur-stellt-sich-zum.html 


Das Haus der Natur in Salzburg hat angekündigt, in der NS-Zeit geraubtes Sammlungsobjekte zu restituieren. Der damalige Museumsleiter (und Gründer) Eduard Paul Tratz hatte Bibliotheken, ganze Sammlungen z.B. kirchlicher Einrichtungen im eigenen Land beschlagnahmen lassen, aber auch aus Sammlungen und Institutionen in Warschau, Krakau, Smolensk u.a.m. kam Raubgut in das Museum.
"Durch Arisierungen" schreiben die Salzburger Nachrichten "gelangten Jagdtrophäen aus dem Besitz des Kunstsammlers Rudolf Gutmann, eine Trophäensammlung von Alphonse und Clarisse Rothschild sowie eine Sammlung südamerikanischer Vögel der Familie Bomstein-Bomi nach Salzburg."
Noch läuft eine umfangreiche wissenschaftliche Untersuchung zur Geschichte des Hauses der Natur in Salzburg unter der Leitung des Zeithistorikers Robert Hoffmann.
Das Haus der Natur feiert heuer seinen 90. "Geburtstag" und plant für dieses Jubiläumsjahr eine Ausstellung zu seiner Geschichte.
Beides, Forschung, Aufarbeitung und Restitution waren überfällig. Das Haus der Natur, das bis 1976 (!) (mit einer Unterbrechung) von dessen Gründer Eduard Paul Tratz, hochaktiver Nationalsozialist der das Haus zur Institution des "Ahnenerbes" gemacht hat, geleitet wurde, leistete auch unter Tratz Nachfolger, Eberhard Stüber, keine Aufarbeitung und hielt des "Erbe" Tratz hoch. Erst mit dem Direktionswechsel zu Norbert Winding begann sich die Haltung des Museums zu ändern.
Der aktuelle Kulturlandesrat Salzburgs, Schellhorn, sagt "es gibt noch viel aufzuarbeiten". Dazu gehört die seit mehr als zehn Jahren unerledigte Debatte um die Aberkennung der Ehrenwürde Paul Tratz', die Ausdehnung der Aufarbeitung auf die Zeit nach 1945 und auf die Direktion Stüber und die dubiose Verleihung des Österreichischen Museumspreises unter ausdrücklicher Würdigung von Tratz "Verdiensten". (1)
An Aufarbeitung zu denken hat nicht nur das Museum guten Grund, den hätten auch viele Naturschutzorganisationen, die sich, z.B. in Form von Benennungen von Preisen und Institutionen (2) nach Paul Tratz, zu einer Geschichte des Naturschutzes bekennen, die auch äußerst fragwürdige Wurzeln hat. Das Naturverständnis, das Teile der Naturschutzbewegung prägt, aber auch die Naturideologie (von Telien) der Grünen, in ihrer Entwicklung durch das 20.Jahrhundert hindurch, also unter ausdrücklichem Einschluß der der NS-Zeit, wäre grade für die auflebende Debatte um den scheinbar apolitischen Naturfundamentalismus der Grünen von großem Interesse.

(1) Die Preisverleihung hat mich veranlasst, zusammen mit Sabine Schleiermacher einen Artikel im "Standard" zu veröffentlichen. Sabine Schleiermacher, Gottfried Fliedl: "Blutgebundene Abhängigkeit" Museumspreis 1991: Eine späte Ehrung für nationalsozialistische Rassenforscher. In: Der Standard, Donnerstag 13. Februar 1992, S.23 Hier in diesem Blog zu finden (mit Links zur Kontroverse des damaligen Landeshauptmannes Katschthaler und dem Zeithistoriker Robert Hoffmann, der erste Ergebnisse einer Untersuchung publiziert hatte) unter: http://museologien.blogspot.co.at/2010/04/blutgebundene-abhangigkeit-das-haus-der.html sowie ein Post aus dem Jänner 2010 "Das Haus der Natur in Salzburg als Institut des SS-Ahnenerbes"
Mitte 2013 habe ich das Thema noch einmal aufgegriffen und die Verlängerung dur selbstverordneten Amnesie des Hauses der Natur vor allem in seiner offiziellen Selbstdarstellung kritisiert (mit weiterführenden Links). http://museologien.blogspot.co.at/2013/06/selbstverordneter-gedachtnisschwund-das.html Auf diese Kritik hat Direktor Norbert Windung prompt reagiert und seither kann man auf der Webseite - zum ersten Mal - etwas über die Geschichte des Huases in der NS-Zeit erfahren. Hier zur Reaktion von Direktor Winding: http://museologien.blogspot.co.at/2013/07/das-haus-der-natur-in-salzburg-reagiert.html
http://museologien.blogspot.co.at/2010/01/das-haus-der-natur-in-salzburg-als.html
(2) Zur Umbenennung einer Forschungsstation nach längerer Kritik siehe hier: http://hausdernatur.wordpress.com/himmlers-darling/

Mittwoch, 24. Juli 2013

Das Haus der Natur in Salzburg reagiert auf Kritik und berichtet über sein Projekt zur Erforschung der Geschichte des Museums

Zum neuesten Stand der Erforschung, Diskussion und Aufarbeitung der Rolle von Eduard Paul Trat und des von ihm gegründeten naturmuseums durch das Haus der Natur selbst siehe den Post „Das Haus der Natur stellt sich zum ersten Mal seiner Gesichte. Hier: http://museologien.blogspot.co.at/2014/10/das-haus-der-natur-stellt-sich-zum.html  
 
Auf meine Kritik, daß das Haus der Natur in Salzburg sich noch immer nicht seiner Geschichte stellt (hier: http://museologien.blogspot.co.at/2013/06/selbstverordneter-gedachtnisschwund-das.html, einschließlich eines Kommentars von Direktor Windung zu meinen Ausführungen), obwohl doch mehrfach in Publikationen die Rolle des Museums und seines Gründers und langjährigen Leiters, Eduard Paul Tratz dargestellt worden war, hat der Leiter des Museums, Norbert Winding reagiert. Es gibt nun auf der Webseite eine wenn auch knappe so doch unmissverständliche Information (hier: http://www.hausdernatur.at/zeittafel.html) und einen ausführlichen Hinweis zum laufenden Forschungsprojekt und der vorstudie dazu (hier: http://www.hausdernatur.at/geschichtsprojekt.html).
Ich möchte die rasche Reaktion von Direktor Winding ausdrücklich anerkennen, auch als Indiz, daß sich das Museum nun langsam aus seiner Belastung emanzipiert und vielelicht aus einem kritischen Blick auf die Institutionsgeschichte auch Freiräume für neue Strategien gewinnen könnte.

Mittwoch, 12. Juni 2013

Zlatorog oder wie ich beim Recherchieren auf Abwege gerate...

Als ich gemeinsam mit Freunden vor Jahren im Auftrag des Österreichischen Alpenvereins an der Ausstellung "Berge - Eine unverständliche Leidenschaft" arbeitete, beschäftigte uns ein merkwürdiges, ja sogar befremdendes Gemälde aus der Sammlung des AV. Es zeigte einen weißen, weinenden (sic!) Gemsbock vor einer Berglandschaft, aus dessen Wunde Blut fließt, das wiederum eine rote Pflanze emporwachsen läßt.

Martin Scharfe, der an der Ausstellung mitgearbeitet hat, widmet dem Zlatorogbild in seinem Buch "Bilder aus den Aplpen" eine knappe Analyse: 1877 hatte der Schriftsteller Rudolf Baumbach ein umfangreiches Gedicht "Zlatorog. Eine Alpensage" veröffentlicht. Darin ist von jenem "heiligen Tier" die Rede, das wir auf em von Karl Huck gemalten Bild von 1923 vor uns haben, das Tier, das bei Strafe des eigenen Todes nicht erlegt werden darf. Wer gegen das Tabu verstößt, stürzt in die Tiefe oder wird vom (was auf dem Gemälde "ungesagt" bleibt) Tier selbst getötet.

Gestern ist er mir wieder begegnet. Der Zlatorog. Beim Recherchieren zum Salzburger Haus der Natur. Und zwar in einer Publikation von 1930 "Das neue Museum für darstellende und angewandte Naturkunde in Salzburg", an der die vielen Fotografien bemerkenswert sind, die ein frühes Stadium der Entwicklung des heutigen Hauses der Natur dokumentieren.
Da war er wieder, der heilige weiße Gemsbock. Ausgestopft und umfangreich mit Texten kommentiert. Also als "historisches" und nicht legendhaftes Tier. Und: Vom Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand im Blühnbachtal (das man in Salzburg findet) am 27. August 1913 getötet. Ja, genau der Franz Ferdinand, der nicht einmal ein Jahr nach seinem Jagdfrevel tot war. Zunächst dachte ich, daß das Haus der Natur da Mythos und Geschichte vermengt hat, wie es das seit seiner Gründung in verschiedenen Abteilungen zur Jagd oder direkt zu Sage und Märchen ja getan hat. Aber der hstorische Schuß des Thronfolgers fiel wirklich

Den ultimativen und emprisch abgestützten Beweis für die Wirkmacht der legendhaften Überlieferung bietet uns das Schicksal eines Waid- und Staatsmannes, der die Jagdmordlust von Franz Ferdinand womöglich weit übertroffen hat: Nicolae Ceauşescu. Ich zitiere ausführlich aus der Zusammenfassunbg einer historischen Forschung zu Ceauşescu dem Jäger (Siebenbürgische Zeitung vom 7. Februar 2010):

"Es ist kaum anzunehmen, dass in der Geschichte der Menschheit je ein anderes Individuum innerhalb von 24 Jahren rund 3 900 Bären getötet hat, wie die rumänische Jagdzeitschrift „Diana“ (Nr. 1/1990) meldete. Der dringendste Wunsch Ceauşescus war indes, alle „Weltrekorde“ bei den Hochwildarten der Karpaten Rumäniens zu brechen. Dieses Vorhaben ist ihm beinahe gelungen. (...) Es sei erwähnt, dass Ceauşescu aus dem Drang heraus, den vom Kronstädter Weidmann Hessheimer 1934 erlegten weltstärksten Gamsbock zu überbieten, sogar die Autohochstraße „Transfăgărăşan“ bauen ließ, um in das hochgelegene Gämsenrevier „Cumpăna“ zu gelangen. Da der Weltrekord auf sich warten ließ, ersann er eine unweidmännische Jagdmethode: Dank dieser erlegte der Diktator im Januar 1989 in Gegenwart seiner Frau Elena aus der Gondel der Drahtseilbahn im Revier Buşteni (Butschetsch-Gebirge) 66 Stück Gamswild, darunter zwei Albinos. Die alten, erfahrenen Gebirgsjäger, die einst Könige und Kaiser auf Bär- und Gamswild in den Karpaten führten, prophezeiten das Ende des Jägers innerhalb eines Jahres. Und sie hatten Recht! Nach elf Monaten, am 25. Dezember 1989, wurde das Ehepaar Ceauşescu von einem Militärgericht zum Tode verurteilt und danach erschossen.

In den uralten Märchen und Sagen Südost-Europas und des östlichen Alpenraumes rankt sich so manche Legende um den weißen Gamsbock. Der Aberglaube der Jäger und Hirten will es wissen: Wer es wagt, den weißen Bock zu erlegen, ist in Jahresfrist ein toter Mann. Dieser Aberglaube fand neue Nahrung, als Kronprinz Rudolf von Österreich, der eine weiße Gams schoss, innerhalb eines Jahres in Mayerling 1889 (genau 100 Jahre vor Ceauşescus Tod!) tragisch aus dem Leben schied.
Der Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand erlegte am 27. August 1913 eine weiße Gämse und wurde innerhalb der in der Sage bekannten Frist am 28. Juni 1914 in Sarajevo ermordet. Der Anlass für den Ersten Weltkrieg war gegeben! Inzwischen wissen es die Karpatenjäger nun mit höchster Gewissheit: Die Sage stimmt, denn sie wurde durch den gewaltsamen Tod Ceauşescus bestätigt. Die rumänische Jägerschaft hätte dem „größten Jäger aller Zeiten“ (wie Ceauşescu sich gern selbst titulierte) dieses Weidmannsheil schon zu Beginn seiner „Polit-Ära“ gewünscht, wie einer rumänischen Jagdzeitschrift 1990 zu entnehmen ist. Der „Zlatorog“, wie der weiße Gamsbock im Aberglauben der Jäger Südosteuropas heißt, ist mit dem Palladion (Verleiher von Schutz in der griechischen Sage) des weißen Königsmantels gefeit, ist also ein Schützling der Berggeister und Bergfeen. Auch der Teufel zeigt sich bisweilen in der Gestalt des weißen Bockes mit goldenen Hörnern, ist also ein „Satanstier“."

Die Auflösung der Fotos im Salzburger Museumskatalog erlaubt nicht, den umfangreichen Text, der die Albino-Gemse (die sich ja vielleicht im Depot des Museums erhalten hat?) zu entziffern. Man kann nur so viel erkennen, daß dort auch der herrscherliche Jagdeifer mit dem Ausbruch des Weltkeiegs in Zusammenhang gebarcht wurde.
Jetzt verstehe ich, warum die Unterschrift zum bild lautet: "Der 'Zlatorog' der Weltgeschichte"...


Die Revision, die Enthmythologisierung vollzieht sich nicht im frontal artikulierten Widerspruch, nicht in der Anstrengung der rationalen Aufklärung. Sie vollzieht sich unauffällig als Unterminierung, als ironische Auflösung.
Zlatorog ist heute - ein slowenisches Bier...