Sonntag, 17. April 2011

Dauer / Nichtdauer. Museum / Ausstellung (Museumsphysiognomien 12)

Marcel Broodthaers gräbt mit einem Freund den Grundriss eines Museums Moderner Kunst in den Strand von le Coq. Wir schreiben das Jahr 1969. Die Flut wird das Museum in einigen Stunden wegspülen...




Das Thema Dauerausstellung…

…eine Wiederkehr? Eine Rückbesinnung?

Es geht um Entgegensetzung: Dauer / Wechsel, zwei Zeitformen des Ausstellens.
Wirklich?

Wie lange dauert eine Dauerausstellung?

Eben habe ich im Internet ein paar Fotos der verschiedenen Themenausstellungen der Dauerausstellung des Technischen Museums entdeckt, die nach 1918 entstanden sind. An die meisten der Ausstellungen kann ich mich erinnern, sie waren bis zur großen Umgestaltungen des Museums in Gebrauch, waren teilweise beschädigt oder ungepflegt, wirkten aber gestalterisch - und einige von ihnen auch didaktisch - noch immer modern.
Eine solche Dauer von 40, 50 Jahren fände heute kein Museumsverantwortlicher mehr wünschenswert; man spricht von etwa 10 bis 15 Jahren 'Lebenszeit' für eine 'permanente' Ausstellung.

Dagegen sind Wechselausstellungen meist nur auf einige Monate angelegt, gelegentlich nur Wochen, manchmal bis zu einem Jahr, selten länger, wie bei der Ausstellung 'Berge - eine unverständliche Leidenschaft', die fünf Jahre gezeigt wird.
Schon ein Unterschied, aber weniger gravierend, als man glauben möchte.

Vielleicht ist aber der Maßstab, den man anlegt, irreführend. Das Wort Dauerausstellung kooperiert mit einem strukturellen Merkmal des Museums (das es es erst in den letzten 200 Jahren zugemessen bekommen hat), mit der Vorstellung einer
unabschließbaren Dauer. Und diese Vorstellung hängt nicht an der Ausstellung, sondern an den Dingen (und der Institution). Die Dinge bilden ein 'technisches Gedächtnis', das wegen der vermeintlichen Unzerstörbarkeit seiner Materialität (all die Investitionen in die Aufbewahrung, Konservierung…) selbst als unzerstörbar gilt.

Es ist ein 'Gattungsgedächtnis', in das wir uns alle tröstlich einschreiben können, und damit ein Ort, wo nicht nur die Dinge, sondern auch wir unzerstörbar zu sein scheinen.
Dieses Phantasma ist zwar durch die globalen Kriege und vor allem durch den Holocaust zerstört worden und es ist auch durch die wirtschaftliche und ökologische Entwicklung immer weniger plausibel, angesichts der Kalkulierbarkeit der Endlichkeit von (Überlebens)Ressourcen. Und Museen haben insofern darauf reagiert, als sie sich nun auch den Kehrseiten der Zivilisation stellen, den Traumata und Katastrophen.

Doch das - mehrfach - unmögliche Versprechen bleibt verlockend…

Dagegen die zeitlich befristete Ausstellung mit ihrem anderen Anspruch auf Aufmerksamkeit und Gegenwärtigkeit… Sofern Museen sich selbst zueinander in Konkurrenz sehen und setzen (und zu anderen Ereignissen der Unterhaltungsindustrie und Mediengesellschaft), werden sie auch in eine Konkurrenz um Wahrnehmung und Positionierung geraten. Sie machen sich zu Marken, Slogans, Schlagworten, Zeichen, um nicht unterzugehen.

Was aber immer gleich bleibt, bleibt nicht lange interessant; deshalb der Wettbewerb über Ausstellungen, über Behauptungen von Werten (Gold, Schätze, Erbe…), das Schüren von Erwartungen, Versäumnisängsten, das atemlose Vokabular der Anpreisung, die immer kürzeren Takte, mit denen Museen immer mehr Ausstellungen ('Formate') generieren. (Und dadurch auch als Organisationen, durch Überbeanspruchung der Ressourcen, vor allem der Mitarbeiter, in Atemnot geraten).

Dauer / Wechsel, die beiden Ausstellungsformen sind unter anderem unterscheidbar durch unterschiedliche Potentiale,
Verheissungen generieren zu können. Und dadurch, zwei unterschiedliche Weisen, Erfahrungen machen zu lassen. Das eine kann mit dem anderen in Konflikt liegen. Es gibt immer mehr Verheißungen, aber immer weniger Zeit, sie genießen zu können.

Das Museum ist ein langsames Medium. Langsames
Durcharbeiten problemhaltiger Materialen hat ein Freund (ein Pädagoge) mal in gemeinsamen Projekten die Tugend des Museums beschrieben. Die wiederholbare Erfahrung, die durch keinen inneren Zeitrahmen (sieht man von Öffnungszeiten ab) eingeschränkt ist, die also langsam sein kann, so wie man es selbst langsam haben will (in Kabakovs 'Palast der Projekte' halte ich mich stundenlang auf, hier gibt es auch viele Sessel…Tische, an denen man Lesen, Nachdenken kann…es wird mich lange beschäftigen).

Ich lese: in den Wissenschaft wird jährlich etwa 10% des Wissens auf Nimmerwiedersehen abgestossen. Es ist gerade das ältere Wissen, das 'gefährdet' ist. Wäre das dann ein Plädoyer fürs Museum, für sein 'veraltetes' Wissen (ich war ja immer der Meinung, das Technische Museum hätte nicht alle seine alten Ausstellungen abbrechen sollen…). Und ich erinnere mich an ein Seminar, in dem sich ein Teilnehmer weigerte, einen etwa 10 Jahre alten Aufsatz zu diskutieren. Weil so etwas veraltet sein muß. In der Pause verließ er das Seminar und reiste ab.

Dauer lässt veralten zu, damit abkoppeln von etwas, wovon das Museum meist ohnehin abgekoppelt ist: von Gegenwart und Zukunft, damit von der Überprüfung dessen, was es bewahrt und tut in Hinblick auf Zukunft. Nicht zufällig ist
museal umgangssprachlich ein negatives Eigenschaftswort. In der Dauer steckt somit Hegemonie. Die Geltung ungeprüft übernommener Werte.

Also doch besser ein 'dauerloses' Museum? Eins, das vorm Tiefschlaf bewahrt wird, durch Menschen, die etwas vom Museum wollen, erwarten, verlangen.

Die will das Museum aber gar nicht. Das will zahlende und zählbare Kunden. Und je mehr Ausstellungen, desto mehr lässt sich zählen.

Und so weiter...

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