Sonntag, 16. Februar 2014

"Carmilla der Vampir". Eine Ausstellung im GrazMuseum. Blitzkritik

WAS?
"Carmilla der Vampir und wir". Eine Ausstellung über die Figur des Vampirs (und seiner Verwandten) in Literatur, Film, Trivialmythologie, Volksglaube, Wissenschaft usw. Die Ausstellung nimmt ihren Ausgangspunkt von der Tatsache, daß die frühen Vampirerzählungen noch in der Steiermark angesiedelt waren, bzw. sein sollten (Bram Stoker entschied sich schließlich für Rumänien).

WO und WANN?
GrazMuseum, bis Ende Oktober 2014

WIE?
Eine Ausstellung, die vor allem mit zweidimensionalen Medien, Büchern, Manuskripten, Grafiken, Gemälden und Erläuterungstexten sowie Filmen (die auf Monitoren gezeigt werden, aber etwa die Hälfte absichtsvoll, so sagte man mir jedenfalls, bis zur Unrezipierbarkeit "gestört") vielfältige Aspekte des Themas vorstellt.

Relativ umfangreiches Themenspektrum, nicht strikt chronologisch entwickelt, sondern zwanglos entwickelt
Für ein offenbar breites Publikum fast aller Altersstufen attraktiv (die Ausstellung war bestens besucht, an einem allerdings selten tristen und verregneten Sonntagnachmittag)
Ziemlich tollkühne Möblierung, einschließlich der Stellwände und Vitrinen, kann man auch als Symptom für das finanzielle Kurzgehaltenwerden des Museums durch die Stadt verstehen
Viele Texte, die eine seminaristisch-akademische Lust der Welterklärung verraten, wie man sie in Texten einer bestimmten Graduierungsstufe häufig findet. Manchmal bombastisch, manchmal essenzialistisch, immer aber im Habitus des Wir wissen es und erklären euch das jetzt mal (Gender, Tod, Industrialisierung, Verdrängung, Identität, Moderne, Emanzipation usf.). Wird Besucher in zwei Hälften spalten: gnadenlos Ausgebremste und Einheimische der Bildungselite, die sich das wie Manna und Ambrosia reinziehen werden).
Die Texte tragen die Last der Aussage und Erzählung(en). Objekte sind fast nie selbst als Quelle von Einsichten und Aussagen oder Medien der Vermittlung eines nicht zuvor schon textlich gefassten Gedankens eingesetzt. (Kommt sehr häufig vor, ist aber immer wieder traurig und manchmal ärgerlich). Dazu kommt, daß das GrazMuseum keine reiche und attraktive Sammlung hat und auch bei Leihgaben keine großen Sprünge machen kann. Allerdings - gibts überhaupt eine Museumssammlung, aus ein solches Thema bestritten werden könnte? Damit komme ich zum dritten Minus:
Das Medium der Vampirerzählungen ist das Buch und dann der Film. Die Gefahr einer "Flachwarenausstellung" ist groß und nicht wirklich vermieden worden. Quadratmeter um Quadratmeter Text(e), wie (fast) immer im Stehen zu würdigen, zu (wenns überhaupt geht) zu lesen, geht nicht.
Ein Ausweg aus dem genannten Dilemma wäre gewesen, die Ausstellung selbst wie einen Vampir-Text oder Film zu behandeln (aber nicht als Faschingsgschnas, so meine ich das nicht; eher als - nur eine Idee - großes Schattentheater a la Kentridge. Das wäre sogar noch billiger gewesen), das heißt der gestalterischen und gedanklichen Kreativität Flügel zu verleihen (nicht die von Red Bull), also eine Visualisierung sui generis zu erfinden. Stattdessen das genaue Gegenteil: wo das Sujet phantastisch ist, versucht die Ausstellung zu konkretisieren, holt so die Schemen und Phantasmen auf einen harten Boden einer Realität zurück, wo die Poesie in den Sachen (objets alibi) erstickt. Wenn der Zusammenprall von Archaik und Moderne an den Reisewegen von Verfolgtem und Verfolgern erläutert werden soll, da steht dann eine Lokomotive in der Vitrine, entliehen aus dem Technischen Museum, mit Erläuterung zur Baureihe etc und ein Baedeker, die Inkunabel genau jenes Reisens, das durch Standardisierung der Warenförmigkeit der Wahrnehmung entlang von must sees alles Phantastische austrieb. O je.

Trotzdem hingehen! Meine Meinung ist ja bloß eine exotische Minderheitenmeinung eines überkritischen Ausstellungsgehers.

Und jetzt ein paar Fotos.




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