Freitag, 11. Mai 2018

Sigmund Freud Museum 2020


Sigmund Freud Museum 2020

Sigmund Freuds ehemalige Wirkungsstätte in der Wiener Berggasse 19, der Ursprungsort der Psychoanalyse, wird sich ab 2020 der Öffentlichkeit in einer Form präsentieren, die den Ansprüchen dieses einzigartigen Museums- und Wissenschaftsstandorts gerecht wird.
Renovierung Haus Berggasse 19
Die Planung sieht die Sanierung der Fassade vor. Das historische Eingangsportal, wie es zu Beginn des vorigen Jahrhunderts den PatientInnen und BesucherInnen von Sigmund Freud offen stand, wird  weiterhin dem Museumspublikum Einlass zur geschichtsträchtigen Wiener Adresse Berggasse 19 gewähren.
Grundlegenden internationalen Museumsstandards entsprechend werden mit der Einrichtung eines Empfangs- und Kassaraumes im Erdgeschoss, dem auch ein kleines Café und ein Museumsshop angeschlossen sind, und den darunter liegenden Garderoben- und Sanitäranlagen adäquate Bedingungen für die mehr als 100.000 BesucherInnen jährlich geschaffen. Die Ausstellungsfläche des Sigmund Freud Museums im Mezzanin des Hauses wird auf 400 m2 erweitert und durch zusätzlich gewonnene Ausstellungsflächen im ersten Halbstock eine weitere Vergrößerung um ca. 150 m2 erfahren.
Der Zugang zu Museum und Bibliothek wird durch einen Aufzug barrierefrei erschlossen und unter Wahrung der Auflagen des Denkmalschutzes und der aktuellen Bauordnung den Bedürfnissen für Menschen mit Behinderung angepasst.
Re-Organisation des Museums
Das Museum als Erfahrungsort: Unter Berücksichtigung des gründerzeitlichen Charakters von Sigmund Freuds Wohn- und Arbeitsräumen werden erstmals auch die privaten Räume der Familie für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Sie geben Aufschluss über die bewegte Familiengeschichte, erzählen vom Alltag einer Wiener Familie um die Jahrhundertwende und schreiben Freuds Wirken in den gesellschaftlichen Kontext seiner Zeit ein. In der psychoanalytischen Praxis von Freud vermittelt die im Original erhaltene Möblierung des Wartezimmers die für Wien so kennzeichnende Atmosphäre eines Interieurs des 19. Jahrhunderts. Die museale Präsentation im Arbeitszimmer der Praxis widmet sich der psychoanalytischen Theoriebildung wie auch Freuds kulturtheoretischen Schriften. Seine vielfältigen Korrespondenzen mit KollegInnen, FreundInnen und PatientInnen, die insgesamt ein Konvolut von knapp 20.000 Briefen umfassen, werden hier vergegenwärtigt. In Freuds Behandlungsraum werden Kernthemen der psychoanalytischen Behandlungsmethode und Praxis verhandelt. Der Leerstelle, die durch die Abwesenheit der Couch in diesem Raum zurückgeblieben ist, kommt in der neuen Dauerausstellung besondere Bedeutung zu. Das Fehlen dieses zur Ikone der Psychoanalyse avancierten Möbels kennzeichnet das Museum als einen entkernten Erinnerungsort und liefert den Verlusten, die unsere Geschichte schrieb, ein Sinnbild: Freuds Flucht vor dem Nationalsozialismus steht pars pro toto für Millionen Geflüchteter und Ermordeter.
Freuds „erste Ordination“ im Hochparterre der Berggasse 19, in der er zwischen 1896 und 1908 PatientInnen wie „Dora“ behandelte, ist auch jener Ort, an dem der „Vater der Psychoanalyse“ die zentralen Texte der Entstehungsphase seiner Wissenschaft wie Die Traumdeutung oder Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie verfasste. Hier werden ausgewählte Werke der  Zeitgenössischen Konzept-Kunstsammlung des Sigmund Freud Museums – unter anderem Arbeiten von Paolo Calzolari, Joseph Kosuth, Franz West, Heimo Zobernig, Sherri Levine und Georg Herold wesentliche Aspekte der Psychoanalyse wie auch deren Wirkungsgeschichte im Bereich der Kunstproduktion beleuchten.
Die Neukonzeption des Museums ermöglicht es, der einstigen Bedeutung und Funktion der historischen Räume in der Berggasse 19nachzuspüren. Durch zeitgemäße Vermittlungsinstrumente werden die vielschichtigen Inhalte dieses Kulturstandortes – von der Darstellung der Entwicklung der Psychoanalyse als Wissenschaft des Unbewussten über die Gefahr ihrer Auslöschung im Nationalsozialismus bis hin zur Befragung ihrer aktuellen Bedeutung – fachgerecht aufbereitet, kritisch beleuchtet und einer breiten Öffentlichkeit vermittelt.
Die ArchitektInnen Hermann Czech, Walter Angonese und ARTEC, Bettina Götz und Richard Manahl fassen das Konzeption ihres  Museumsentwurfs „SIGMUND FREUD MUSEUM 2020“ wie folgt zusammen:
Der Informationsgehalt des Sigmund Freud Museums beinhaltet zwei Aspekte:
Sachliche Information: die wissenschaftliche, historische und biografische Information über die Psychoanalyse und ihre Entstehung, über ihren Schöpfer Sigmund Freud und seine Familie, besonders auch über Anna Freud. Dieser Aspekt ist nicht an das Freud-Haus bzw. an bestimmte Räume darin gebunden.

Örtliche und räumliche Präsenz: die physische Erfahrung der wichtigsten authentischen Lokalität, in der diese wissenschaftliche Arbeit und die persönliche Lebensführung der beteiligten Menschen stattgefunden hat. Insofern ist das Haus ein Museum seiner selbst.  Dieser Aspekt kann nur im Freud-Haus und im Verständnis seiner Räume und ihres Zusammenhangs wahrgenommen werden.
Die beiden Aspekte werden im Sigmund Freud Museum gleichzeitig und als Einheit dargeboten und erfahren; in einzelnen Fällen werden sie sogar in Zusammenhang treten. Es dient aber doch der methodischen Klarheit und Verständlichkeit der vermittelten Inhalte, sie gedanklich auseinanderzuhalten.
Im Prinzip sollten daher der allgemeine Informationsaspekt und der Örtlichkeitsaspekt nicht medial vermischt werden. In die Mittel der Ausstellung übersetzt, bedeutet das, die nicht den Raum betreffende Information im Regelfall von den Raumwänden abzulösen. Auf den Raumwänden verbleiben ausschließlich die Hinweise zu den Hausräumen und ihrer ehemaligen Nutzung, Einrichtung, ihren Oberflächen (und deren konservatorisch-restauratorischen Befunden).
Der Weg durch das Museum liefert also einerseits eine Erfahrung der Räume und ihrer Anordnung, ihrer ehemaligen Nutzung und Geschichte, sowie Hinweise zu ihrem ehemaligen Aussehen, andererseits liefert er eine abgestufte allgemeine Information durch Texte und Bilder, die von den Räumen inhaltlich weitgehend unabhängig ist.
Der Parcours sollte dem Besucher weitgehend freigestellt werden; möglichst früh sollte jedoch eine Orientierung (mental map) entstehen können, die eigenständige Rück- und Querwege begünstigt.
(Auszug aus dem Konzept der Weittbewerbseinreichung von Hermann Czech, Walter Angonese und ARTEC, Bettina Götz und Richard Manahl, 2017)
 „Bibliothek der Psychoanalyse“ – Sanierung und Neuaufstellung
Das über dem Museum befindliche Stockwerk wird zur Gänze den umfassenden wissenschaftlichen Aktivitäten der Sigmund Freud Privatstiftung gewidmet: Der „Wissenschaftsstock“ wird neben dem Archiv die Bibliothek der Psychoanalyse beherbergen, die mit ihrem Bestand von knapp 40.000 Titeln die größte psychoanalytische Fachbibliothek Europas darstellt – weltweit die zweitgrößte. Erstmals werden sämtliche Bücher und Bestandsgruppen auf einer Ebene zusammengeführt und allen LeserInnen zugänglich gemacht. Mit ihrer inhaltlich geordneten Freihandaufstellung bietet die Entlehnbibliothek Zugang zu historischen Zeitschriften der frühen Psychoanalyse, zu zahlreichen gegenwärtigen Fachjournals sowie zu sämtlichen internationalen Neuerscheinungen, die den gegenwärtigen internationalen Forschungsstand rund um Theorie und Praxis der Psychoanalyse abbilden. Werke, die Verbindungslinien zwischen der Psychoanalyse und anderen Disziplinen herstellen, etwa Kulturwissenschaften, Gender Studies, Filmtheorie, Kunstgeschichte, Literaturwissenschaft etc., ergänzen den Sammelschwerpunkt.
In die Studienbibliothek werden Arbeitsplätze integriert, die dem eigenen Wissenschaftspersonal sowie Gästen aus dem In- und Ausland zur Verfügung stehen: KooperationspartnerInnen, PsychoanalytikerInnen, ForscherInnen universitärer und außeruniversitärer Einrichtungen sowie privaten InteressentInnen. Für den wissenschaftlichen Nachwuchs werden zusätzlich spezielle Programme wie Rechercheworkshops für Studierende und die Betreuung von SchülerInnen im Rahmen ihrer vorwissenschaftlichen Arbeiten (VWA) angeboten.
Das Herzstück des Wissenschaftsbereichs bildet der Vortrags- und Lesesaal: Der berggassenseitig gelegene „historische Salon“ im ersten Obergeschoß wird umsichtig renoviert, mit zeitgemäßer Infrastruktur und Technik ausgestattet und so multifunktional für die BibliotheksnutzerInnen wie für unterschiedliche wissenschaftliche Veranstaltungsformate – Vorträge, Konferenzen, Workshops und Filmscreenings – nutzbar gemacht.

BIBLIOTHEK DER PSYCHOANALYSE #FREUD2020 Um den bedeutenden Wissenschaftstandort Berggasse 19 lebendig zu halten wurde auf der Plattform RESPEKT.NET die Aktion „Freud spenden auf respekt.net“ initiiert – helfen auch Sie mit, das Wissen der „Wiener Wissenschaft“ Psychoanalyse für unsere Zukunft nutzbar zu machen: respekt.net/freudspenden
 Zur Verfügung gestellt vom Freud-Museum

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